Zeitmaschine: Um die Ecke

Das an Details reiche Foto der Basler Grünpfahlgasse aus dem Jahr 1935 lädt zu diversen historischen Streifzügen ein – und führt zu einigen Überraschungen.

Das an Details reiche Foto der Basler Grünpfahlgasse aus dem Jahr 1935 lädt zu diversen historischen Streifzügen ein – und führt zu einigen Überraschungen.

Die Grünpfahlgasse 1935. Bildquelle: Basler Staatsarchiv NEG 4741

Diese Aufnahme der Grünpfahlgasse aus der Sammlung des Fotografen Bernhard Wolf-Grumbach (1864–1951) im Staatsarchiv Basel ist überreich an Details. Leider können wir nicht auf alle näher eingehen, sondern müssen uns auf ein paar wenige beschränken. Entstanden ist das Bild laut Vermerk des Staatsarchivs im Jahr 1935. Bernhard Wolf-Grumbach ist dafür bekannt, dass er zusammen mit den Mitarbeitern seines Fotogeschäfts, teils aus eigener Initiative, teils aber auch im Auftrag, sozusagen alle Bauten Basels abgebildet hat. Wir vermuten, dass sich der Fotograf dabei mehr für den Gesamteindruck als für die Details interessiert hat. Gerade diese aber sind es, die aus dem Foto mehr als die Aufnahme einer Häuserzeile machen.

Die grosse Werbe- und Plakatwand der Allgemeinen Plakatgesellschaft am Haus Nummer 6 – 1689 erstmals als «Haus zum grünen Pfahl» erwähnt – wirkt auch auf dem Foto als Blickfang. Ein Teil der Plakate werben für eine bunte Palette von Produkten. Daneben kämpfen eine Reihe politischer Plakate um unsere Beachtung. Wer genauer hinsieht, merkt sofort, worum es geht: Hier rufen verschiedene Parteien Basels Stimmbürger zur Wahl ihrer Regierungsrats- und Grossratskandidaten auf.

Die Wahlen fanden am Wochenende des 23./24. März 1935 statt. Für die Regierungsratswahlen waren die drei bürgerlichen Parteien – Liberale, Radikaldemokraten und Katholische Volkspartei – und die Nationale Volkspartei mit einer gemeinsamen Viererliste angetreten. Ihnen standen vier Regierungsratskandidaten der SP gegenüber, die auf die Unterstützung der Kommunisten zählen konnten.

Zweiter Wahlgang nötig

Im ersten Wahlgang erreichten lediglich der Radikaldemokrat Edwin Zweifel sowie die Sozialdemokraten Gustav Wenk und Fritz Hauser die nötige Stimmenzahl. In der Stichwahl vom 6./7. April schafften nur zwei weitere Bürgerliche, nämlich die beiden Liberalen Adolf Im Hof und Carl Ludwig, den Sprung in die Regierung, während auf linker Seite die beiden SP-Genossen Fritz Ebi und Fritz Brechtbühl reüssierten. Mit der sozialdemokratischen Regierungsmehrheit war der Grundstein für das «rote Basel» gelegt, dessen Ära erst 1950 zu Ende gehen sollte.


Die Passanten, die sich zum Zeitpunkt der Aufnahme in der Grünpfahlgasse befanden, scheinen sich mehr für den Aushang in den Schaukästen interessiert zu haben als für die grossformatigen Plakate. Vielleicht hatten sie sich ihre Meinung punkto Wahlen bereits gemacht.

Noch ein Wort zur Grünpfahlgasse: Das Strässlein hiess auch schon anders. So erscheint es 1567 in den Quellen als «Scherbengesslin», 1610 als «Gesslin von Rimelins müle zum Rindermerckt», 1628 als «Judengässlein», 1683 als «Judenschulgässlin», aber auch als «Obere Brodlaube».

Der letztgenannte Name weisst die Grünpfahlgasse als früheren Ort des Brotverkaufs aus. «Judenschulgässlin» wurde die Gasse wegen der Synagoge genannt, die dort einst zu finden war. Diese gehörte der zweiten jüdischen Gemeinde Basels. In seinem Buch «Die Basler Strassennamen» bemerkt der Historiker André Salvisberg dazu: «Die erste jüdische Gemeinde Basels, die seit dem frühen 12. Jahrhundert dokumentiert ist und ihr Ende im Pogrom von 1348 fand, hatte ihre Synagoge am Rindermarkt (heute Gerbergasse 12). Spätestens 1362 ist die zweite jüdische Gemeinde wieder in Basel präsent, die aber wohl aus Angst vor neuen Pogromen die Stadt 1397 verliess. (…) Die dritte jüdische Gemeinde geht erst auf das Jahr 1798 zurück, als Juden und Katholiken von der Helvetischen Republik die Religions- und Niederlassungsfreiheit erhielten.»

Der Platz, auf dem man 1935 noch einen MG parkieren konnte, wurde später mit dem Haus Nummer 8 überbaut. Bis 2001 betrieb dort Max Wullschleger eine Bäckerei. Heute erinnert nur noch das von ihm geschaffene Signet an der Ecke Grünpfahlgasse/Rümelinsplatz daran, dass hier die Leute einst anstanden, um die beliebten Fastenwähen zu kaufen.

Folgende Plakate, die auf dem Foto von 1935 zu sehen sind, haben wir im Archiv der Plakatsammlung der Schule für Gestaltung gefunden:

Design von Otto Plattner.

Weisflog Apéritif, gestaltet von Reno, 1933.

Meta Sportkocher, Lonza, Gestalter unbekannt.

 

Quellen

Diverse Nummern der «National-Zeitung» des Jahres 1935
Charles Stirnimann: Das «rote Basel» 1935–1938. Basel 1988
André Salvisberg: Die Basler Strassennamen. Basel 1999
http://query.staatsarchiv.bs.ch/query/detail.aspx?ID=485308

http://www.sfgbasel.ch/plakatsammlung/

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