Im St.-Johann-Quartier bauten Kinder und Erwachsene eine Woche lang ihre Traumstadt. Und weil die Bauten auf mobilen Paletten durchs Quartier transportiert und immer wieder neue formiert werden, haben auch die Anwohner etwas davon.
«Ich baue einen Spritzbrunnen.» Noch etwas scheu setzt sich der siebenjährige Alessandro an den Zeichentisch. Er hat noch keine genaue Vorstellung von seinem Brunnen. Zeichnen hilft, sich ein Bild zu machen, bei diesem Ferienprojekt im St. Johann-Quartier genau wie einem professionellen Architekten. Unter Anleitung der «drumrum Raumschule» entsteht die Quartierstadt dezentral und doch unter regem Austausch bei den beteiligten Organisationen: dem Quartiertreffpunkt LoLa, dem Freizeitzentrum Insieme Basel und der Spielhalle.
«Bei der offenen Kinderarbeit weiss man nie, wie viele mitmachen werden. Es ist ein Angebot, und wir reagieren spontan auf jene, die da sind», sagt Nicole Tschäppät, Mitarbeiterin beim Quartiertreffpunkt LoLa. Nevena Torboski von der drumrum Raumschule ergänzt: «Dies ist ein Freizeitprojekt. Es ist anders, als wenn wir einen konkreten Raum wie den Pausenplatz des Schorenschulhauses planen. Dort werden die Aussagen der Kinder festgehalten, mit dem Ziel, einige ihrer Ideen zu verwirklichen.»
Auch wenn in dieser Ferienwoche kein konkretes raumplanerisches Ziel umgesetzt werden soll, ist die Wahrnehmung und Gestaltung ihrer Umgebung eine wichtige Erfahrung für die Kinder und auch für die Erwachsenen. Was bedeutet «Raum»? Ein einzelnes Zimmer oder ein Haus? Eine Stadt oder eine Naturlandschaft? Oder vielleicht nur einzelnes Objekt und das Zusammenspiel verschiedener Elemente?
Was gehört zu einem Haus?
Als erste tauchen Daniel (7) und Eduardo (9) auf. Nevena Torboski führt sie ans Thema heran: «Wollt ihr lieber ein Haus oder einen Garten bauen?» Die Buben sind sich einig, dass sie Häuser bauen wollen, und zwar jeder eines für sich – der Traum vom Einfamilienhaus auf eigenem Grundstück, das hier durch ein Palett repräsentiert wird …
Erst am zweiten Bautag werden sie eine Zusammenarbeit zulassen. Isabelle, die neu dazu kommt, darf bei der Verstärkung der Wände mithelfen. Doch zunächst nehmen sie am Zeichentisch Platz, beantworten zögernd die Fragen der Animatorin und beginnen, ihr Haus zu zeichnen. «Was gehört alles zu einem Haus?» «Wände, ein Dach, die Tür, Zimmer, Fenster.» «Wozu braucht es Fenster?» «Zum Rausschauen.» «Und weiter?» «Damit Sonnenschein reinkommt.» So lernen die Kinder, ihren Lebensraum zu beobachten und entdecken, wie er funktioniert. Alle Zeichnungen der Kinder werden aufgehängt und können wie ein architektonischer Plan beim Bauen immer wieder konsultiert werden.
Eine Gartenlandschaft aus PET-Flaschen
Endlich geht es ans Bauen. Wände aus Kartonkisten werden hochgezogen, Fenster ausgeschnitten, ein Dach montiert, eine Türfalle und Scharniere eingebaut. Eine Mutter bepflanzt inzwischen die Gartenlandschaft aus PET-Flaschen. Ein paar andere Erwachsene konstruieren einen Turm aus aufgerollten Papierträgern, die zu Dreiecken zusammengefügt werden, und diskutieren über Statik. Ein hohles Papierrohr ist – wie ein Stahlträger – sehr stabil, eine Dreieckskonstruktion kann man fixieren, während ein Viereck sich mit Krafteinwirkung von aussen verschieben würde.
Alessandro hat seinen Brunnen inzwischen aufgezeichnet und beginnt ihn zu bauen, zusammen mit Lukas Wiedmann von der Spielhalle. Er stellt sich ein Wasserrohr in der Mitte vor, aus dem das Wasser über verschiedene Schalen nach unten fliesst. Als Baumaterial stehen zwar keine Schalen, aber PET-Flaschen zur Verfügung.
Ein Perspektivenwechsel hilft ihm, trotzdem seinen kreisrunden Brunnen zu sehen: Er steht auf dem Tisch und schaut von oben auf das Brunnenrohr, um das die PET-Flaschen-Abflussrohre spiralförmig angeordnet werden. So trainieren die Kinder das Vorstellungsvermögen und lernen, mit den vorhandenen Materialien und Rahmenbedingungen umzugehen.
Begegnungen im Quartier
Lukas Wiedmann sieht in dieser Projektwoche die Möglichkeit, die Spielhalle in der Öffentlichkeit bekannt zu machen und mit anderen Organisationen im Quartier die Zusammenarbeit zu pflegen. Dieser Aspekt ist auch Niklaus Waldburger vom Freizeitzentrum Insieme Basel, einem Treffpunkt für Menschen mit einem besonderen Unterstützungsbedarf, sehr wichtig. Dort wird eine eigene Teilstadt gebaut, damit auch diese Menschen ihre Träume für eine lebenswerte Stadt kreativ umsetzen können. «Besonders bei der Schnitzeljagd am Samstag hat die Bevölkerung Gelegenheit, auch das Freizeitzentrum zu besuchen.»
Die gebauten Objekte können den Standort wechseln, sich zu neuen Stadtteilen arrangieren. Allabendlich werden einige Kartongebäude auf Paletten durch das St.-Johann-Quartier gefahren, um der Bevölkerung zu zeigen, dass hier etwas Besonderes am Entstehen ist, dass der Raum ständigem Wandel unterliegt und von allen mitgestaltet werden kann.
In der Traumstadt sind auch Begegnungen möglich. Am Mittwochabend treffen sich die Bauleute und die Quartierbevölkerung zum Grillabend im Freizeitzentrum Insieme und am Freitag zu indischem Essen und anschliessendem Konzert im Quartiertreffpunkt LoLa. Am Samstag, 26. April, findet schliesslich die grosse Vernissage mit Schnitzeljagd zu allen beteiligten Standorten statt. Die Traumstadt dient dann auch als Kulisse für spontane Theateraufführungen.
Ein komplett andere Welt wünschen sich die Kinder übrigens nicht. Zumindest der kleine Häuslebauer Eduardo scheint mit dem Status quo zufrieden. Auf die Frage, wie sich denn die Traumstadt von der Realität unterscheide, gibt er zur Antwort: «Es gefällt mir hier in Basel. Ich finde es lustig. Ich würde nichts anders bauen.»