Wie die Basler Polizei zwei junge Frauen drangsalierte

Wegen eines vagen Verdachts geraten zwei Baslerinnen auf dem Heimweg in eine Polizeikontrolle. Sie müssen sich ausziehen und einem aggressiven Verhör stellen. Die Namen der Polizisten erfahren sie nie. «Wir fühlten uns ausgeliefert und erniedrigt», sagen sie.

Von vorne, im Profil und dann gerne ausziehen: Die beiden Grafikerinnen Sinja Steinhauser und Elodie Märki wehren sich gegen die Basler Polizei.

Sinja Steinhauser und Elodie Märki wollen die Basler Kantonspolizei damit nicht durchkommen lassen, so viel sei vorweg gesagt.

Vorfall von Mittwoch, 11. Juli 2018. Aus dem Gedächtnisprotokoll von Sinja Steinhauser:

Sie haben etwas zu feiern, Elodie Märki hat ihren Studienabschluss in der Tasche. Steinhauser, 25 Jahre alt, und Märki, 31 Jahre alt, beide Grafikerinnen, trinken ein paar Gläser Wein im Kleinbasler Szenelokal Renée. Keine besonders lange Nacht, aber eine schön beschwingte. Nach Mitternacht gehen sie zu Fuss das Kleinbasel hoch, sie haben getrunken, also schieben sie ihre Fahrräder neben sich her.

Gegen ein Uhr nachts halten sie vor einem Haus in der Hammerstrasse. Sie fühlen sich leichtherzig, sind vergnügt, ein bisschen aufgedreht. Als sie weitergehen wollen, werden sie von einer Polizistin und einem Polizisten in zivil gestoppt. «Ausweise, bitte! Haben Sie Alkohol getrunken?»

Steinhauser und Märki fragen nach dem Grund der Kontrolle. Der Polizist erzählt von einer Beschwerde wegen einer Wandschmiererei, die Beschreibung der Täterinnen würde exakt auf sie beide zutreffen. «Es gibt ein Beweisfoto», behauptet der Beamte. Verweigert dann aber die Herausgabe des Bildes.

Die beiden Polizisten ordern zwei Streifenwagen in die Hammerstrasse und bringen Märki und Steinhauser einzeln auf den Polizei-Stützpunkt in der Clarastrasse. «Auf Fragen von unserer Seite wurde nicht reagiert und der Ton uns gegenüber wurde zunehmend herablassender und respektloser», erinnert sich Steinhauser.

Ihre Kleider werden eingesammelt, mitgeführte Gegenstände entnommen. Steinhauser steht nackt da, mitten im Raum.
Die Polizistin mustert sie aus der Distanz.

Auf dem Claraposten werden sie fotografiert, von vorne und im Profil, und danach einzeln in einen Verhörraum gebracht. Sie müssen ganz hinten auf einer Wartebank Platz nehmen. Erneute Aufnahme der Personalien, dann ein Alkoholtest, Märki und Steinhauser müssen ins Röhrchen blasen.

Die beiden Frauen wollen wissen, was das Ganze soll. Eine Antwort erhalten sie nicht.

Eine Polizistin fordert Steinhauser auf, sich nackt ausziehen. Ihre Kleider werden eingesammelt, die mitgeführten Gegenstände entnommen. Steinhauser steht nackt da, mitten im Raum. Die Polizistin mustert sie aus der Distanz.

«Was wollen Sie auf meiner nackten Haut finden?», fragt Steinhauser. «Hören Sie auf, sich zu beschweren, wir verrichten hier nur unsere Arbeit», antwortet die Beamtin. «Wir fühlten uns ausgeliefert und diskriminiert», sagt Steinhauser rückblickend.

Als wäre es aus purer Langeweile

Das Verhör beginnt. Polizisten kommen und gehen, setzen sich dazu, stellen Fragen, stehen auf und verlassen den Raum. Keiner stellt sich mit Namen und Funktion vor, keiner erklärt das Prozedere. Es wirkt, als wollten sich die Polizisten die Langweile des Nachtdienstes vertreiben. Und Befragetechniken austesten. Probieren, ob mit ein bisschen Druck nicht ein schnelles Geständnis drinliegt.

Polizist zu Märki: «Weshalb tun Sie so etwas, Frau Märki?» – «Wie gut sind Sie und ihre Kollegin befreundet?» – «Mitgehangen, mitgefangen!»

Polizist zu Steinhauser: «Das tun Sie nicht zum ersten Mal, Frau Steinhauser!»

«Ich wunderte mich», sagt Steinhauser, «wie sie solche Vermutungen aufstellen konnten, da weder ich noch Elodie Märki uns jemals etwas haben zuschulden kommen lassen.»

Plötzlich entdecken die Polizisten einen winzigen schwarzen Farbfleck auf Steinhausers Hand. Sie sind wie elektrisiert, glauben, den Beweis für die Beteiligung an einer Sprayerei gefunden zu haben. Sie versuchen, den Fleck von der Grösse eines kleinen Muttermals zu fotografieren. Scheitern, versuchen es wieder, scheitern nochmals. Der Fleck ist so klein, dass er auf den Bildern kaum zu erkennen ist.

Elodie Märki wird ohne Angabe von Gründen noch für eine Weile in eine Zelle gesteckt.

«Ich fühlte mich hilflos und versuchte zu erklären, dass dieses Schwarze etwas Schminke oder sonst etwas sein könnte», erzählt Steinhauser. Die Polizistin antwortete: «Ich schminke mich auch, bei mir sieht das aber nicht so aus.»

Nach dem Verhör erhält Sinja Steinhauser ihre Habseligkeiten zurück. «Schlüssel, Geldbeutel, Tampons, Zigaretten und Feuerzeug – Dinge, die eine junge Frau eben so mit sich trägt.» Elodie Märki wird vor der Entlassung und ohne Angabe von Gründen noch für eine Weile in eine Zelle gesteckt. Steinhauser wird gefragt, ob sie noch etwas Letztes zu Protokoll bringen wolle. «Was soll ich schon sagen, Sie glauben mir ja sowieso nicht.»

Dann werden die beiden Frauen in die Nacht entlassen. Mit dem Verweis, dass sich nun die Staatsanwaltschaft um sie kümmern werde. «Aufgrund der nicht vorhandenen Kooperation.» Was das bedeutet, erklärt der Polizist nicht.

«Unbegründet und erniedrigend»

Jetzt, mit einen bisschen Abstand, hat Sinja Steinhauser ihre Gefühle zu Papier gebracht und die Polizeikontrolle innerlich aufgearbeitet. Sie hat gemeinsam mit Elodie Märki bei der Beschwerdeinstanz der Polizei und der kantonalen Ombudsstelle Beschwerde eingelegt.

Die beiden ziehen darin ein bitteres Fazit. Sie schreiben: «Unbegründet, willkürlich und erniedrigend wurden wir aus einem Unterhaltungs- in einen Horrorfilm gerissen, der für uns in einem Schockzustand endete. Wir wurden zu keiner Zeit auf unsere Rechte hingewiesen. Wir fühlten nur, dass wir unschuldig diskriminiert wurden.»

Nach der Kontrolle ruft Steinhauser nochmals auf dem Claraposten an. Sie will wissen, wie die Beamten hiessen, die sie festgenommen und befragt haben. Die Polizistin am Telefon spricht von Datenschutz und verweigert die Herausgabe der Namen. Sie verrät bloss: «Einer der Beteiligten hiess Meier.» Den Vornamen gibt sie nicht preis. Eine Information, so empfindet das Steinhauser, so wert- wie respektlos.

Dafür weist die Polizistin ungefragt auf einen weiteren Umstand der Kontrolle hin. «Sie waren ja betrunken und können sich sicher nicht daran erinnern, wie alles genau abgelaufen ist.» Es tönt bereits wie die zu erwartende Verteidigungsstrategie der Basler Kantonspolizei.


Das Justiz- und Sicherheitsdepartement hat eine Stellungnahme zu den geschilderten Ereignissen in Aussicht gestellt. Wir werden sie veröffentlichen, sobald sie vorliegt.

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