Basel gilt nun – Unicef-zertifiziert – als «kinderfreundlich». Was bislang aber nur bedeutet, dass sich die Stadt redlich bemüht, die Wünsche der Kinder herauszufinden. Die «TagesWoche» hat schon mal ein paar Jüngstbürger gefragt.
Kreischende Kinder, eine dampfende Popcorn-Maschine, Sandwichs in Blumenform – beste Voraussetzungen für einen kinderfreundlichen Anlass. Am vergangenen Dienstag drehte sich alles um die ganz jungen Baslerinnen und Basler: Unicef Schweiz zeichnete die Stadt offiziell als «kinderfreundlich» aus, und das wurde im Rahmen einer nachmittäglichen Kinder-Party im Spielfeld im Gundeldinger Feld gefeiert, professioneller Zauberer inklusive.
Bei der Verleihung sprachen Regierungsrat Christoph Eymann, Unicef-Schweiz-Geschäftsleiterin Elsbeth Müller und Marc Flückiger, Leiter Abteilung Jugend- und Familienförderung. Sie gaben sich währschaft Mühe, das Geschrei der spielenden Kinder zu übertönen.
Bleibt die Frage, was macht eigentlich eine Gemeinde «kinderfreundlich»? Die Vergabekriterien der Unicef beinhalten vor allem die Bereitschaft, etwas für die Kinder zu tun, sie stärker in das gesellschaftliche, politische und stadtplanerische Geschehen einzubeziehen. Das Label «kinderfreundliche Gemeinde» wird nicht für besonders viele Spielplätze und eine gute Verkehrssicherheit vergeben, sondern für die Bereitschaft einer Gemeinde, konkrete Massnahmen zur Verbesserung der Kinderfreundlichkeit auszuarbeiten und innerhalb von vier Jahren umzusetzen.
Experten in eigener Sache
Heisst das, dass die Stadt Basel noch gar nichts für die Ehre eines Kinder-Labels unternommen hat? So stimme das nicht, sagt Christian Lupp, der das Projekt in der Gemeinde Riehen betreut, welche das Label bereits 2011 erhielt. Der Prozess bis zum fertig formulierten Aktionsplan sei sehr lang. Als Erstes müsse eine Standortbestimmung gemacht werden, was Basel bereits im Jahr 2011 getan habe. Unicef begutachte dann, wo noch Verbesserungspotenzial besteht.
Elsbeth Müller, Leiterin von Unicef Schweiz, sagte bei der Labelverleihung anerkennend, Basel mache bereits «beeindruckend viel» für die Kinder und Jugendlichen, etwa im Kinderbüro Basel.
Kinderwünsche laufen ins Leere, weil die zuständigen Stellen schlecht vernetzt sind.
Mirjam Rotzler vom Kinderbüro sagt: «Kinder sollen als Experten in eigener Sache ernstgenommen werden.» Dies versuche das Kinderbüro Basel seit Jahren durch Mitmachtage zu gewährleisten, an denen Kinder ihre Ideen und Projekte in unterschiedlicher Form ausdrücken können, etwa mit Modellen. Allerdings meinte Unicef-Leiterin Müller, dass die Kinder in die konkrete Stadtplanung noch zu wenig miteinbezogen würden. Die Wünsche und Anregungen der Kinder würden zwar in vielen Projekten aufgefangen, liefen dann aber leider oft ins Leere, da die unterschiedlichen Stellen unzureichend vernetzt seien. Bei diesem Punkt wolle man nun aufholen, sagt Marc Flückiger, Leiter Abteilung Jugend- und Familienförderung.
Die Koordination bereits bestehender Projekte solle verbessert werden, dazu kämen neue Einrichtungen wie der «runde Tisch Kinderfreundlichkeit». Kinder sollen bei der Umgestaltung der Schulhäuser mitreden können, indem sie zum Beispiel die Farbe der Schulzimmer mitbestimmen. Aber auch in grösserem Rahmen, etwa bei der Neuplanung von Quartieren, sollen Kinder eine Stimme erhalten. Erziehungsdirektor Eymann versteht die Auszeichnung als «Dauerauftrag, die Stadt durch Kinderaugen hindurch zu betrachten».
Realistische Kinder
Fragt sich nur, wie realistisch es ist, dass Kinder ihre Wünsche und Projekte formulieren, ohne sich in Traumvorstellungen zu verfangen? Diese Problematik ist auch Müller vertraut: «Kinder wollen etwas, und sie wollen es sofort, dann ist es ihnen egal, ob es überhaupt möglich ist.» Ein grösserer Wald um Basel sei ein unrealistischer Wunsch, auch wenn er mehrfach geäussert wurde. Es seien aber auch ganz realistische Forderungen gekommen, etwa mehr Verkehrssicherheit oder, dass Kinder nicht mehr von «rauchenden Teenagern» von Grünflächen in Parks verdrängt würden.
Manchmal sei es hilfreich, die Aussagen der Kinder nicht ganz wörtlich zu nehmen, sagte Müller. Aus den Befragungen in Basel sei zum Beispiel hervorgegangen, dass Kinder sich eine Durchmischung der Generationen wünschten.
«Das sagten sie natürlich nicht so, sondern sie erwähnten etwa, dass sie gerne einen Grosspapi hätten für Spaziergänge und eine Grossmama, um gemeinsam zu Mittag zu essen. Daraus liess sich dann der übergeordnete Wunsch der Kinder ableiten, nämlich die Durchmischung von Jung und Alt.»
«Ich fände es gut, wenn es in Parks durchgehend Zauberer hätte.»
Auch Mirjam Rotzler vom Kinderbüro hat Erfahrung mit dem «Realitätsgehalt» von Kinderwünschen. Diese seien oft realistisch und könnten im Gespräch sehr konkret ausgearbeitet werden. Am besten gelinge das direkt mit Personen der Verwaltung, mit Stadtplanern und Projektverantwortlichen. «Kinder in Projekte einzubeziehen bringt Planungssicherheit und schafft Identität an den neuen Orten.»Damit auch die Kinder noch begriffen, um was es neben dem Zauberer bei dem Anlass auch noch ging, versicherte Müller ihnen zum Schluss: «Wenn man ein Problem hat, dann kann man das Mami fragen, den Papi fragen – und ab heute kann man auch den Herrn Eymann fragen.»
Und was wünschen sich die Kinder im Spielfeld von Herrn Eymann? Wir haben einige der anwesenden Kinder nach ihren Wünschen gefragt. Die Mädchen waren mit den Leistungen der Stadt Basel alle rundum zufrieden. Bei den männlichen Interviewpartnern sah dies etwas anders aus.
Kinder wünschen sich Geld und Zauberer
Ein Junge war von der Darbietung des Zauberers so beeindruckt, dass er anscheinend nicht genug davon kriegen konnte: «Ich fände es gut, wenn es in Parks durchgehend einen Zauberer hätte, der uns unterhalten würde, oder auch im Schulhaus.»
Sein Kollege machte die leicht besorgniserregende Äusserung, dass er nicht immer von Raucher-Banden mitgenommen werden wolle, da sie ihm «Angst einjagten». Ein anderer wünschte sich mehr «Fussball». Es habe doch bereits viele Fussballplätze … «Es kann aber noch mehr haben, immer und überall.»
Ein etwas jüngerer Interviewpartner hatte ein eher pragmatisches Anliegen. «Ich wünsche mir von der Stadt Basel Geld», sagte er, und wie viel? «Etwa hundert Franken!»
Artikelgeschichte
Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 22.11.13