Im Treppenhaus bleibt es dunkel. Die Glühbirnen im Erdgeschoss und ersten Stock sind seit Wochen kaputt. Der neue Hauseigentümer an der Klybeckstrasse 170 machte bisher keine Anstalten, die Glühbirnen auszuwechseln.
Für M.N.*, der im Haus wohnt, ist klar: Das ist Schikane der Immro AG, die das Haus im April kaufte. «Der neue Besitzer will uns loswerden.» Das Licht sei nur das i-Tüpfelchen, sagt M.N., der anonym bleiben will, um weiteren Ärger mit dem neuen Hausbesitzer zu vermeiden.
Die Immro AG informierte am 8. Mai alle Mietparteien, dass ein Gerüst aufgebaut werde. Bereits eine Woche später begannen die Handwerker, das Haus einzurüsten. M.N. meint: «Es wird alles dafür gemacht, um es uns ungemütlich zu machen.»
Ungewissheit und leise Botschaften
Erst im April hatte die Firma die Mieterschaft in einem Schreiben darüber informiert, dass umfassende Renovationsarbeiten durchgeführt werden. Deshalb müssten alle Mieter während der Renovation aus ihren Wohnungen.
Weiter heisst es im Schreiben, man würde aufgrund der gegebenen Umstände «selbstverständlich jede, auch ausserterminliche Kündigung, ohne Weiteres akzeptieren».
M.N. versteht das als klare Aufforderung: Ihr könnt gehen. Eine Mieterin, die wir im Treppenhaus treffen, sagt: «Das Schlimmste ist die Ungewissheit, die darüber herrscht, was mit unseren Wohnungen passiert.»
Gerüst ohne Bewilligung
Das Vorgehen der Immro AG vergrault nicht nur die Mieter – es ist auch rechtswidrig. Denn das Mietrecht schreibt vor, dass grössere Umbauarbeiten vier Monate im Voraus angekündigt werden müssen. So haben die Mieter zum Beispiel Zeit, eine neue Wohnung zu suchen, falls sie die Umstände nicht mittragen wollen.
Weil sich die Firma mit Sitz im luzernischen Schötz nicht ans Gesetz hält, haben die Mieter den Basler Mieterverband eingeschaltet. Dieser schrieb sogleich eine Eingabe an die Mietschlichtungsstelle.
Eine Baubewilligung liegt für den Umbau der Liegenschaft bisher noch nicht vor. Dass das Gerüst, das M.N. jetzt die Sicht versperrt, trotzdem schon in dieser Phase aufgestellt wurde, sei ebenfalls Teil der Taktik der Immro AG, findet M.N.
«Man will, dass wir unter diesen Umständen selbst kündigen.» Denn so könne der Eigentümer vermeiden, dass die Bewohner gegen seine Kündigung Einsprache erheben und vor der Schlichtungsstelle eine Fristerstreckung zugesprochen bekämen, mutmasst M.N.
Vorgehen hat System
Auch die Allmendverwaltung wurde vom Gerüstbau überrascht. Man habe erst im Nachhinein davon erfahren, dass ein Gerüst aufgebaut wurde, lässt das Bau- und Verkehrsdepartement verlauten. Dabei ist es auch dort Pflicht, dass das Vorhaben im Vornherein angemeldet werden muss.
Beat Leuthardt vom Basler Mieterverband ist sicher: «Die Immro AG will die dortigen Mieter rausekeln – so funktioniert das Geschäftsmodell dieser Immobilienfirma seit 30 Jahren.»
Die Firma kaufe Häuser, die neu auf den Markt kommen, jage die Mieter regelrecht aus ihren Wohnungen und verkaufe diese dann als Stockwerkeigentum.
Kritik vom Hauseigentümerverband
An der Blauensteinerstrasse im Gundeli war die Firma zuletzt aktiv. Dort begann es wie an der Klybeckstrasse mit der kurzfristigen Ankündigung von Renovationsarbeiten – und endete im Verkauf von Stockwerkeigentum (die TagesWoche berichtete).
Leuthardt sieht wenig Hoffnung, dass die Mieter an der Klybeckstrasse in ihren Wohnungen bleiben dürfen. «Es wäre das erste Mal innerhalb von 30 Jahren, dass die Immro AG ihre Mieterschaft freiwillig behalten würde.»
Auch der Hauseigentümerverband (HEV) hat wenig Freude am Vorgehen der Immro AG. Der HEV-Geschäftsführer und FDP-Grossrat Andreas Zappalà äussert sich dezidiert kritisch zu den kurzfristig angekündigten Bauarbeiten an der Klybeckstrasse: «Wir würden sicherlich nicht zu einem solchen Vorgehen raten.»
Kleiner Trost
Die Unsicherheit und der leichte Druck, der damit auf die Mieterschaft ausgeübt werde, sei «schon fraglich».
Wie die Immro AG ihr Vorgehen erklärt, bleibt offen. Die Firma war für eine Stellungnahme am Freitag nicht erreichbar.
Ein Zeichen kommt doch noch von der Immro AG. Denn als wir das Haus verlassen, ist der neue Hauswart gerade dabei, neue Glühbirnen im Treppenhaus zu installieren. M.N. nimmts als kleinen Trost: «Immerhin etwas.»
* Name der Redaktion bekannt.