Zucken, Kreischen, Stottern, Fallen

Grell, schrill, laut und ziemlich chaotisch: Mit der Produktion «Letzte Welten» präsentiert die Basler Postdramatik-Truppe Klara einen körperbetonten, letztlich aber ziemlich belanglosen Reigen um eine Welt, die von Katastrophen, Krisen und katastrophalen Versuchen, diese Krisen zu bewältigen, durchgerüttelt wird.

Zucken und Fallen: «Letzte Welten» von Klara

Nun hampeln und strampeln sie wieder: Zusammen mit dem PVC Tanztheater Freiburg kämpfen die wackeren Theateraktionisten von Klara mit «Letzte Welten» in der Reithalle der Kaserne Basel gegen den Weltuntergang an und stolpern dabei auch inhaltlich über die eigenen Füsse.

Trostlos die Welt, die sich auf solche Katastrophenmanager verlassen muss. Auf dem grossen runden Sitzungstisch türmen sich die nutz- und wirkungslosen Papierberge wochenlanger Krisensitzungen. Rund um den Tisch herum wanken die festlich gekleideten Weltenretter im eingezäunten Konferenzzentrum im totalen Erschöpfungszustand hin und her, immer wieder von Schlafapnoe-Anfällen wachgerüttelt, die sich mehr und mehr zu epileptischen Anfällen steigern. Zuckend, kreischend, stotternd und immerfort fallend kämpfen die bedauernswerten Figuren gegen das dröhnende Jammertal einer von andauernden Krisen und Katastrophen ramponierten Welt an, die hier durch die Noise-Rock-Klänge von Martin Schütz und Beni Weber ihren akustischen Ausdruck verliehen bekommt. Das Publikum bekommt den sprichwörtlichen Tanz auf dem Vulkan vorgesetzt.

Oder ein «Physical theatre», wie Klara sein Spiel nennt. Das ausgesprochen körperbetonte abstrakte Spiel ist das Markenzeichen der Basler Truppe rund um Regisseur Christoph Frick, die es seit den frühen 1990er-Jahren gibt und damit zu den beständigsten Exponenten der freien Szene gehört. Für die aktuelle Produktion «Letzte Welten», die von der Kaserne Basel zusammen mit dem Theater Freiburg und AUAWIRLEBEN Bern koproduziert wurde, hat sich Klara mit dem PVC Tanztheater Freiburg und dem australischen Choreografen Gavin Webber zusammengeschlossen.

Platt und aufgesetzt

Das war an und für sich keine schlechte Entscheidung, denn getragen von der eindrücklichen Musik des Elektro-Cellisten Martin Schütz, die sich zwischen Noise-Rock und Avantgarde-Jazz bewegt, sorgen die Tänzerinnen und Tänzer massgeblich für die packenden Momente des Abends – Momente, die allerdings nicht sehr zahlreich sind. Etwa wenn sich zwei der Tänzerinnen auf dem Konferenztisch, der zur rasant rotierenden Drehbühne mutiert, zum Endzeit-Pas de deux oder tänzerischen Kampf der Untoten treffen. Dieses geschieht kurz vor dem Schluss des Abends, der – «Ich will das Kontinuum des Falschen und Schlechten verlassen» – in den sozialkitschigen Sphären der geläuterten Menschen endet, die die Galaklamotten des Kapitalismus ablegen und sich Kinderstrumpfhosen aus Wolle überziehen.

Aber wahrscheinlich ist dies ironisch gemeint, eine Ironie, die nach ermüdenden 100 Minuten Zucken, Kreischen, Stottern und Fallen nicht mehr aufzurütteln vermag. Gewiss: Die Klara-Leute beherrschen das Spiel der extremen körperlichen Verrenkungen. Nichts gegen Trashtheater. Durch die stetige Wiederholung der immer gleichen Bewegungsabläufe kommt aber wenig bis sehr wenig dramaturgische Spannung auf. Die Endlos-Schleife mit Delirium, Zusammenbruch und kurzer Atempause wirkt auf die Dauer platt und aufgesetzt. So wie die eingestreuten Textbausteine wie „Wir gehen gestärkt aus der Krise hervor“ oder „Eine gute Regierung ist eine Regierung, unter der nichts geschieht“, die isoliert und unkommentiert vorgebracht nicht mehr sind als eben platt und aufgesetzt.

Die Wirklichkeit ist spannender

Zurück in der wirklichen Welt lesen wir wieder von den Polit- und Wirtschaftskrisen rund um Hildebrand/Blocher/Wulff etc., wo beiläufige Währungsgewinne in der Höhe von 75’000 Franken als „marginal“ bezeichnet werden, erfahren wir von Machtspielen und Intrigen, von Börsengewinnlern und Arbeitslosen, allesamt Geschichten, die ungleich spannender sind, als das, was man in der Reithalle erlebt hat.

«Letzte Welten»

Klara, Theater Freiburg und PVC Tanz

Regie: Christoph Frick; Choreografie: Gavin Webber; Musik: Martin Schütz; Dramaturgie: Clarissa Herbst

Mit: Marie Bonnet, Johanna Eiworth, Kate Harman, Alice Hinde, Mathias Lodd, Dominique Rust, Martin Schütz, Beni Weber, Gavin Webber, Michael Wolf

Weitere Vorstellungen:

Sa 7.1. bis Di 10.1.

in der Reithalle der Kaserne Basel

 

 

 

 

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