Seit die Preise für Drohnen abgestürzt sind, kann heute jeder Luftaufnahmen machen. Früher überliess man dies noch den Vögeln. Die konnten das nicht unbedingt schlechter.
Sie sind eine Seuche. In der Stadt, auf dem Land, an jedem Anlass – überall muss jetzt eine drüberfliegen. Der Pilot bleibt am Boden, macht innerlich aber Luftsprünge, während er nach aussen ruhig und fachmännisch an zwei Joysticks rumfummelt. Fast immer ist das ein Freudeler. Und ist der Mann mit einer Videobrille dekoriert, dann garantiert. Die Drohne surrt.
Es ist noch nicht lange her, da war es eine Disziplin für Spezialisten, einen Modellhelikopter zu fliegen. Teuer wars. Zeitintensiv. Ohne vorher einige Hundert Liter Freizeitschweiss zu vergiessen, hob der Heli gar nicht erst ab. Und tat er dies dann endlich, schmierte er wenig später einfach mal irgendwo ab. Immer. Und immer am dümmsten Ort.
Die heutigen Drohnen sind da ganz anders. Girosensoren, GPS-Navigation und rechnerunterstützte Manövriermechanismen lassen die nervigen Quadro- oder Octocopter wie von Geisterhand durch das Koordinatennetz schweben, das über die Luft ausgeworfen wird. Vorwärts, rückwärts, rechts rauf und links runter. Das kann jeder Depp. Er braucht bloss ein paar Hunderter übrig zu haben – und nichts Besseres vor, als seine Freizeit mit Propellerputzen und Akkuladen zu verbringen.
Seit das alles so einfach ist und seit kleine Kameras so günstig sind, wird jeder Flug gefilmt. Viele dieser Luftaufnahmen landen schliesslich bei uns. Besser gesagt: Sie würden es gerne. Denn für die Luftaufnahmen, die der TagesWoche angeboten werden, finden wir so gut wie nie eine Verwendung. Nichts gegen diese Hobbypiloten, aber von Kameraführung oder Dramaturgie haben die wenigsten eine Ahnung: abrupter Start, Aufstieg, dann zielloses Umherirren – es kommt immer das Gleiche dabei raus. Das kann selbst die dramatischste Musik auf der Tonspur nicht mehr retten.
Sicher, es gibt sie auch, die atemberaubenden Kameraflüge mit verblüffenden Perspektiven und halsbrecherischen Manövern. Etwa in Wim Wenders «Himmel über Berlin». Doch solche Aufnahmen wurden eben auch nicht durch bessere Propellerputzer und teurere Spielgeräte eingefangen.
Faszination Vogelperspektive
Dass sich auch Laien von den fliegenden Augen angezogen fühlen, ist allerdings verständlich. Die Lust auf die Vogelperspektive steckt in uns wie der Wunsch nach einer besseren Welt. Schon die Ballonfahrer des 19. Jahrhunderts wie der Fotopionier Nadar nahmen grosse Plattenkameras mit in die Höhe und knipsten alles Überflogene. Das Jahrmarktpublikum liebte deren Luftbilder von Bergen, Städten und Industrielandschaften. Und auch die Militärs zeigten sich bald sehr interessiert.
So konnte sich die heutige Seuche langsam ausbreiten. Es musste gar nicht unbedingt ein Zeppelin, Fesselballon oder eine Rakete sein. Alles, was fliegen und irgendwie eine Kamera halten konnte, eignete sich plötzlich auch für die Luftaufklärung. Sogar Papierdrachen. Oder Brieftauben.
Und Letztere waren militärische Aufgaben ja ohnehin gewohnt. Seit der Neuzeit verteilten sie Befehle und Spionageberichte. Somit lag es auf der Hand, dass man ihnen auch das Fotografieren beibrachte.
Mit einer bis zu 70 Gramm schweren Kamera beladen, flogen die Fototauben los. Ein mechanisches Uhrwerk übernahm das Knipsen, der Mensch das Einstellen des Intervalls. Und er entwickelte am Ende die Aufnahmen, die ihm die Vögel in den Taubenschlag zurückbrachten.
Die Fototaube machte viele Militärs zufrieden. Mit einem Schweizer Kameramodell der 1930er-Jahre schaffte sie gute zwölf Aufnahmen pro Flug. Der CIA werkelte mit dieser Technik noch bis in die 1970er-Jahre hinein, bis die Fototaube endlich in den Ruhestand gehen und einfach wieder eine Ratte der Luft sein durfte.
Sollten Sie also gerade die Absicht hegen, sich in der Vorweihnachtszeit mit einer Drohne selbst zu beschenken, überlegen Sie sich gut, in wessen Fussstapfen Sie da treten.