Zu Besuch in Wikipedias Kuriositätenkabinett

Wer schon im Internet seine Zeit vergeudet, der soll es wenigstens produktiv tun: Anleitung für eine Stunde feinste Prokrastination.

Ein Schmaus für alle Nichtstuer: Wikipedias Kabinett der Kuriositäten.

(Bild: Hans-Jörg Walther)

Wer schon im Internet seine Zeit vergeudet, der soll es wenigstens produktiv tun: Anleitung für eine Stunde feinste Prokrastination.

Am Abend ist es am schlimmsten. Man nimmt das Tablet oder den Laptop mit ins Bett – nur kurz, um noch schnell was auf Facebook oder Instagram zu checken.

Zwei Stunden später starrt man mit rot unterlaufenen Augen auf eine halbseriöse Massenmörder-Doku auf Youtube und fragt sich, wie zur Hölle man hierher gelangt ist. Man fühlt sich leer und ausgelaugt, zu müde, um was Schlaues zu lesen, und zu aufgeputscht, um schlafen zu können. Ein klassischer Fall unproduktiver Prokrastination.

Aber es geht auch anders. Zeitverschwendung kann durchaus sinnvoll betrieben werden – man muss nur wissen wie. 

Und zwar so:

Auf Wikipedia kann man ungeheuer viel Spannendes erfahren, nur verbringt man meist die Hälfte der Zeit damit, sich von Thema zu Thema zu klicken (dazu gibts sogar ein spassiges Online-Spiel), ohne Ziel und ohne Struktur. Damit macht Wikipedia Schluss, indem es gewisse Themen in Subordner gruppiert, wo man alles schön gebüschelt zur Verfügung hat. Nur leider liegt es in der Natur von Themenordnern, dass sie einseitig sind – viel schöner wärs doch, wenn es eine Wikipedia-Seite gäbe, die alles, was uns interessiert, bündelt und einfach zugänglich präsentiert!

Gibt es:




Das Wikipedia-Kuriositätenkabinett ist eine Sammlung der kuriosesten Wikipedia-Einträge und bietet wunderbarste Unterhaltung in Form von 20 Kategorien – von Natur über Technik bis hin zu Urban Legends. Fröhlich zusammengewürfelt und hervorragend für surfende Nichtstuer.

Eine Auswahl aus dem Wiki-Fundus mit den Lieblingen der Autorin – die es auch nach monatelanger Klickwut immer noch nicht Leid ist, ihre Nächte mit Kuhmagneten und Ziegenproblemen zu verbringen:*
 

1. Religion

Der Caganer: In katalonischen Krippen entleeren Figuren ihren Darm neben Baby Jesus.

Höllenhäuser: Horror-Camp für christliche Teens. Ein als Satan verkleideter Typ führt durch verschiedene Räume der Unmoral, in denen unzüchtige Handlungen wie Drogengebrauch (zuckender Junge in infernalischer Umgebung), Abtreibung (schreiendes Mädchen auf OP-Tisch mit blutigem Fötus) oder Homosexualität (sterbender schwuler Teenager mit Hautläsionen als Folge von AIDS) von eifrigen Mitchristen reenacted werden. Resultat: Junge Christen bleiben auf dem rechten Weg. Trailer: vielversprechend.

Raëlismus: Im Dezember 1973 begegnete dem französischen Sportjournalisten Claude Vorilhon in einem Krater ein Alien und verkündete ihm, dass er der Halbbruder von Jesus Christus sei. 

Seither reist Vorhilon, der sich nun «Raël» nennt, durch die Welt, spricht zu seinen Jüngern und macht mit waghalsigen Klonversuchen von sich sprechen – unter den «Projekten» finden wir klingende Namen wie Jesus Christus, Hitler (um ihn nachträglich vor Gericht zu stellen) und seit Kurzem auch Michael Jackson.
 

2. Gesellschaft

Tote Briefkästen: Verstecke für geheime Übergaben, die in Zeiten des Internets leider immer mehr in Vergessenheit geraten. Ausser man machts wie Aram Bartholl: Der Medienkünstler hat auf der ganzen Welt sogenannte «Dead Drops» verteilt, eingemauerte USB-Sticks in Wänden im öffentlichen Raum, an die man seinen Computer stecken und Dateien anzapfen kann.

Ein Exemplar eines «Dead Drop» des Künstlers Aram Bartholl.

Ein Exemplar eines «Dead Drop» des Künstlers Aram Bartholl. (Bild: Flickr)

In Basel soll es auch ein paar davon geben – wobei die letzte Spurensuche der Autorin im Herbst 2015 erfolglos verlief. Bei Funden bitte gerne melden!

Ikea-Effekt: Wieso ist Ikea so unglaublich erfolgreich? Deshalb. (Weiteres Effekt-Schmankerl: Wieso ist die TV-Serie «CSI» so unglaublich unbeliebt an amerikanischen Gerichten?)

Zuckerbäcker ohne Grenzen: Die «Biotic Baking Brigade» führt Torten-Attentate auf hochstehende Person aus Politik, Sport und Kunst aus. Prominentes Beispiel: Bill Gates. 

Islands Elfenbeauftragte: Bevor in Island gebaut wird, kommt die Elfen-Beamtin Erla Stefánsdóttir und checkt die Umgebung nach etwaigen Lichtfeen, Gnomen und Trollen ab.
 

3. Sprache und Schrift

Lexikon-Enten: In jedem Wörterbuch gibt es mindestens einen frei erfundenen Eintrag.

Heavy-Metal-Umlaut: Das soll also das Ö in Motörhead.

Kein Unterschied zwischen «Grün» und «Blau»: In Asien sind alle Meere grün bzw. blau bzw. beides.
 

4. Individuen

Lawnchair-Larry: Larry aus Kalifornien wollte schon immer fliegen, wurde aber aufgrund seiner schlechten Augen nicht zur Pilotenschule zugelassen. Also band er sich ein paar Helium-Wetterballons um seinen Verandastuhl – und stieg aus Versehen knapp 5000 Meter in die Höhe (geplant waren 30 Meter). Vor lauter Aufregung verlor er dabei sein Gewehr, nicht ohne jedoch zuvor ein, zwei Ballons anzuschiessen, in ein Netz von Stromkabeln zu driften und einen zwanzigminütigen Stromausfall in Long Beach zu verursachen. So konnte er sich wenigstens unversehrt auf den Boden zurückhangeln – wo schon die Polizei auf ihn wartete.

Eija-Riitta Wallis Winther Arja Nikki Lee Eklöf: Heiratete die Berliner Mauer und heisst jetzt Eija-Riitta Eklöf-Berliner-Mauer.

 

18 Jahre lang Bewohner des Pariser Flughafen – Mehran Karimi Nasseri: Die wahre Geschichte hinter dem kitschigen Tom-Hanks-Streifen.
 

5. Kulinarisches

Europäische Gurkenverordnung: Bis 2009 durften «Extra»-Gurken maximal eine Krümmung von zehn Millimetern auf zehn Zentimetern Länge aufweisen.

Rechtswidrige Gurke.

Rechtswidrige Gurke.

Modern Toilet: Ihr nervt euch darüber, dass in all den Szenebeizen keine richtigen Teller mehr benutzt werden? Seid froh, seid ihr nicht in Hongkong: leckere Muschelspaghetti frisch aus der Toilette.

Nacktarsch: Und zu den Spaghetti aus der Toilettenschüssel etwas Wein aus dem Nacktarsch.
 

6. Kunst und Musik

Die Bacon-Zahl: Wenn Filmnerds am Werk sind.

Der Wilhelmsschrei: Der meistverwendetste Schrei der Filmgeschichte – 217 Filme und kein Ende in Sicht.

Das Helikopter-Streichquartett: Hohe Musik.

Kim Jong-il als Filmproduzent: 1978 wurde der südkoreanische Filmregisseur Shin Sang-ok von Kim Jong-il nach Nordkorea entführt, um die nordkoreanische Filmlandschaft zu bereichern. Kim Jong-il war ein grosser Filmliebhaber, aber unzufrieden mit den «gefälligen» Leistungen der heimischen Regisseure. Shin Sang-ok drehte in seiner Gefangenschaft insgesamt sechs Filme. 1986 gelang ihm zusammen mit seiner Ex-Frau, einer Schauspielerin, die er auf Druck Kim Jong-ils wieder hatte heiraten müssen, die Flucht. (Für alle, denen Wikipedia nicht genug ist: hier gibts eine grossartige (englischsprachige) Podcastfolge dazu.) 
 

7. Verschwörungstheorien

Men in Black: Nein, nicht der Film.

Foo Fighters: Nein, nicht die Band.

Paul is Dead: Weisen die vielsagenden Beatles-Covers etwa auf den Tod Paul McCartneys hin?

Kann doch fast kein Zufall sein.

Kann doch fast kein Zufall sein.

 

* Biologie, Geografie, Wissenschaft etc. wurden aus Gründen der Ressortreue ausgespart, sind aber unbedingt auch Klicke wert.

 

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