Die biologischen Grundvoraussetzungen machen es der Industrie ziemlich einfach, Kinder für ihre ungesunden Produkte zu begeistern. Marketingprofis nutzen dies schamlos aus. Und die Politik schaut tatenlos zu.
«Mamaa, duddma da!», quietscht die Kleine aufgeregt aus dem Einkaufswagen. Sie hat die Schokobonbons entdeckt, «Oddobong» heissen die bei ihr. Die kleinen Eier befanden sich unter den Unmengen von Süssigkeiten, welche die Grosseltern in die Osterpakete gepackt hatten – und wir haben noch jede Menge davon zu Hause.
Ich versuche trotz erster Hitzewellen ruhig zu bleiben. Ich weiss, was mir bevorsteht. Vermutlich ist bei meiner Tochter gerade das Reptiliengehirn angesprungen – jener urzeitliche Teil unseres Denkapparats, der heute noch wie bei den Krokodilen funktioniert: Sehen die Augen leckere Nahrung, reagiert unser Hirn sofort und sehr durchsetzungsstark mit «Haben/Wollen». Und das, ohne sich von so etwas Neuzeitlichem wie Vernunft ablenken zu lassen.
Kindern fehlt die Werbekompetenz
«Oddobong!», schreit die Tochter nun schon völlig ausser sich und hüpft fast aus dem Wagen. Ich könnte sie leicht glücklich machen, indem ich die Packung (oder am besten gleich mehrere) in den Einkaufswagen lege. Doch bei mir springt in solchen Momenten – ebenfalls automatisch – das Müttergesundheitsprogramm an: «Nein, das wollen wir nicht kaufen. Das haben wir noch, und ausserdem ist es total ungesund…», und ich versuche, meiner Zweijährigen etwas über zu viel Fett und Zucker und den Zusammenhang mit gesunden Zähnen und Übergewicht zu erzählen. Ich komme selten damit durch. Auch Versuche, schnell am Regal vorbeizugehen, in der Hoffnung, dass sie das Ganze schnell wieder vergisst, haben noch nie geklappt.
Schon kleine Kinder haben ein sehr gutes Gedächtnis, wenn es um Markenzeichen begehrter Waren geht.
Diese leidvolle Erfahrung deckt sich mit wissenschaftlichen Erkenntnissen: Schon kleine Kinder haben ein sehr gutes Gedächtnis, wenn es um Markenzeichen begehrter Waren geht. Sie erkennen sogar Werbemelodien zuverlässig. Besonders leicht verführbar sind sie durch fliegende Comicfiguren, den Hinweis auf ein Extraspielzeug in der Packung oder lachende Menschen, die augenscheinlich viel Spass beim Konsum eines Produktes haben.
Im Unterschied zu den Erwachsenen haben die Kinder aber noch wenig Bewusstsein dafür, dass Werbung eine absatzfördernde Massnahme von Unternehmen ist und die vorgegaukelten Versprechungen nicht immer der Realität entsprechen. Sie lassen sich allzu leicht von Spots oder Sprüchen überrumpeln. Wenn sie Werbung überhaupt als solche erkennen.
Eltern springen gerne auf Gesundheitsargumente an.
Und das ist oft nicht einfach. Eine aktuelle Studie der Hochschule der Medien in Stuttgart zeigt, dass beispielsweise im Internet oft Mischformen von Produktwerbung und reiner Information präsentiert werden. Dabei ist dem Grossteil der jungen Rezipienten nicht einmal dann bewusst, dass es sich um Werbung handelt, wenn diese gekennzeichnet ist. Die Forscher verkünden daher dringenden Handlungsbedarf und sehen Schulen und Eltern in der Pflicht, die Werbekompetenz von Kindern zu fördern. Zudem sollten sich Internetwirtschaft und Medienpolitik über werbeethische Normen verständigen.
Auch Erwachsene lassen sich leicht blenden durch Slogans, mit denen speziell Kinderprodukte beworben werden. Angepriesen werden diese oft als «leichte Zwischenmahlzeit» oder mit «einer Extraportion Milch» oder mit «knochenstärkendem Kalzium» – alles Dinge, die Kinder im Wachstum brauchen. Eltern springen gerne auf Gesundheitsargumente an. So kommt es, dass am Ende des Einkaufs oft doch die vermeintlich gesünderen Alternativen wie etwa Gummibärchen im Einkaufskorb der Eltern landen.
Josianne Walpen von der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) in Bern warnt Eltern indes: «Es wird der Eindruck erweckt, dass es gesund ist, Kindern Gummibärchen zu geben. Da werden Argumente herangezogen wie ‹ohne Farbstoff› oder ‹ohne Konservierungsstoffe›. Aber man darf nicht vergessen: Es sind immer noch Süssigkeiten!»
Unnötige Kalorienbomben
Eine aktuelle Untersuchung von Foodwatch zeigt, dass fast alle Produkte, die speziell für Kinder hergestellt werden, eben nicht gesünder sind. Im Gegenteil: Sie erwiesen sich im Vergleich zu anderen Lebensmitteln generell als fetter, zuckerhaltiger und kalorienreicher.
Leider sind davon nicht nur die klassischen Süssigkeiten betroffen. Selbst Lebensmittel, die ausgewogen sein könnten, sind oft richtige Kalorienbomben, wenn sie sich gezielt an Kinder richten.
Für die Analyse untersuchte die Organisation zwischen 2011 und 2012 über 1500 speziell auf Kinder zugeschnittene Lebensmittel. Etwa drei Viertel davon bewerteten die Ernährungswissenschaftler als «süsse und fettige Snacks», von denen Kinder täglich nicht mehr als eine Hand voll essen sollten. Ganze 92 Prozent fielen in die Kategorie gezuckerte Milchprodukte. Und 83 Prozent waren so zusammengesetzt, dass sie nur ab und zu verzehrt werden sollten – zum Beispiel sehr fette Fleisch- und Wurstwaren oder Fertiggerichte, die auch Getreide oder Gemüse enthalten.
Kinder werden magisch angezogen von den Bildern ihrer Helden – sei es auf Packungen, als Sammelkarten oder Sticker.
Walpen kritisiert auch die Grossanbieter in der Schweiz: «Coop und Migros haben ihre speziellen Kinderlinien. Da werden aufwendige Verpackungen generiert, um den Kindern die Produkte schmackhaft zu machen, beispielsweise in mundgerechte Häppchen geschnittene Karotten.» Der Preisvergleich zeige jedoch, dass dies die Eltern teuer zu stehen komme. Sie könnten für viel weniger Geld dieselbe Ware viel billiger kaufen – einfach ohne Kinderlabel.
Merchandising für Kinder
Neben der direkten Werbung gibt es noch andere Taktiken, um die Kinder für bestimmte Einkaufsläden einzunehmen. Seit einigen Jahren ist das sogenannte Merchandising unter Kindern ein grosser Verkaufsschlager. Als solches bezeichnet man alle Produkte, die zu einem beliebten Film angeboten werden.
Kinder werden magisch angezogen von den Bildern ihrer Helden – sei es auf Packungen, als Sammelkarten oder Sticker. Befragungen von Schulklassen zeigen: Die Kinder bauen über das Merchandising Beziehungen auf und pflegen diese. Die Produkte werden oft als eine Art «Währung» im Aufbau und in der Pflege von Kontakten zu Gleichaltrigen genutzt. Diese Artikel werden zum grossen Teil von den Kindern selbst gekauft und bezahlt.
Teure Merchandising-Angebote erhalten sie dagegen von Eltern und Verwandten als Geschenk. Da die Themen wechseln, müssen die Kinder bald wieder etwas Neues besitzen, das sie als zugehörig auszeichnet. Aber dem Druck dazuzugehören, können sie sich nur schwer entziehen.
Aggressiv umworben
Besonders penetrant seien in der Schweiz Aktionen, wo man etwas sammeln kann und viele Teile benötigt, sagt Walpen. Das soll die Eltern dazu bringen in den entsprechenden Läden einzukaufen. «Hier werden die Kinder missbraucht, um den Umsatz zu steigern», sagt die Konsumentenschützerin.
Dass Kinder eine lohnende Zielgruppe sind, sieht man auch am Werbeetat für Süssigkeiten: Der liegt laut Foodwatch rund 100 Mal höher als jener für Obst und Gemüse. «Mit Obst und Gemüse lässt sich nur wenig Profit machen», sagt Foodwatch-Mitarbeiterin Anne Markwardt, «mit Junkfood und Soft Drinks schon mehr.»
Aus der Sicht von Kinderärzten sind besonders die Lebensmittel für Kinder, die von den Herstellern aggressiv beworben werden, ein Desaster. «Bei mir läuten die Glocken, wenn ich Kinderspielzeug sehe in Nahrungsmitteln», sagt Raoul Furlano, Kinderarzt und Ernährungsspezialist am Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB): «Da weiss man aus der Forschung, dass Kinder darauf anspringen, egal wie doof das Spielzeug ist.» Und er kritisiert auch die riesigen Packungen. «Das haben wir von den Amerikanern gelernt. In meinem Kindesalter waren die Süssgetränk-Flaschen relativ klein. Heute sind es Magnums, völlig unnötig.»
Als aggressiv stuft Furlano vor allem Werbung ein, die mit bewegten Bildern arbeitet. Wissenschaftlich sei erwiesen, dass Kinder solcher Verführung kaum widerstehen können. Aber auch, dass man für dumm verkauft werde, wenn es etwa in der Werbung heisse, Frühstücksflocken würden keinen Zucker enthalten, ärgert sich der Mediziner. Oft sei massiv Zucker darin: Zwar nicht zusätzlicher herkömmlicher, dafür aber Fruchtzucker – was die Nahrung ebenfalls zu einer «Zuckerbombe sondergleichen» mache.
In der Schweiz sind rund 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen übergewichtig oder adipös.
Das ist angesichts des weltweiten Problems der Fettleibigkeit von Kindern beängstigend. In der Schweiz sind laut des Bundesamts für Gesundheit rund 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen übergewichtig oder adipös (fettleibig). Das Department warnt davor, dass dies für die Betroffenen zu erheblichen Einschränkungen der Lebensqualität führen und schwere gesundheitliche Folgen haben kann.
Mit steigendem Alter werden immer mehr Menschen übergewichtig.
Jeder kennt das aus seiner Kindheit: Die kleinen Dicken können sich fatalerweise aufgrund der Körpermasse nicht so gut bewegen und werden im Sportunterricht gehänselt, was den Teufelskreis schliesst. Und wir wissen: Mit steigendem Alter werden immer mehr Menschen übergewichtig. Das ist nicht verwunderlich, denn oft bewegen wir uns im Erwachsenenalter noch weniger. Leider sitzen die schlechten Essgewohnheiten tief. Was wir bereits in jungem Alter erworben haben, begleitet uns ein Leben lang.
«Das Problem mit Übergewicht beginnt nicht im Schul- oder Kindergartenalter, sondern schon vorher», sagt Kinderarzt Furlano. «Ich will nicht nur die Industrie anprangern. Auch die Eltern stehen in der Verantwortung, ein zweijähriges Kind geht ja keine Cola-Flasche einkaufen. Wenn keine da ist, wird auch keine konsumiert.» Und schliesslich trügen auch Kinderärzte, die präventiv tätig seien, Verantwortung.
18,5 Werbespots pro Stunde
Doch kann man sich dem Einfluss der Marketingbranche überhaupt entziehen? Der Nachwuchs ist den Markenbotschaften tagtäglich ausgesetzt: im Fernsehen, im Internet, in Zeitschriften, auf Plakaten.
Wie viel Werbung Schweizer Kinder täglich zu sehen bekommen, hat die Allianz der Konsumentenschutz-Organisationen im Jahr 2012 sechs Wochen lang untersucht. Die Analyse bezog sich auf je zwei Fernsehkanäle der drei Sprachregionen.
Im Fokus standen das Kinderprogramm sowie ein Teil der Hauptsendezeiten, während denen erwiesenermassen ebenfalls viele Kinder vor dem Fernseher sitzen. Das Ergebnis war erschreckend: Während 671 Stunden Sendezeit wurden 12’393 Werbespots gesendet. Während einer Stunde Fernsehen prasselten durchschnittlich 18,5 Werbespots auf die Kinder herein.
Früchte und Gemüse werden den kleinen Zuschauern quasi nicht gezeigt.
Und im Kinderprogramm werden den Kleinen bis zu 27 Werbesendungen serviert. Bei rund einem Viertel der Spots werden Lebensmittel beworben, über die Hälfte davon sind Fast-Food- und Fertigprodukte. Bei der anderen Hälfte sind es Snacks und kalorienreiche Süssigkeiten.
Milchprodukte machen nur etwa zwölf Prozent aus. Früchte und Gemüse werden den kleinen Zuschauern quasi nicht gezeigt. Damit werden die Empfehlungen der Schweizerischen Ernährungsgesellschaft auf den Kopf gestellt: Statt Früchte, Gemüse und Vollkornprodukte sehen die Kinder, dass Fettiges und Süsses täglich verzehrt werden kann und – glaubt man den Spots – dass das erst noch Spass macht.
Riesenumsätze mit Süssem
Wer seine Kinder heute vor den Werbestrategen schützen will, hat es schwer. Für die Hersteller hat die Zielgruppe der Kinder viele Vorteile – nicht mehr allein die Eltern sind mit Werbung konfrontiert. Die Kinder können quasi zweigleisig fahren: Was sie von den Eltern nicht bekommen, lässt sich vielleicht aus den Grosseltern herausschmeicheln oder vom eigenen Taschengeld erstehen.
Laut dem Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest gaben allein Kinder und Jugendliche im Jahr 2010 fast 19 Milliarden Euro aus. Kinder kauften davon in erster Linie Süssigkeiten, Glace, Getränke und Spielzeug. Und die Industrie macht sich mit dem Fokus auf die Kleinen noch einen weiteren wichtigen Faktor zunutze: Man zieht sich zukünftige Markenkonsumenten heran.
Was erst einmal im Gehirn verankert ist, kann gut wieder abgerufen und genutzt werden.
Ein langjähriger Marketingberater, der anonym bleiben will, beschreibt, was sich die Industrie davon verspricht: «Wenn ich möglichst früh ansetze, dann priorisiere ich die Kinder für die Zukunft. Ich sichere meiner Marke einen Logenplatz in ihrem Gehirn. Natürlich muss das immer wieder aufgefrischt werden. Aber es ist dann viel kostengünstiger.» Die Strategen der Werbewirtschaft wissen: Was erst einmal im Gehirn verankert ist, kann gut wieder abgerufen und genutzt werden.
Der Mann ist auch Vater eines achtjährigen Sohnes. Er bietet selbst Neuromarketing an. Er sagt: «Ich stehe voll hinter Neuromarketing, aber mit ethischen Grenzen. Ich würde das zum Beispiel nie bei Kindern einsetzen.» Er selbst ärgert sich über dreistes Kindermarketing. Sein Sohn lasse sich von Dreingaben in Form von Spielzeugen zu Fast Food verlocken, das ihm gar nicht besonders schmecke. Und bei Bausteinen sei er fixiert auf das, was all seine Spielkameraden ebenfalls hätten.
Was ihn auch ärgert, ist, dass er keine echte Auswahl mehr hat, was er seinem Kind schenken kann, wenn er nicht ein langes Gesicht riskieren will. Der Agenturchef beschreibt seine Strategie so: «Wir kaufen ihm nicht alles. Aber manches doch, weil er so hohen Druck aufbaut.» Andererseits: «Ich verstehe, dass mein Sohn das haben will.»
«Es ist nicht mehr nur Big Tobacco. Gesundheitspolitik muss sich auch mit Big Food, Big Soda und Big Alcohol auseinandersetzen.»
Ein Verbot für den Einsatz von Neuromarketing bei Kindern hält er für sinnvoll, um ein Zeichen zu setzen, sei aber schwer durchführbar. Die Richter würden da wie bei der Informatik hinterherhinken. Eine Abgrenzung zu normaler Werbung sei schwierig und damit auch die Beweisbarkeit. Sein Fazit: «Eine politische Diskussion ist notwendig, juristische Einschränkung wird schwierig.» Auch Kinderarzt Furlano sagt: «Man sollte wirklich überlegen, diese Werbung zu verbieten, um unsere Kleinsten, Fragilsten zu schützen.»
Kinderschutz hat keine Lobby
Ende letzten Jahres war es so weit. Es gab Bestrebungen im Nationalrat, Werbung für Kinder zu verbieten. Doch am Ende sei der Nationalrat nicht mehr bereit gewesen, die Möglichkeiten zur Werbeeinschränkung für ungesunde Lebensmittel ins Gesetz aufzunehmen, berichtet die Stiftung für Konsumentenschutz. Nach Meinung der Organisation wurde damit eine grosse Chance vertan, wichtige Präventionsschritte im Bereich ungesunder Ernährung und Übergewicht zu ermöglichen.
Josianne Walpens Erklärung für diese Entscheidung: «Die Lobby gegen diesen Schutz der Kinder war sehr stark – und leider war das mehrheitlich sehr wirtschaftsfreundliche Parlament empfänglich für ihre Argumente.»
Doch diesbezüglich steht die Schweiz nicht allein da. Margaret Chan, Generaldirektorin der Weltgesundheitsorganisation (WHO), sagte in ihrer Ansprache zur letztjährigen «8th Global Conference on Health Promotion» in Helsinki: «Es ist nicht mehr nur Big Tobacco. Gesundheitspolitik muss sich auch mit Big Food, Big Soda und Big Alcohol auseinandersetzen. All diese Industrien fürchten Regularien und schützen sich mit denselben Taktiken.»
Die Taktiken umfassen Lobbyisten, das Versprechen von Selbstregulierungen, Prozesslawinen und industriefinanzierte Forschung, die mit ihren Ergebnissen Verwirrung schaffe und die Bevölkerung im Zweifel halte. Dazu kämen Geschenke, Fördergelder, Spenden für gute Zwecke, was diese Unternehmen als respektabel gegenüber Politik und Öffentlichkeit darstelle.
Nur wenige Regierungen würden die Gesundheit gegenüber dem Big Business priorisieren, kritisiert Chan. «Wie wir aus der Erfahrung mit der Tabakindustrie gelernt haben, kann eine mächtige Industrie den Menschen einfach alles verkaufen.» Und die WHO-Chefin erinnerte daran, dass nicht eine einzige Nation es geschafft habe, die Adipositas-Epidemie in allen Altersgruppen einzudämmen. Es fehle der politische Wille, sich des Big Business anzunehmen.
Wie Menschen emotional an Produktemarken hängen und was sich dabei in ihren Gehirnen abspielt, ist wissenschaftlich ausgiebig erforscht. Bei einem Blindversuch zum Beispiel schmeckte den meisten Probanden Pepsi besser als Coca-Cola. Genau umgekehrt sah es aus, wenn ihnen die Versuchsleiter ankündigten, dass sie Coca-Cola trinken würden. Die Forscher schlossen daraus, dass Coca-Cola über das bessere Branding verfüge. Die damit verknüpften Assoziationen liessen das Produkt also besser schmecken.
Die Ankündigung von Coca-Cola liess ein entwicklungsgeschichtlich altes Hirnzentrum aktiv werden. Dieses reagiert auf Emotionen, ohne den Umweg über das Bewusstsein zu nehmen. In grauer Vorzeit erlaubte dies unseren Vorfahren, intuitiv zu reagieren, wenn etwa ein Säbelzahntiger aus dem Gebüsch hüpfte. Heute nutzen Marketingexperten diese automatisch ablaufenden Vorgänge im Gehirn, damit ihre Marke bei uns mit einem guten Gefühl verknüpft wird. Das sogenannte Neuromarketing ist ein eigenes Forschungsfeld, das sich genau damit befasst.
Dass Kinder derart leicht verführbar sind, liegt daran, dass sie noch nicht über die Möglichkeit verfügen, bewusst gegenzusteuern. Die dafür notwendigen Hirnbereiche sind bei ihnen noch nicht ausgewachsen. Bis zu einem gewissen Alter ist es für sie schier unmöglich, ihre Wünsche und Bedürfnisse zu kontrollieren.
Das haben schon einfache Versuche in den frühen 1970er-Jahren gezeigt, bei denen Forscher Vierjährigen in Aussicht stellten, sie könnten gleich eine Süssigkeit haben – oder sie bekämen noch zwei mehr davon, falls sie die eine aufsparen würden, bis der Versuchsleiter zurückgekehrt sei. Dieser blieb dann rund eine Viertelstunde weg – für Kinder eine Ewigkeit. Tatsächlich konnten die wenigsten bis zum Ende abstinent bleiben. Wie die Kinder vor dem Teller sitzen und versuchen, sich zurückzuhalten, ist übrigens ein köstliches Spektakel.