Zäune, wohin das Auge blickt – In einem Kleinbasler Innenhof gibt es ständig Ärger

In einem grünen Hinterhof im Kleinbasel stösst die forcierte Bevölkerungsdurchmischung an ihre Grenzen. Lärm, Abfall und eine Taubenplage beschädigen das Wohnklima nachhaltig.

(Bild: Basile Bornand)

In einem grünen Hinterhof im Kleinbasel stösst die forcierte Bevölkerungsdurchmischung an ihre Grenzen. Lärm, Abfall und eine Taubenplage beschädigen das Wohnklima nachhaltig.

Wer auf der Höhe der Horburgstrasse den öffentlich zugänglichen Park im Innenhof zwischen Efringerstrasse und Riehenring betritt, steht plötzlich vor einem mächtigen, mannshohen Zaun. Dahinter befindet sich eine überaus gepflegte Garten­anlage: Wege schlängeln sich durch die Landschaft, gesäumt von Sitzbänken und tollem Spielgerät. Die Anlage gehört zum neusten Gebäude innerhalb dieser Blockrandbebauung, wo die Bewohner unterschiedlicher kaum sein könnten.

Hier stehen angejahrte Liegenschaften mit günstigstem Wohnraum neben mondänen Neubauten. Hier wohnen Migrantenfamilien mit Kindern neben Singlehaushalten und «Dinks» (double income, no kids). Manche Balkone sind vollgestellt mit Kühlschränken, Satellitenschüsseln und ausrangierten Möbeln. Auf anderen stehen Rattanmöbel, deren Sitzkissen zum Überwintern weggeräumt wurden. Sowohl der Neubau am Riehenring als auch der Altbau an der Efringerstrasse gehören der IBS (Immobilien Basel-Stadt).

Hier stehen angejahrte Liegenschaften mit günstigstem Wohnraum neben mondänen Neubauten.

Diese Mischung ist gewollt, Verwaltung, Politik und Stadtentwickler werden nicht müde zu betonen, dass sich eine durchmischte Bewohnerschaft stabilisierend auf ein Quartier auswirke. Damit sollen Wohnghettos verhindert werden. Im Hinterhof der Efringerstrasse ist zu beobachten, wie dieses Konzept der Durchmischung an seine Grenzen stösst.

Die Bewohner sind in den letzten Jahren immer wieder aneinandergeraten. In den Neubauten störte man sich an lärmenden Kindern, unsachgerecht entsorgtem Abfall und an einer dadurch entstandenen Taubenplage. Die Klagen fanden ihren Weg ins Stadtteilsekretariat Kleinbasel. Da die Reklamationen sich häuften, sahen sich die neue Stellenleiterin Theres Wernli und Aline Diouf, Auszubildende, schliesslich zum Handeln gezwungen.

«Wir wollten rund um diesen Innenhof ein Siedlungsprojekt durchführen.» Als Grundlage dafür analysierte das Stadtteilsekretariat im Auftrag der Verwaltung die Lage vor Ort und riet zu verschiedenen Massnahmen (Das Konzept befindet sich als PDF auf der Rückseite dieses Artikels).

Die IBS sah keinen Grund zu handeln

Fazit der Analyse: Es herrsche ein latenter Konflikt, der zu eskalieren drohe, wenn nicht interveniert wird. Als Massnahmen schlugen die Autoren eine Spielanimationswoche für die Kinder vor sowie eine begleitete Projektgruppe aus Anwohnern, die sich regelmässig austauscht. Kostenpunkt: rund 12’000 Franken.

Aus den Plänen wurde nichts. Der neu zugezogenen Mittelschicht wurde es zu bunt, viele zogen wieder weg. «Daraufhin stellte sich die IBS auf den Standpunkt, dass für ein solches Projekt keine Nachfrage mehr bestehe. Diejenigen, die sich beklagt hatten, waren ja nicht mehr hier», sagt Wernli.

Immerhin: Die Stadtgärtnerei, zuständig für den öffentlichen Teil des Hinterhofes, stellte Spielgerät auf und verriegelte fortan den Park nachtsüber. Das war zwischen 2009 und 2010.

Die Probleme bleiben

Vier Jahre später treffen beim Stadtteilsekretariat immer noch Reklamationen ein, die jüngste im Herbst. Gemäss Wernli ging es wieder um Lärm, Dreck und unerwünschte Tiere, die damit angezogen würden (diesmal Ratten). Gleiches erfahren wir bei ­einem Augenschein vor Ort.

Zum Beispiel in der Quartierkneipe «Brombi». Dort sitzen einige ältere Herrschaften in typischer Stammtischkonfiguration; lose auf mehrere Tische verteilt, gleichzeitig in die Zeitung und ins Gespräch vertieft. Wie das Zusammenleben in der Strasse sei, wollten wir wissen. Dann geht es los. Als hätten sie alle nur auf diese Frage gewartet, hagelt es verärgerte Kommentare über die Kinder, die spätnachts noch auf der Strasse spielten.

Einer der Herren versteht nicht, warum er im Sommer sein Bier ab zehn Uhr abends drinnen trinken muss, die Kinder jedoch unbehelligt weiterlärmen dürfen. Auch wird Verwunderung laut darüber, dass deren Eltern solches unter der Woche überhaupt zulassen. «Diese Kinder müssen doch in die Schule am nächsten Tag. Und dann wird ihnen am Ende noch eine Aufmerksamkeitsstörung diagnostiziert, nur weil sie übermüdet sind», sagt ein anderer.

Ein Neubau in den 90ern löste die Aufwertung aus.

Es sei zwar etwas besser geworden, aber solche Konflikte gebe es noch immer regelmässig, meint ein weiterer Gast im «Brombi». Immerhin, er habe eine Veränderung festgestellt, sagt er, der zwei Häuser gleich um die Ecke besitzt. Bei ihm würden sich vermehrt Studenten auf Wohnungsinserate melden. «Das ist eine Folge der Aufwertung», ist er überzeugt.

Diese Aufwertung hat ihren Anfang mit dem Neubau an der Efringerstrasse 96 gefunden. Dort steht ein moderner Bau: halb Sichtbeton, halb Holzfassade, raumhohe Fenster und eine grosse Garageneinfahrt. Gebaut wurde das Haus Ende der 1990er-Jahre vom Architekturbüro Trinkler Engler Ferrara. Auch wenn das Büro damals keinen hochpreisigen Wohnraum schuf, habe der Bau wohl die Aufwertung dieser Blockrandbebauung ausgelöst, sagt Engler. «Es war ein klarer architektonischer Bruch.» Wenig später baute das Büro auch den Neubau vis-à-vis, als Resultat eines Architekturwettbewerbes im Auftrag der IBS. Womit die Aufwertung im Quartier definitiv an Fahrt gewann.

Nur eine Strasse weiter befindet sich die Grossbaustelle Erlenmatt, wo ein ganzer Stadtteil aus dem Boden gestampft wird. Von einer Bevölkerungsdurchmischung wird dort wohl wenig zu spüren sein. Es sind, stadtplanerisch gesehen, zwei sehr gegensätzliche Konzepte, die da nebeneinander verwirklicht werden. Spannend wird sein, zu beobachten, wie und ob diese irgendwann zusammenwachsen werden.

«Ich will mithelfen, dass hier das Wohnklima stimmt»

Urs Müller, BastA!-Grossrat

Auch Urs Müller, Basler Grossrat von BastA!, wohnt an der Efringerstrasse. Von seinem Balkon aus sieht er direkt auf den öffentlichen Teil des Innenhofes und den Spielplatz. «Natürlich hört man die Kinder, wenn sie in den warmen Monaten dort unten rumtoben», sagt Müller. Ihn störe das jedoch nicht. Mehr noch, er schätze diese Lebendigkeit des Quartieres ­sogar.

Weniger Verständnis bringt er ­jedoch dafür auf, wenn einzelne Bewohner der alten Liegenschaft an der Efringerstrasse ihre Küchenabfälle vom Balkon werfen, um damit die Tauben zu füttern. «Als ich das sah, habe ich die IBS darauf aufmerksam gemacht.» Dort habe man reagiert und die besagten Bewohner angesprochen. «Dann wurde es etwas besser, aber wir werden uns wohl auch im nächsten Sommer darum kümmern müssen», sagt Müller.

Er sehe dies als seine Aufgabe als Volksvertreter, sagt Müller nur halb im Scherz. «Ich will mithelfen, dass hier das Wohnklima stimmt», auch wenn das bedeute, der Verwaltung mit seinen Anfragen auf die Nerven zu gehen.

Wie schlimm die Taubenplage ist, sieht man daran, dass fast alle Balkone in Richtung Innenhof mit Netzen abgedeckt sind. Auf dem IBS-Altbau türmt sich überdies der Taubendreck. Das vielerseits beklagte Hygieneproblem ist also noch nicht behoben. Auf die Probleme angesprochen, sagt IBS-Sprecherin Barbara Neidhart: «Wir nehmen unsere Verantwortung als Vermieter wahr.» Die Mitarbeiter der IBS würden sich ständig für eine Verbesserung der Situation einsetzen und seien bemüht, die Liegenschaft sauber zu halten. «Lärmklagen hat es fast keine mehr gegeben, seit der Park nachts abgeschlossen wird», sagt Neidhart.

Im Innenhof gibt es insgesamt drei Spielplätze – alle mit einem Zaun.

Für den Park im Innenhof ist die Stadtgärtnerei zuständig. Als dieser vor ungefähr zehn Jahren über der Nordtangente gebaut wurde, habe man noch gar nicht genau abschätzen können, wie und durch wen er genutzt werde, sagt der dortige Leiter Emanuel Trueb. «Deshalb wurden über die Jahre verschiedene Nachbesserungen vorgenommen.»

So seien etwa die erwähnten Spielgeräte auf Wunsch der Anwohner und zur Entspannung der Nachbarschaftskonflikte aufgestellt worden. Man sei sich von Anfang an bewusst gewesen, dass dieser «Minipark» ein gewisses Konfliktpotenzial berge. «Der Raum ist schon sehr klein, als dass die Begegnung dieser sehr unterschiedlichen Bewohner konfliktfrei ablaufen könnte», sagt Trueb. Auch er ist der Ansicht, dass bei derart engen Platzverhältnissen die von Verwaltung und Politik angestrebte Bevölkerungsdurchmischung an eine Grenze stösst. «Die vielen Zäune in diesem Innenhof sind doch ein auffälliges Zeichen dafür, wie deutlich die verschiedenen Liegenschaftsbesitzer ihr Eigentum vom öffentlichen Raum abgrenzen wollen.»

In diesem Innenhof befinden sich insgesamt drei Spielplätze. Jeder für sich mit einem Zaun abgetrennt.

Der Hinweis zu dieser Geschichte kam am vergangenen Communitytreffen der TagesWoche zum Thema Stadtentwicklung.

Artikelgeschichte

Erschienen in der Wochenausgabe der TagesWoche vom 07.02.14

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