Vor kurzem haben wir uns mit der Privatschulquote beider Basel beschäftigt. Und dabei einen höchst seltsamen Knick in der Kurve entdeckt. Schuld daran ist das BfS. Und zwar wegen eines Versuches, die Daten bundesweit zu vereinheitlichen.
Vor Kurzem haben wir uns eingehend mit der Privatschulquote in den beiden Basel beschäftigt. Dabei ist uns eine kleine Unregelmässigkeit aufgefallen, der wir nachgegangen sind. Was wir herausbekommen haben, ist ein kleiner Einblick in die kantonale Datenerhebung und ein kleines Lehrstück darüber, dass es in der Statistik selten absolute Irrtümer, aber auch selten absolute Wahrheiten gibt.
Zum einen gibt es gerade bei Personenstatistiken den menschlichen Faktor. Menschen sterben nicht an Stichtagen, zügeln nicht pünktlich und kümmern sich im Allgemeinen herzlich wenig um die Statistiker, die sich dann Gedanken darüber machen, was es für ihre Kurven bedeutet, wenn ein Schüler unterjährig die Schule wechselt.
Und um Schüler geht es hier. Vor kurzem haben wir für einen Artikel über den Privatschulbesuch beider Basel die Privatschulquoten in beiden Kantonen grafisch aufbereitet. Bereits beim Zusammenstellen der Zahlen fiel uns auf, dass es in der Interpretation der Schülerzahlen der obligatorischen Schulstufe verschiedene Wahrheiten gibt. Der Kanton Basel-Stadt handhabt die Daten anders als der Landkanton und vergleichbare Zahlen lieferte nur das Bundesamt für Statistik (BfS).
Da ein Schüler, egal wo, nur einmal zur Schule gehen kann, waren wir über die Visualisierung dann doch einigermassen erstaunt. Während sich die Daten des BfS und des Kantons Basel-Stadt in Sachen Privatschulbesuch über die vergangenen Jahre einigermassen gleichen, was bei unterschiedlicher Handhabung der Daten zu erwarten ist, ist dies beim Kanton Basel-Land fast gar nicht der Fall.
Die Zahlen des BfS machen ausserdem einen höchst seltsamen Schlenker im Jahr 2011/2012. Das weckt natürlich die journalistische Neugier.
Der Knick in der Kurve lässt sich nach einigen Nachforschungen und Hinweisen erklären. Dem statistischen Amt Basel-Land ist der Knick auch schon aufgefallen. Es äussert eine Vermutung und verweist auf das Bundesamt für Statistik.
«Am Knick sind wir schuld», bestätigt Anton Rudin, Bereichsleiter Statistik Lernende und Abschlüsse beim BfS, und man könnte am Telefon schwören, dass er dabei deutlich schmunzelt.
Was dann folgt, ist eine kleine Geschichte der Datenerhebung, bei der sehr viele Prozesse und einige Annahmen eine Rolle spielen.
Es ist nämlich nicht nur ein Unterschied ob Marc, Cecile, Reto und Wolfgang eine öffentliche oder private Schule besuchen, sondern auch wo. Sind sie einmal angemeldet, werden ihre Daten nach bestimmten Kriterien gesammelt. Es gibt dazu ein Format des BfS, aber auch andere Formate, die die Kantone daraus abgeleitet haben. Hier ist schon mal Schluss mit einheitlich.
Die kantonalen statistischen Ämter sammeln die Daten ein und prüfen sie auf Vollständigkeit und Plausibilität. Zum Beispiel, ob auch alle Schulen Lernende gemeldet haben und ob nicht ein Geburtsdatum völlig ausser der Reihe liegt. Danach werden die Angaben sowohl selbst weiterverarbeitet wie auch nach Bern weitergeben.
Bunte Datenberge im Bundesamt für Statistik
«Wir bekommen dann von 26 Stellen Daten über den Schulbesuch geschickt und müssen dann daraus eine vergleichbare Statistik erstellen», klagt Rudin im BfS sein Leid. Neben unterschiedlichen Stichtagen zur Erhebung der Statistik müssen die Berechner in Bern dazu auch mit «kantonalen Gepflogenheiten» fertigwerden, die sie zum Teil gar nicht genau kennen. «Wir haben sehr unterschiedliche Situationen in der ganzen Schweiz», sagt Rudin.«Ein Vergleich einer Stadt wie Basel mit einem sehr ländlichen Kanton ist manchmal fast nicht möglich».
Kantonale Gepflogenheiten und bundesweiter Kehraus
Eine dieser Gepflogenheiten war es, Lernende, die nicht direkt einer Schulstufe zuzuordnen waren, einfach unter dem Punkt «Nicht auf Stufen aufteilbare Ausbildungen» zusammenzufassen. In dieser Kategorie landeten dann vielleicht Marc und Cecile, die eine internationale Schule besuchten und Wolfgang, der auf eine Steinerschule ging. Zusammen mit allen andern, bei denen das unklar war.
Damit räumte das BfS in 2012 auf. «Wir haben von den Kantonen verlangt, dass sie Statistiken liefern, die auf Stufen zuordenbar sind», erklärt der Anton Rudin. Also wurde zugeordnet. Entweder aufgrund neuer kantonaler Regelungen, aufgrund von Absprachen und notfalls nach Alter. Prompt stieg die Privatschulquote für Basel-Land in der Statistik des BfS auf das Doppelte an.
Und ein Missverständnis
Eigentlich traf man diese, man muss wohl sagen: Annahmen, in beiden Basel schon länger. In Basel-Land gab es aber vor der Neuorganisation ein Kommunikationsproblem. Die Statistik mit den zu Stufen zugeordneten Schüler wurde zwar ans BfS weitergeleitet, jedoch mit einem Code versehen, den das BfS als «nicht zuordenbare Stufenbezeichnung» einordnete. Das Missverständnis klärte sich erst 2012, als einheitliche Vorschriften für alle Kantone galten.
«Was ist eigentlich eine Privatschule?», fragt Rudin weiter. Rhetorisch, natürlich. Und wieder könnte man schwören, jetzt grinst er. «Das ist wirklich schwierig abzugrenzen», führt er aus. Sei eine Schule zu 49 Prozent privat finanziert, sei sie öffentlich, bei 51 Prozent sei sie privat.
«Denken Sie mal an die kaufmännischen Berufsschulen», sagt sein Kollege Tobias Wiederkehr, Statistiker in Basel-Land, wo wir ebenfalls nachgefragt haben. «Die werden eigentlich von Vereinen getragen». Stimmt, aber eine öffentliche Alternative gibt es nicht.
Kaum noch Abweichungen
Mehr dazu wollen wir jetzt im Detail gar nicht mehr wissen. «Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast», legt Alain Rundin nach. Und jetzt lacht er wirklich.
Ganz so ernst gemeint ist das natürlich nicht. Durch den Eingriff des BfS gibt es seit 2012 im Bereich obligatorische Schulen kaum noch Abweichungen zwischen den Publikationen des BfS und jenen des Kanton Basel-Land. «Bei längeren Zeitreihen mit Fokus «Privatschüler» oder «Nationalität» würden wir Ihnen empfehlen, für den Kanton Basel-Land eher die kantonalen Zahlen zu verwenden.» fügt der Bundesstatistiker später per Email an.
Das doppelte Tabellchen
Es gibt also zwei Statistiken zum Privatschulbesuch, eine kantonale und eine vom Bund. Die kantonale Statistik ist passender, die bundesweite ist dafür vergleichbarer. Es lebe der Föderalismus.
«Immerhin haben wir es inzwischen geschafft, den Schulanfang überall auf die gleiche Jahreszeit zu legen», muss man dazu noch einmal Anton Rudin zitieren. Da sag noch einer, Statistiker hätten keinen Humor.