«Wir haben unseren eigenen Geschmack»

Am Mittwochabend war Premiere im Theater im Teufelhof – auch für Katharina Martens und Roland Suter, die das Theater übernommen haben. Im Gespräch erzählen sie, wo sie das Theater positionieren wollen, warum sie keine Slam-Poetry-Wettkämpfe veranstalten werden – und vieles mehr.

(Bild: Noëmi Kern)

Am Mittwochabend ging im Basler Theater im Teufelhof die neue Saison los. Es ist die erste Saison unter der Leitung von Katharina Martens und Roland Suter. Im Gespräch verraten die beiden, wo sie das Theater in Zukunft positionieren wollen, was die Vor- und Nachteile ihres Standorts sind und wie sich die Zusammenarbeit als Paar bewährt.

Das Innere des Theaters im Teufelhof hat sich in den letzten Monaten verändert. Die alten Sessel mussten neuen Stühlen Platz machen. Der Raum wirkt nun grösser als früher. Dies auch dank den neuen Fenstern. Nun kommt nicht nur Tageslicht in den Raum im Dachstuhl, sondern auch frische Luft.

Neu ist auch die Leitung des Theaters. Roland Suter (52, «touche ma bouche») und seine Frau Katharina Martens (52) haben das Theater von Dominique Thommy übernommen. Bei der Premiere blieb man unter sich: Den Eröffnungsabend auf der neuen «Teufelhof»-Bühne bestritt Suter mit seinem Kollegen von «touche ma bouche», Daniel Buser, gleich selber.

Die TagesWoche hat Katharina Martens und Roland Suter vor der Eröffnung zum Gespräch getroffen:

Roland Suter, Sie eröffnen die Saison am 5. September mit «touche ma bouche». Ist das nicht etwas unoriginell?

Roland Suter: (lacht.) Das kann man durchaus so sehen. Andererseits muss man auch betonen, dass ich bereits seit 20 Jahren hier spiele. Das Theater im Teufelhof ist quasi die Heimstätte meiner kabarettischen und musikalischen Produktionen. Insofern war es sowieso geplant, mal wieder hier zu spielen. Wir haben uns das lange überlegt. Wir wollen einfach mit einer bekannten Formationen anfangen und alle, die wir angefragt haben, sind momentan nicht so weit, dass sie ein neues Programm anbieten können. Und dann kamen wir auf die Lösung: «touche ma bouche» ist in Basel verwurzelt, und warum sollten wir irgendwo anders spielen als hier? Vielleicht sagen auch manche Leute: Warum muss er jetzt auch noch auf der Bühne stehen. Aber das stört mich ehrlich gesagt nicht. Eine solche Doppelpremiere zu haben, ist auch schön.

Kabarett und Kleinkunst gibt es seit Jahrzehnten im «Tabourettli» und im «Fauteuil» zu sehen. Bleibt denn für den «Teufelhof» noch übrig, was die Familie Rasser nicht bucht?

Katharina Martens: Ich würde das eher umfomulieren. Das «Tabourettli» und das «Fauteuil» haben ihre Leute, bei ihnen ist das Programm, nach meinem Gutdünken, viel breiter abgesteckt: von Kabarett über Comedian bis zu Boulevard und Schwank. Der «Teufelhof» macht ausschliesslich Kabarett und deckt damit eine Nische ab. Ich bin der Meinung, dass es der einzige Ort in der Region ist, der die Nische «feiner Humor, Satire, schwarzer Humor» präsentiert. Das ist auch das Schöne daran, dass wir wissen: Wir haben ein kleines Theater, das etwas bietet, was sonst keiner abdeckt. Und es ist uns wichtig, das weiterhin zu pflegen. Wir wollen als neue Leitung keine anderen Sachen in den «Teufelhof» bringen als unser Vorgänger Dominique Thommy oder noch früher Fredy Heller.

Dominique Thommy sagte ja auch 2011, dass alles beim Alten bleiben werde unter der neuen Leitung. Ist das demnach auch die Idee, wird sich wirklich gar nichts verändern?

Suter: Wir werden weiterhin auf das Kleine, Feine, Spezielle setzen, das hier oben in diesem intimen Rahmen auch stattfinden kann, in der Begegnung zwischen Publikum und Künstler und umgekehrt. Wir werden sicher neben bestandenen Künstlern, die über Jahre in Basel bekannt wurden, auch immer wieder probieren, junge Nachwuchskünstlerinnen und -künstler und Talente, die man vielleicht noch nicht so kennt, auf die Bühne zu bringen. Aber von der Ausrichtung her wird es auf jeden Fall das Gleiche bleiben. Nur: Wir haben unseren eigenen Geschmack. Das heisst, dass wir auch mit Leuten in Verhandlung sind, die noch nie oder schon lange nicht mehr hier gespielt haben. Und wir haben auch mal gesagt, dass wir versuchen wollen, das deutschlastige Kabarett weiterhin blühen zu lassen, aber gleichzeitig auch das schweizerische zu pflegen. Und auch wieder als eine Bühne zu erscheinen, die neue Leute endeckt. Das ist über die Jahre auch gewachsen. Viele Leute sind hier zum ersten Mal aufgetreten, wie etwa Matthias Deutschmann, den man vorher in Basel noch nicht kannte. Und wenn uns das gelingt, wäre das schön. Eine kontinuierliche Linie, aber mit einem eigenen Geschmack.

Sie haben auch das «Schaufenster», das jeden zweiten Montag genau das will: Neues entdecken.

Suter: Ja, das ist genau das. Wir haben gesehen, dass es so viele interessante Künstler in der Schweiz gibt, aber auch im angrenzenden Ausland, bei denen wir finden: Doch, die haben es verdient, dass sie auf einer renommierten Bühne auftreten dürfen. So können sie mal eine Zehe hier reinsetzen, und wenn man dann merkt, dass ihr Programm gut ankam, kann man sie in der nächsten Saison auch mehrmals spielen lassen. Sie dürfen hier ausserdem ihr ganzes Programm spielen. Das ist hier auch etwas anders als anderswo. Oft hat man dann mehrere Künstler an einem Abend, die alle eine begrenzte Zeit zur Verfügung haben. Doch auch renommierte Künstler erhalten im «Schaufenster» die Möglichkeit, etwas Neues auszuprobieren. So kommt beispielsweise Andreas Thiel mit Arno Rittgen in den «Teufelhof». Diese beiden treten nur sporadisch miteinander auf.

Sie haben vorher das Deutschlastige angesprochen. Der Teufelhof steht im Ruf, dass vor allem Künstler aus Deutschland auftreten. Gibt es denn zu wenig Schweizer Kleinkünstler?

Suter: Nein, ich bin überhaupt nicht der Meinung, dass es zu wenig hat. Ich kenne die Szene sehr gut, da ich ja selber involviert bin. Ich sehe, wie viele interessante Künstler es gibt, und bin der Meinung, dass das Potenzial sehr hoch ist. Es ist eine Frage des Geschmacks. Wenn man das klare, politische Kabarett will, dann sind die Deutschen uns Schweizern zwei, drei Schritte voraus. Sie sind auch in einem anderen Regierungssystem mit Opposition und Regierung, und das kann man direkt kritisieren. Wir Schweizer haben eine andere Tradition, das Gesellschaftspolitische. Wir setzen andere Schwerpunkte, indem wir beispielsweise Figuren etwas sagen lassen, das durchaus politisch ist, aber nicht direkt das System angreift.

Eine neuere Kunstform ist Slam Poetry. Caroline Rasser etwa hat angefangen, das zu pflegen und zu fördern. Wie sieht es bei Ihnen aus, haben Sie Ambitionen in diese Richtung?

Martens: Nein, Slam Poetry klammern wir aus. Einfach weil wir finden, das es in Basel schon Orte gibt, an denen die Slam Poeten auftreten können. Dazu wollen wir keine Konkurrenz schaffen. Wir sind aber der Ansicht, dass aus Slam Poeten Kabarettistinnen und Kabarettisten werden können, wenn sie älter werden und ihr Schaffen anfangen zu überdenken oder auch zu verändern. Das interessiert uns sehr. Wir wollen sie beobachten, an ihrer Entwicklung teilnehmen und schauen, was aus ihnen wird. Wir rechnen sehr damit, dass es Leute darunter haben wird, die später vielleicht mal im «Teufelhof» auftreten werden.

Suter: Ich finde es eine interessante Entwicklung, denn «Slam» ist im Prinzip eine andere Benennung für Kabarett. Es geht dabei ja auch darum, Dinge ironisch anzugehen oder bisweilen auch knallhart. Die Wettkämpfe sind aber auch eine eigene Kategorie. Viele Slam Poeten haben zudem ein sehr hohes kabarettistisches Potenzial haben, und wir sind an diesen Leuten dran. Zum Beispiel an Lara Stoll, die ich schon viele Jahre kenne, und von der ich weiss, dass sie durchaus auch Interesse daran hat, einmal ein Soloprogramm zu machen, bei dem dann auch noch andere künsterlische Formen eingesetzt werden, das können Videos sein oder auch Toneinspielungen. Und diese Leute dann nachzuziehen, finde ich sehr interessant. Dafür soll es auch eine Bühne geben. Aber wir wollen hier keine Wettbewerbe machen.

Was sprechen Sie denn für ein Publikum an? Wen wünschen Sie sich im «Teufelhof»?

Martens: Das erste Ziel ist, das Publikum, das wir bereits haben und das immer schon hierher kam, zu halten. Wir wünschen uns sehr, dass die Leute auch unter unserer Leitung weiterhin ins Kabarett kommen mögen. Aber wir wollen auch ein Auge darauf haben, dass sich das Publikum verjüngt – haben wir mal gesagt. Wobei das auch ein etwas schwieriger Ausdruck ist. Klar, das Publikum im «Teufelhof» ist über die Jahre auch etwas älter geworden. Es ist ein treues Publikum, das seit Jahren Bestand hat. Wenn man eine Familie gründet und Kinder grosszieht, gibt es die Phase, in der man nicht mehr so oft im Ausgang ist. So war es auch bei uns. Aber es gibt ganz viele Leute in unserem Alter, die das jetzt hinter sich haben. Diese wollen wir auch ansprechen. Wir wissen aber auch, dass es schwer ist, ganz junge Leute anzusprechen. Klar, ein Traum wäre es, und vielleicht gelingt uns das ja über das «Schaufenster».

Suter: Wir wollen eine gewisse Kontinuität halten und vielleicht einfach nochmals eine Offensive starten, um zu zeigen: Hier läuft etwas Spezielles. Wir sind uns bewusst, dass das, was wir hier zeigen, nicht massentauglich ist, kein Mainstream. Es ist nicht das, was gemeinhin im Fernsehen läuft, aber es treten interessante Künstler auf, die man auch aus dem Fernsehen kennt: Michel Gammenthaler zum Beispiel. Wir haben ausserdem kein Werbebudget, so dass wir Tausende von Franken ausgeben können, um unser Angebot wirklich zu breit zu streuen. Es müssen wirklich die Liebhaberinnen und Lieberhaben sein, die sagen: Das ist etwas Spezielles, nicht ganz Alltägliches, Unerwartetes, das will ich mir ansehen.

Der «Teufelhof» ist ja nicht nur ein Theater, sondern auch ein Restaurant und ein Hotel. Subventioniert sich das jeweils gegenweitig quer oder sind die Kassen vollständig unabhängig voneinander?

Suter: Wir, also das Theater, sind ein eigenständiger Verein, der den Raum mietet, um darin Theater machen zu können. Wir arbeiten aber zusammen. Das heisst, wir profitieren von einer günstigen Miete und können auch die Administration nutzen: Die Rezeption ist zugleich auch die Theaterkasse. Es gibt keine klare Subvention, aber gewissermassen eine ideell-materielle. Wir werden auch innerhalb des Hauses getragen und können die Sachen mitbenützen. Und auch die Künstler profitieren davon: Sie können im Hotel übernachten, können hier essen, in dieser Atmosphäre leben und haben so einen engen Kontakt zu den Mitarbeiterinnern und Mitarbeitern. Das schätzen die Leute sehr. Das macht es auch so einmalig, denn das gibt es sonst nirgends in Basel. Das Ganze ist aber auch ein bisschen ein zweischneidiges Schwert. Wir haben keinen separaten Aufgang zum Theater. Man muss also zuerst durch das Restaurant, sieht Hotelgäste. Das Handicap von dem Ganzen ist oft, dass nach aussen das Publikum das Gefühl hat: Ich muss hier erst zu Abend essen, damit ich ins Theater kann. Das stimmt natürlich nicht. Ausserdem hat es den Touch von etwas eher Teuerem und das schreckt vielleicht auch gerade junge Leute ab. Es liegt aber auch an uns, dieses Image zu durchbrechen. Für 25 Franken können sich junge Menschen jedes Programm bei uns ansehen. Und das ist ja kein unglaublich hoher Preis. Das sind so Sachen, die wir publik machen müssen.

Sie haben die Theaterleitung als Paar übernommen. Ist es das erste Projekt in dieser Art, das Sie zusammen machen?

Beide: Ja, in diesem Stil schon.

Und wie haben Sie die Aufgaben verteilt? Hat jeder klar seinen Bereich?

Beide: Nein, bis jetzt noch gar nicht.

Suter: Das muss sich noch entwickeln, denn es gibt so viele Sachen, die wir zusammen entdecken und auch zusammen anschauen wollen. Natürlich ist es klar, dass ich von meinem Beruf her den Kontakt zu den Künstlerinnen und Künstlern viel direkter habe als Katharina. Aber auch sie kennt viele. Den ganzen Rest machen wir noch zusammen. So setzt sich mal der eine hin und macht den Sitzplan neu und der andere schaut wieder drüber und sagt: Wollen wir das nicht anders machen, und dann verändern wir es wieder. So ist es wirklich eine Team-Arbeit von A bis Z. Vielleicht gibt es irgendwann schon einmal die Aufteilung, weil der eine vielleicht auf etwas mehr Lust hat. Es ist wie in jeder Beziehung: Mit der Zeit teilt es sich auf und jeder macht das, was er am besten kann.

Martens: Ich habe den Eindruck, es ist auch etwas Lustvolles. Wir haben Spass daran, das miteinander zu machen. Wenn wir uns etwa abends zu Hause wieder sehen – auf dem Sofa, mit dem Computer auf den Knien – und schauen, was es noch zu tun und zu erledigen gibt. In dem Moment haben wir vor allem dieses Projekt im Kopf. Wir haben auch noch keine Angestellten, sondern machen alles selber, von der Platzanweisung bis zur Künstlerbetreuung.

Wird es da nicht sehr schwierig, auch mal abzuschalten und zu sagen: So, jetzt haben wir Privatleben. Jetzt schliessen wir die Tür des «Teufelhofs» ab und haben Feierabend?

Suter: Im Moment begleitet uns das Theater noch von morgens früh bis abends spät. Noch gibt es kein Privatleben, aber ich glaube, mit der Zeit wird sich das sicher einspielen. Und das Aufteilen, die Dinge zu zweit machen zu können, ist auch schön, dann ist es nicht so ein einsamer Job. Wenn man es ganz alleine macht, hat man auch keinen Austausch. Zu zweit kann man sich auch mal abwechseln. Wir müssen nicht jeden Abend beide hier sein, es kann auch mal der eine sagen: Ich bin jetzt wirklich müde oder ich habe etwas anderes vor. Das ist schön.

Im Hinblick auf die Premiere von «touche ma bouche»: Können Sie einfach kurz sagen, worum es im aktuellen Programm geht? Warum sieht man es sich an?

Suter: Unser neues Bühnenprogramm heisst «Die Wahl», das erste direktdemokratische Kabarett. Daniel Buser und ich spielen, Jürg Seiberth ist Mitautor. Ganz kurz zusammengefasst ist es so: Wir präsentieren vier verschiedene Geschichten, in denen verschiedene Personen vorkommen. Das Publikum kann an diesem Abend entscheiden, welche Geschichte bis zum Schluss gespielt wird. Das heisst, man wählt zwischendurch immer wieder, welche Lieblingsgeschichte man hat oder welche man nicht mag. Es gibt verschiedene Wahlgänge und am Schluss gibt es einen Sieger. Das ist, kurz gesagt, das Prinzip des Ganzen. Wir spielen dabei einerseits spannende, skurrile und berührende Geschichten der verschiedenen Personen, andererseits nehmen wir auch das Thema «Wählen und Enscheiden» auf: Ist es richtig, wenn alle wählen dürfen? Bräuchte es eine engagierte Minderheit, die wählt, wie es in der Schweiz ja oft der Fall ist? Eine Minderheit bestimmt über die Mehrheit, ist das gut oder schlecht? Müsste man nicht einfach eine Volksvertretung haben? Unser Programm ist aber kein Improvisationstheater, sondern es ist alles einstudiert. Wir wissen jedoch nicht, welche Geschichte an einem Abend gewählt wird und welche nicht. Wir überraschen uns also selber jeden Tag. Die Interaktion mit dem Publikum soll stattfinden, aber nicht so weit gehen, dass sie reinrufen dürfen, was wir machen müssen. Demokratie hat gewisse Spielregeln und die müssen eingehalten werden.

Letzte Frage: Haben Sie einen Traumkünstler, den Sie unbedingt mal im Teufelhof auf der Bühne haben wollen?

Beide (überlegen lange): Nein.

Suter: Wir haben das Gefühl, die Leute, die wir engagieren, die schon mal hier waren und weiterhin kommen, das sind schon die Künstler, die tatsächlich hierher gehören. Das ist wirklich so.

 

Nächster Artikel