Seit drei Tagen debattiert der Nationalrat um die Zukunft der Atomkraftwerke: aussteigen oder weiter betreiben? Die Parlamentarier argumentieren ideologisch, dabei verfolgen sie wirtschaftliche Interessen.
Die Atomenergie sei nicht «gesellschaftsverträglich», sagte SP-Nationalrat Eric Nussbaumer (BL) beim Einstieg in die Energie-Debatte am Montag. Die zerstörerische Kraft der Atomtechnik müsse gebändigt werden, bevor sie auch in der schönen Schweiz irreparablen Schaden anrichte.
Sicher kein falsches Argument. Was Eric Nussbaumer jedoch nicht sagt: Er ist Verwaltungsratspräsident der ADEV Energiegenossenschaft, die unter anderem Wind- und Wasserkraftwerke in der Nordwestschweiz betreibt. Ausserdem ist er Vorstandspräsident in einem Wirtschaftsverband für erneuerbare Energien.
Wenn Nussbaumer sich gegen die Atomenergie einsetzt, folgt er nicht nur seinen ideologischen Prämissen, sondern auch wirtschaftlichen Interessen.
Namhafte Politiker und Lobby-Gruppen
Genauso sieht es bei den Kernkraft-Befürwortern aus. SVP-Nationalrat Albert Rösti (BE) argumentierte am Montag, mit der neuen Energiestrategie verlasse man «den Pfad der Tugend». Atom-Strom sei immer noch die wirtschaftlichste Energiegewinnung und sie verursache kein CO2.
Rösti ist in Sachen Kernenergie ebenfalls kein politischer Idealist, sondern ein Interessenvertreter der Atom-Lobby. Seit diesem Jahr ist Rösti nämlich Vorstandspräsident der «Aktion für eine vernünftige Energiepolitik Schweiz» (AVES), die sich für Kernkraft stark macht. Die Organisation gilt als politischer Ableger des Nuklearforums Schweiz und steht den grossen Schweizer Energieerzeugern nahe.
60 namhafte Politiker sind Mitglied bei der AVES – darunter auch überraschende Namen wie die CVP-Politiker Pirmin Bischof und Urs Schwaller. Die Organisation heuert darüber hinaus die Agentur Farner Consulting an, die professionelle Lobbyarbeit im Bundeshaus betreibt. Die Farner Consulting Agentur brüstet sich damit, «seit über 60 Jahren in alle wichtigen Themen der Wirtschaft, Gesellschaft und Politik involviert» zu sein.
Transparenz ärgert Politiker
Dass Politiker nicht gerne über ihre Interessenbindungen sprechen, liegt in der Natur der Sache. Die unabhängige Organisation Lobbywatch bemüht sich um vollständige Transparenz und ärgert damit manchen Politiker:
@Lobbywatch_CH Das macht man einmal, nicht vor jedem Votum!
— Ch. Wasserfallen (@cwasi) 1. Dezember 2014
Der freisinnige Nationalrat Christian Wasserfallen würde auf die Hinweise lieber verzichten – offenbar ist ihm die Transparenz ein Dorn im Auge. Wasserfallen ist im Vorstand des Nuklearforums Schweiz, wo die Interessen der grossen Schweizer Stromerzeuger zusammenlaufen.
Direkt betroffen von einem Atomausstieg wäre auch der SVP-Nationalrat Hans Killer (AG), der im Verwaltungsrat der Kernkraftwerk Leibstadt AG sitzt. Und auf der anderen Seite wiederum Bastien Girod (Grüne), der mit Öko-Organisationen wie Suisse Eole und Swisscleantech verbandelt ist.
Mustergültiges Lobby-Beispiel
Die Liste der Interessenbindungen liesse sich beliebig erweitern. Die Energie-Debatte ist in erster Linie ein Kampf um Aufträge, Subventionen und Rendite, den die Parlamentarier austragen – geführt über mehr oder minder offengelegte Lobby-Verbindungen. Ein mustergültiges Beispiel für den Kampf der Lobbyisten.