Die Greenpeace-Aktion auf dem Dach des St.-Jakob-Park mit einem Zugriff auf die Aktivisten zu beenden, war zu gefährlich. Am Tag danach rekonstruieren die Verantwortlichen den spektakulären Protest, und Präsident Bernhard Heusler empfindet den FC Basel als «Opfer», gegen das nun die Uefa disziplinarisch vorgeht.
Wahrscheinlich hätte Bernhard Heusler am Tag danach lieber ein bisschen über die, wie er sagt, «ärgerliche» Heimniederlage gegen Schalke 04 räsoniert. Stattdessen sass der Präsident des FC Basel am Mittwochnachmittag an der Seite der beiden Sicherheitsheitsverantwortlichen Gerold Dünki (FCB) und Lucien Schibli (Basel United) vor Journalisten, die über den Hergang der aufsehenerregenden Greenpeace-Protestaktion während des Champions-League-Spiels Auskunft begehrten. Die TagesWoche listet einige der Fragen und Antworten auf und zitiert aus einem Interview mit einem Greenpeace-Sprecher:
Wie bekamen die Verantwortlichen im Stadion den Beginn der Aktion mit?
Fünf Minuten vor Spielbeginn, also gegen 20.40 Uhr, erhielt die Basler Polizei einen Anruf mit dem Hinweis, dass Greenpeace im St.-Jakob-Park eine Aktion durchführen werde. Einen konkreten Ort nannte der Anrufer indes nicht. Die Polizei verständigte Gerold Dünki, den Sicherheitsbeauftragten des FC Basel, der wiederum Lucien Schibli von Basel United (BU) und FCB-Präsident Bernhard Heusler in Kenntnis setzte. Zeit zum Reagieren blieb nicht, denn zu diesem Zeitpunkt waren die Greenpeace-Aktivisten auf dem Dach des Joggeli bereits dabei, sich zu sichern, abzuseilen und das Ausrollen der Banderole vorzubereiten. Dass es sich um Greenpeace handelte, so Dünki, sei bei der Lagebeurteilung von Belang gewesen.
Wie reagierte das Sicherheitspersonal im Stadion?
Lucien Schibli, Sicherheitsverantwortlicher von BU, erklärt, dass er mit zwei Gruppen von Sicherheitsleuten aufs Dach gestiegen ist und dort die Aktivisten antraf. «Sie waren keineswegs renitent, sondern sehr kooperativ. Ein verantwortliche Person stellte sich vor. Ein Zugriff wäre aber zu gefährlich gewesen», sagt Schibli, in diesem Moment sei die körperliche Unversehrtheit aller Personen auf dem Dach im Vordergrund gestanden. Nachdem die vier Kletterer wieder auf dem Dach zurück waren, hätte sich die Gruppe ohne Gegenwehr zum Lift bringen lassen. Im Erdgeschoss angekommen, wurden 17 Personen der Polizei überstellt.
Wie kam Greenpeace aufs Dach?
Dazu wollten sich die Sicherheitsverantwortlichen am Tag nach der Aktion noch nicht konkret äussern. Die Kriminalpolizei ist hinzugezogen worden. «Wir sind dabei, den Weg zu rekonstruieren», sagt Schibli. Naheliegend ist, dass die Greenpeace-Gruppe von der Seniorenresidenz Tertianum her durch eine Dachlucke nach oben gelangt ist. Basel United und der FC Basel fühlen sich für die Sicherheit im Stadion zuständig. Das Shoppingcenter und das Tertianum, so Schibli, lägen in anderen Zuständigkeiten.
Wird das Dach des St.-Jakob-Park überhaupt bei Spielen kontrolliert?
Lucien Schibli schildert, dass das Dach am Dienstag drei Stunden vor Spielbeginn, also gegen 18.00 Uhr kontrolliert worden sei. Schon wegen der Baustelle auf dem Dach: Die IWB installiert dort gerade ihre grösste Photovoltaikanlage, die von 2014 an jährlich 800’000 Kilowattstunden Strom produzieren soll. Um zu überprüfen, ob zum Beispiel herumliegendes Werkzeug gesichert werden muss, sei der Kontrollgang gemacht worden.
Drohte ein Spielabbruch?
«Diese Frage haben wir uns auch gestellt», sagt Gerold Dünki. Als der spanische Schiedsrichter die Partie unterbrochen hatte, habe man erwogen, via Stadionspeaker die Aktivisten aufzufordern, ihre Aktion zu beenden. «Als wir gesehen haben, dass sie sich wieder nach oben bewegen, stellte sich die Frage nach einem Abbruch nicht mehr», so Dünki.
Hat das Sicherheitsdispositiv im St.-Jakob-Park eine Lücke?
Gerold Dünki will dem Ergebnis der Aufarbeitung nicht vorgreifen, sagt natürlich beflissen, dass man versuchen werde, so etwas künftig zu verhindern, räumt jedoch ein: «Gewisse Ereignisse überschreiten unsere Möglichkeiten.» Bernhard Heusler sagt: «Wir können den St.-Jakob-Park nicht zur Schutzburg ausbauen. Wir sind kein Flughafen.» Solche Aktionen seien Greenpeace schon an anderen, besser gesicherten Orten in allen Herren Ländern gelungen: «Das ist kein spezifisches Basler Problem», sagt Heusler auf die Frage, ob die Protestaktion Auswirkungen auf die Bewerbung Basels für die Euro 2020 haben könnte.
Welche Konsequenzen drohen den Aktivisten?
Die Polizei hat die Personalien der Beteiligten festgehalten und sie auf freien Fuss gesetzt. Vom FC Basel wurde noch Dienstagnacht Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch gestellt. Zivilrechtlich könnte der FC Basel versuchen, bei einer etwaigen Geldbusse durch die Uefa oder sonstigen Ausfällen Regressansprüche gegen Greenpeace zu erheben. «Wir werden das in Ruhe prüfen», sagt Heusler.
Was sagt FCB-Präsident Bernhard Heusler zur Protestaktion?
«Das Ereignis hat uns überrollt», sagt Bernhard Heusler, der sich am Tag danach auf seine Rolle als FCB-Präsident reduziert und dementsprechend aus der Sicht des Clubs Stellung bezieht: «Wir sind Opfer geworden.» Er erinnert daran, dass Greenpeace seit über 40 Jahren spezialisiert sei auf solche Aktionen, die hochprofessionell geplant und durchgeführt würden und gewaltfrei abliefen. Er sagt aber auch: «Der Fussball ist als Plattform missbraucht worden. Aus unserer Sicht ist das nicht richtig. Wir empfinden die Aktion als unfair.»
Welche Meinung hat der Privatmensch Bernhard Heusler?
Am Frühstückstisch hatte Bernhard Heusler am Mittwochmorgen noch keine Gelegenheit, die Aktion im Familienkreis, etwa mit seinen beiden schulpflichtigen Kindern zu diskutieren: Es sind Herbstferien, und die Kinder haben noch geschlafen, als der Vater das Haus verliess. Das könnte also noch kommen. Heusler gibt sich sehr bedeckt, sagt, es sei ein Thema, «das die Menschen beschäftigt, Emotionen auslöst und sicher kontrovers diskutiert wird.» Zu den ersten Reaktionen, die ihn erreicht haben, gehört ein FCB-Fan, der sich dafür schämt, dass die Aktion im Stadion des FC Basel stattfinden konnte. Diese Äusserung, so Heusler, «hat mich erschreckt.»
Wie findet Bernhard Heusler die klare Haltung von Schalke-Manager Horst Heldt?
Dass Heldt, bei dessen Arbeitgeber FC Schalke 04 der Gazprom-Konzern als Sponsor und Investor auftritt, die Aktion begrüsst, wollte Heusler nicht bewerten. «Es ist nicht von Interesse, ob Bernhard Heusler solche Aktionen gutheisst oder wie ich politisch und Greenpeace und ihren Zielen stehe.» Aber er betonte zum Schluss noch einmal: «Ich kann die Aktion nicht gutheissen.» Horst Heldt wird so zitiert: «Es ist wichtig, dass es solche Organisationen gibt, die sich für viele Aktionen einsetzen, die enorm wichtig für uns sind.»
Welche Konsequenzen muss der FC Basel fürchten?
Am Dienstag bekam der FCB von der Europäischen Fussballunion Uefa mitgeteilt, dass ein Disziplinarverfahren eröffnet wird. Als Sanktion ist alles denkbar, von Verwarnung über Geldbusse bis Geisterspiel. In besonders gravierenden Fällen kann die Uefa sicher auch einen Ausschluss aus dem Wettbewerb konstruieren. Anzunehmen ist das nicht. Zumal es keine vergleichbaren Fälle gibt, wird es interessant sein, zu welchem Urteil die Uefa-Richter kommen werden. Spass verstehen sie in der Regel nicht, da wird streng am Sanktionskatalog entlang geurteilt. «Mir ist wichtig», sagt Heusler und damit wohl auch an die Adresse der Uefa, «dass man bei der Aufarbeitung nicht die Relationen verliert.» Klar ist: Der FCB als Ausrichter der Partie und damit verantwortlich für Sicherheit und Ordnung, steht in Kausalhaftung. Übrigens ebenso wie der FC Schalke 04, den das bengalische Feuerwerk seiner Fans im Joggeli auch eine Stange Geld kosten wird.
Wie hat Michel Platini reagiert, der Uefa-Präsident, der im Stadion war?
Bernhard Heusler nimmt an, dass es Zufall war, dass der Uefa-Präsident im Stadion war. Kaum anzunehmen, dass Greenpeace vom prominenten Besuch Kenntnis hatte – als Nebeneffekt ihrer Aktion werden sich die Umweltschützer aber darüber freuen, dass ihr Transparent direkt vor der Nase Platinis baumelte. Einen ersten Moment lang seien alle sprachlos gewesen, so Heusler. In der Halbzeitpause hatte er Gelegenheit, sich mit Platini über den Vorfall zu unterhalten und der FCB-Chef sagt: «Natürlich hat er das nicht goutiert.»
Und was sagt eigentlich Greenpeace zu dem Ganzen?
Es geht Greenpeace bei diesem Protest um Ölbohrungen des Gazprom-Konzerns in der Arktis. «Wir wollten Zeugnis ablegen vom Verbrechen an der Umwelt und ausserdem darauf aufmerksam machen, dass sich nach wie vor 30 Aktivisten und Aktivistinnen in russischem Gewahrsam befinden.» Sagt Yves Zenger, Sprecher von Greenpeace Schweiz im Interview mit dem «Tagesanzeiger». Dass dem FC Basel, auf dessen Rücken der Protest stattfand, nun eine Bestrafung durch die Uefa droht, bezeichnet Zenger als «ungerecht»: «Es würde die Engstirnigkeit der Uefa zeigen. Dass der Verband nicht davor zurückschreckt, mit Konzernen anzubandeln, die unsere Lebensgrundlage zerstören.» Und: «Wenn Politik nichts im Sportstadion zu suchen hat, was haben Staatskonzerne wie Gazprom dort verloren? Fussball ist keine politfreie Zone.»
-> Wer sich gewundert hat, dass während der Fernsehübertragung kaum zu erkennen war, um was es bei dem Protest von Greenpeace geht, dem erklärt eine Reportage der TagesWoche aus dem Regieraum bei einem Europacupspiel die peniblen Richtlinien, nach denen das Fernsehsignal produziert wird – der einfachheithalber von der Uefa selbst: «Jetzt ist Alex Frei für uns gestorben».