Nagellack ist ein Kind des Wirtschaftswunders. Zeitgleich mit der Geschirrspülmaschine hielten in den 1930er-Jahren auch die kleinen Fläschchen in Haushalten Einzug.
Heute leben wir nicht gerade in Wirtschaftswunderzeiten, trotzdem hat der Nagellack Hochkultur. Dieses Phänomen ist nicht nur mit dem Lippenstift-Index zu begründen, der besagt, dass in kargen Tagen mehr Kosmetik verkauft wird, da sie erschwinglicher Luxus sei. In den Zeiten der Textildiscounter gilt das nicht mehr: Für den Preis eines teuren Lippenstifts bekommt man heute zehn billige T-Shirts.
Natürlich, ein Lackwechsel ist immer auch eine schnelle, aber nachhaltige Typveränderung: von der distinguierten French-Nail-Trägerin zur Femme fatale mit blutroten Nägeln. Aber eigentlich geht es bei der Maniküre um den Akt des Lackierens – ein Ritual, das nahezu meditativen Charakter haben kann, und um die Zeit, die man so für sich selbst gewinnt. Die Nägel werden sorgfältig mit Unterlack bemalt, dieser muss trocknen, es folgt die erste Schicht Lack, Trockenzeit, die zweite, Trockenzeit … Gewissenhafte versiegeln die Oberfläche noch mit einem Überlack.
Diese Prozedur dauert etwa 30 bis 60 Minuten – so lange bleibt die Zeit stehen. Jetzt wird keine E-Mail geschrieben, das Telefon klingelt einfach, und sollte irgendjemand irgendetwas wollen, wird er mit einem «Erst muss der Lack trocknen» abgefertigt. Als Belohnung gibt es ein sofort sichtbares Stück heile Welt. Zumindest auf den Nägeln.
Die schönsten Grünmacher
Dior Vernis «504 Waterlily»: zartes Grün, duftet nicht nach Chemie, sondern nach Rosen. Limitiert, bis 18. April für 40 Franken etwa bei Manor, Globus und Marionnaud erhältlich.
OPI «Thanks a Windmillion»: matter Lack in zurückhaltendem Grün, hält sehr lange, etwa 25 Franken, unter anderem bei The NailBar Basel, Pfluggäss-lein 14 erhältlich.
Essence Colour & Go, «39 Lime up!»: giftig grün, schnelltrocknend, 6 Franken, bei Coop und Migros sowie bei Drogerie Müller (Clara- platz, Basel) erhältlich.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 13.04.12