Vor allem in säkularen Familien bricht Verunsicherung aus, wenn sich der Nachwuchs plötzlich dem Islam zuwendet. In Basel haben sich deshalb Eltern hilfesuchend an die Behörden gewandt. Dabei gibt es klare Anzeichen, ob sich jemand radikalisiert.
Die mediale Aufregung über den Zulauf aus dem Westen für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zeigt in Basel Wirkung. Wenden sich Jugendliche dem Islam zu, befürchtet die Familie das Schlimmste. Eltern seien verunsichert, gerade auch religionsdistanzierte, erzählt Lilo Roost Vischer, Koordinatorin für Religionsfragen beim Basler Präsidialdepartement.
Sie erschrecken, wenn ihre Kinder sich plötzlich für Glaubensfragen interessieren und anfangen, zu beten oder in eine Moschee zu gehen. Roost Vischer bestätigt Informationen der TagesWoche, wonach Basler Elternpaare mit der Befürchtung an sie herangetreten sind, ihre jugendlichen Kinder würden sich religiös radikalisieren und womöglich ausreisen.
Befürchtungen werden abgeklärt
Der Kontakt sei über Dritte hergestellt worden, sagt die Fachfrau. Die Koordination für Religionsfragen führt Erstgespräche, um die Befürchtungen abzuklären und eine Triage zu den anderen Amtsstellen wie der Familienberatung vorzunehmen. «Für eine Einschätzung ist es noch zu früh, aber wir nehmen die Sorgen von Eltern, Jugendlichen und Amtsstellen ernst», sagt sie.
Dabei ist durchaus erkennbar, wenn sich jemand radikalisiert. Der Basler Extremismusexperte Samuel Althof meint, Radikalisierungsprozesse seien in den allermeisten Fällen von aussen feststellbar.
Merkmale solcher Prozesse seien: Jemand lebt seine Religion plötzlich exzessiv aus, er richtet sein Leben deutlich stärker auf den Islam aus als bisher, er wechselt seinen Freundeskreis, richtet an sein altes Umfeld Vorwürfe, nicht nach islamischen Grundsätzen zu leben. «Das lässt sich erkennen, und wenn das Gedankengebäude noch nicht abgeschlossen ist, kann man der Person noch helfen, die schlimmen Folgen eines Weges in die gewalttätige Radikalität zu erkennen und damit zu vermeiden», sagt Althof.
Potenzial für Radikalisierung
Althof hat sich in den letzten Jahren zunehmend mit der Islamistenszene befasst; an der von konservativen Saudis finanzierten Moschee an der Friedensgasse führt er Gespräche. Althof will als Mediator wirken und die moderaten Kräfte unterstützen. «Personen, die sich potenziell radikalisieren, können in manchen Moscheen angetroffen werden.» Man müsse davon ausgehen, dass in Moscheen, zu welchen radikale Islamisten Zugang haben, Anwerbungsversuche gemacht werden.
Allerdings sei es für Radikale in Basel nicht einfach, Gehör zu finden. «Ich konnte beobachten, dass sich die Menschen in der Moschee intensiv und vor allem kritisch mit dem IS befassten», sagt Althof. Die Muslime seien von der exzessiven Gewalt des IS angewidert. Er habe noch niemanden getroffen, der die Praktiken der Terrormiliz goutiere.
Übersichtliches Milieu
Die Chancen der Terrorwerber, in Basel Erfolge zu erzielen, erachtet Althof als gering. Dafür sei das Milieu zu übersichtlich. Die Verantwortlichen der Moscheen würden ihre Besucher kennen, entsprechend engmaschig sei das Auffangnetz. Dass sich jemand in Basel unbemerkt von seinem Umfeld radikalisieren könne, hält er für sehr unwahrscheinlich: «Die Lone-Wolf-Geschichten sind mehr Mythos als Realität.»