Wie uns «Girls» endlich zu Feministinnen machte

Nach sechs Staffeln endet die erfolgreichste Female-Empowerment-Serie seit «Sex and the City». Was bleibt von Hannah Horvath und ihren «Girls» übrig?

Haben Grosses geschaffen: Jemima Kirke, Zosia Mamet, Allison Williams und Lena Dunham.

(Bild: HBO)

Nach sechs Staffeln endet die erfolgreichste Female-Empowerment-Serie seit «Sex and the City». Was bleibt von Hannah Horvath und ihren «Girls» übrig?

Es begann mit einem grossen Satz: «I think that I may be the voice of a generation», sagte Protagonistin Hannah ganz am Anfang der ersten Staffel der amerikanischen Serie «Girls». Und fügte hinzu: «Or at least a voice. Of a generation.»

Es war Hannah, die da redete, aber es war auch Lena Dunham, eine relativ unbekannte Künstlertochter und Oberlin-Abgängerin aus New York, die wusste, was die jungen Frauen da draussen brauchten: Eine, die sich für sie auszog. Die zeigte, wie es in ihr aussah – in diesem «Millennial», von dem alle redeten. Diesem jungen, privilegierten weissen Menschen, der um seine Privilegiertheit weiss, schmerzlich weiss, so schmerzlich, dass er dabei fast nicht mehr sein Leben in den Griff kriegt.

Das war lustig und zynisch und passend und schlug sofort ein: Dunhams TV-Serie «Girls» war das Aufsehenerregendste seit Carrie Bradshaw, die in den Neunzigern in ihren Manolo Blahniks durch die Strassen Manhattans stöckelte und mit ihren Freundinnen locker flockig über Silikonnippel, Bikini Waxing, Analsex und häschenförmige Vibratoren plauderte. Nur schwebt in «Girls» Protagonistin Hannah Horvath nicht luxuriös eingekleidet durch die Upper East Side, sondern trampelt halbnackt durch Greenpoint.

Der erste Trailer von «Girls», 2015.

Womit wir beim Thema Nummer eins dieser Serie wären: Lena Dunhams klingendem Körper. Die damals knapp 25-Jährige spielte ihre Protagonistin gleich selbst – und scheute sich nicht, dabei ihren fülligen Körper zu zeigen. Beim Sex, beim Pingpong spielen, beim Rumhängen in der Wohnung. Alles offengelegt.

Die volle Ladung Gen Y

Bei «Sex and the City» redeten die vier Protagonistinnen ganze Folgen lang über Sex – und das war (zumindest in den ersten paar Staffeln) gut so. Für die Neunziger. Jetzt aber war das digitale Zeitalter da, und mit ihm Tinder, Youporn, Snapchat. Die ganze Erschöpfung, Überreizung und Alles-jetzt-sofort-Attitüde der Generation Y schien sich in diesem weichen Körper Dunhams zu manifestieren, was klatschte man über ihn, was nörgelte man über ihn. Aber vor allem: Was diskutierte man über ihn.

Wenn Dunham mal wieder nackt durch eine Folge spazierte, hagelte es Kommentare. Vorwiegend von Frauen. Die einen fanden es grossartig, die anderen fürchterlich, aber immer ging es um diesen wuchtigen Körper dieser wuchtigen Frau. «Girls» wurde zur Serie mit der immernackten Darstellerin, und man ertappte sich oft selbst dabei, wie man sie lobte, weil Dunham «so natürlich mit ihrem Körper umgeht, obwohl sie ziemlich massige Oberschenkel hat.»

Hannah beim Ping Pong. Ja, und halb nackt.

Hannah beim Ping Pong. Ja, und halb nackt. (Bild: https://whywomenloveme.files.wordpress.com)

Irgendwann hielt man inne. Man merkte: Eine Frau für ihren «dicken» Körper zu loben ist genau so dumm wie eine Frau für ihren «dicken» Körper zu missachten. Öffentliche, nackte Körper sind immer politisch, schon klar, aber nichts ist einfacher, ihre Zurschaustellung mit einem Toll oder Scheisse zu bewerten und es dabei zu belassen. Oder noch blöder: Eine ganze Serie daran aufzuhängen. Dann soll sie eben eine Folge lang blutt im Zeug rumlaufen. Na und? Was soll das Geplänkel um ihren nackten Körper? Ist doch einfach nur ein Körper.

Eben nicht. Es ist ein Frauenkörper. Und deshalb gibt es ein Geplänkel.

Wer das begriff, der fing an, sich zu fragen: Wie nehmen wir den Frauenkörper wahr? Wieso ist er ein solches Politikum? Wieso halten sich unsere Juso-Frauen bei ihrer Plakatkampagne immer noch eine Hand vor die Brüste? Wenn es doch um Selbstermächtigung gehen soll? Was ist «richtige» Selbstermächtigung überhaupt? Und «richtiger» Feminismus? 

Awareness first

Zumindest über nicht richtigen Feminismus wurde in letzter Zeit oft geschrieben, über einen Feminismus-Trend, der beunruhigend und falsch sei, weil er als Trend und nicht als Notwendigkeit wahrgenommen wird, weil man sich Pussyhats näht und #feminist in den Instagram-Account schreibt, weil Luxusmarken wie Dior mit feministischen Quotes auf ihrer Kleidung ganz viel Geld verdienen

Lena Dunham ist auch Teil dieses kommerziellen Feminismus. Sie trägt Kleidung mit Empowerment-Sprüchen, die locker ein halbes Monatsgehalt kosten. Sie macht einen feministischen Newsletter und moderiert einen feministischen Podcast – alles einfach konsumierbarer, gut verdaulicher Feminismus. Was soll daran weniger feministisch sein? Bevor irgendwas passieren kann, muss man Menschen erstmal ins Bewusstsein rufen, was nötig und möglich ist. Awareness kommt vor Action, und wer Awareness zu wenig effizient findet, der muss sich nicht wundern, wenn junge Frauen behaupten, sie könnten nichts mit Feminismus anfangen. 

Denn klar ist: Seit Lena Dunham und ihre Girls vor fünf Jahren die Bildschirme betraten, ist Feminismus wieder da. Hip, ja. Verhipstert auch. Und in ihrem Fall in erster Linie weiss und privilegiert. Aber wenigstens ist er da. Das ist nicht nur Dunhams Verdienst, ganz klar. Aber unsereins fühlt sich viel besser in ihrem Körper seit Hannah im transparenten Netztop ihre Brüste zu «I don’t care» schwang. Zum Beispiel.

Das Leben als All-you-can-eat-Buffet

Und jetzt sind die Girls am Sonntagabend von der Bühne gegangen, «treating life like a prepaid, vaguely disappointing all-you-can-eat buffet», wie der New Yorker kommentierte. Diese Lebenseinstellung mag auf den ersten Blick unpassend scheinen. Wenn wirs uns aber richtig überlegen, gibts kaum was, das die Millennials-Lebensspanne besser zusammenfasst. Ein irgendwie enttäuschendes All-you-can-eat-Buffet? Spot on.

Was uns «Girls» aber auch mitgibt: Dass die Buffet-Lebensspanne nicht ewig andauert. Die letzte Folge heisst «Latching». Englisch für «Einklinken». Wie ein Schloss, oder eine Türfalle. Aber auch wie etwas, das sich nach langer Zeit endlich einrenkt, ein Kreis, der sich schliesst. Hannah und ihre Freundinnen sind noch lange nicht da, wo sie hin wollten. Aber es ist genug, die Geschichte ist auserzählt. Das Buffet ist abgeräumt. Es wird Platz gemacht für die nächste Generation junger Frauen.

Unsere Vorbilder sind HBO entwachsen, und wir sind Hannah und ihren Freundinnen entwachsen. Zeit für etwas Neues, Zeit, das Gesehene und Gefühlte neu zu vertonen. Zeit, unseren Feminismus ohne Bildschirm zu leben und unsere Körper zu leben wie Lena Dunham den ihren lebt: Giving a fuck. Wurde auch Zeit. Wir sind keine Mädchen mehr.
 

 

Ein Beitrag geteilt von Lena Dunham (@lenadunham) am17. Apr 2017 um 10:25 Uhr

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