Ziel erreicht

Für ihren Gipfelsturm waren unsere Bergwanderer bestens ausgerüstet.

Für ihren Gipfelsturm waren unsere Bergwanderer bestens ausgerüstet.




Und jetzt noch ein Erinnerungsfoto! Die Herren stehen in der zweiten Reihe, die Damen sitzen ihnen zu Füssen, und über alles ragt die Vermessungspyramide aus Metall.
Was der Fotograf hier festgehalten hat, ist kein Schnappschuss, sondern ein inszeniertes Gruppenbild.

Dazu passt auch gut das Glas Wein, das man sich gönnt, nachdem die Gruppe das Ziel des Ausflugs erreicht hat.
Aufgenommen wurde das Bild mit einer Laufboden-Kamera. Über den Fotografen ist nichts bekannt. Falls er einen Selbstauslöser für die Kamera besessen hat – entsprechende Vorrichtungen gab es damals schon –, ist nicht auszuschliessen, dass er eine der sieben Personen auf dem Bild ist. Doch das ist reine Spekulation.
Über die zwei Damen und fünf Herren wissen wir nur, was wir auf dem Foto sehen. Zum Glück trägt die Schachtel, die wir mit dem Negativ auf dem Flohmarkt erworben haben, den Vermerk «Säntis 23. Mai 1904». So steht wenigstens fest, wann und wo das Bild aufgenommen wurde.




Die Vermessung der Schweiz

Dank der abgelichteten Vermessungspyramide können wir den Ort der Aufnahme sehr genau bestimmen. Solche Pyramiden markieren Vermessungspunkte, die zu einem Netz von Dreiecken gehören, mit dessen Hilfe im 19. Jahrhundert unser Land erstmals vermessen und wissenschaftlich kartografiert wurde. Zum Triangulationspunkt auf dem «Sentis» finden sich in Johannes Eschmanns 1840 publizierten «Ergebnissen der trigonometrischen Vermessungen» die folgenden Angaben: Nördliche Breite 47° 15´ 0,7, östliche Länge von Paris 7° 0´ 28,92.





Auf Blatt XI «Schwyz, Glarus, Appenzell» der Dufourkarte von 1854 ist der Messpunkt gut auszumachen. Er findet sich auch auf den späteren Ausgaben jeweils, so auch auf jener von 1889. Es ist denkbar, dass Letztere auch bei der Wanderung von 1904 mitgeführt wurde.
Unserer Bergsteigergruppe hat sich der Säntis offensichtlich von seiner Schönwetterseite gezeigt. Wenn er übel gelaunt ist, kann er auch ganz anders. Dann ist mit ihm nicht zu spassen. Das mussten Antoine-Joseph Buchwalder und sein Gehilfe Pierre Gobat erleben, als bei Vermessungsarbeitem auf dem Säntisgipfel am 5. Juli 1832 in ein schweres Unwetter gerieten. Gobat wurde von einem Blitz getötet, Buchwalder wurde an seinem linken Bein getroffen und konnte es längere Zeit kein Gefühl mehr darin. Als Buchwalder sich endlich an den Abstieg machen konnte, geriet er in dichten Nebel. Nur mit Mühe und Not fand er den Weg ins Tal.

Poesie und Muskelkater

Demgegenüber wird der Abstieg unserer Bergsteigergruppe weniger dramatisch verlaufen sein. Im schlimmsten Fall dürften die Damen und Herren den Gang ins Tal hinunter als anstrengend empfunden haben. Wahrscheinlicher ist aber, dass unsere Bergwanderer von der Schönheit und Erhabenheit der Landschaft in eine ähnliche Stimmung versetzt wurden wie die zahlreichen Dichter, die vom Säntis inspiriert wurden und deren Verse Reiner Stöckli 2009 in seiner Anthologie „Säntis und Alpstein im Gedicht“ auch bergunerfahrenen Leserinnen und Lesern zugänglich gemacht hat. Aber das ist wiederum reine Spekulation.




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Link zu Säntis im Sommer und Winter
In diesen Beitrag sind verschiedene Hinweise von Martin Rickenbacher eingeflossen. Rickenbacher ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bundesamts für Landestopografie swisstopo in Wabern. 2011 erschien seine Dissertation «Napoleons Karten der Schweiz»





Alle Fotos sind aus der gleichen Glasnegativschachtel entnommen.
 
 

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