«Zürich ist bei der Sauberkeit mein Vorbild»

Der Leiter der Stadtreinigung, Alexander Isenburg, ist zuversichtlich, dass Basel sauberer wird – trotz Littering-Saison. Eine neue Sauberkeitsphilosophie soll es richten.

«Auch auf dem Bruderholz wird wild deponiert»: Alexander Isenburg, Leiter der Basler Stadtreinigung (Bild: Sandra Amport)

Der Leiter der Stadtreinigung, Alexander Isenburg, ist zuversichtlich, dass Basel sauberer wird – trotz Littering-Saison. Eine neue Sauberkeitsphilosophie soll es richten.

Litterer aufgepasst! Das Team von Stadtreinigungs-Leiter Alexander Isenburg beim Tiefbauamt wird noch präsenter sein am Rheinufer. Damit steigt das Risiko, durch Abfallkontrolleure des Amtes für Umwelt und Energie (AUE) für wildes Abfall­entsorgen gebüsst zu werden. Gleich­zeitig macht Isenburg nicht den Eindruck, als wolle er durch Repression die Leute erziehen. Ganz ohne scheint es aber doch nicht zu gehen.

Herr Isenburg, Sie sind wohl der einzige Mensch in Basel, der sich nicht auf den Sommer freut.

Doch, ich freue mich! Ich liebe den Sommer. Als ich 1997 hierher zog, um zu studieren, dachte ich: Diese Stadt ist tot! Inzwischen beobachte ich das Gegenteil. Ich denke etwa an das Rheinufer mit seinen Buvetten.

Sie sprechen eine Zone an, die Sie auch beruflich beschäftigt.

Die Buvetten am Rhein sind für uns ein Hotspot. Vor allem zu später Stunde, wenn sie geschlossen sind. Das Ziel der Stadt, dass die Buvetten zu mehr Ordnung und Sauberkeit am Rhein beitragen, wurde weitgehend erreicht. Nachts jedoch geht es trotzdem immer noch wild zu.

Die Buvettenbetreiber und deren Gäste nehmen Ihnen Arbeit ab?

Zum Teil schon. Und ich finde, alle Take-away-Betreiber sollten gleich handeln wie die Buvettenbetreiber und sich um Sauberkeit bemühen.

Buvetten hin oder her: Am Rhein sieht es oft verheerend aus.

Mit steigendem Pegel vernachlässigen Besucher Sauberkeit, lassen Flaschen und Pizzaschachteln liegen …

… obwohl die Stadtreinigung überall unübersehbare, grosse blaue Container aufgestellt hat.

Wir würden gern eine psychologische Studie in Auftrag geben, um herauszufinden, weshalb die Leute ihren Abfall liegenlassen, obwohl die grossen Behälter danebenstehen.

Was bringt eine solche Studie – ausser eine Menge Ausgaben?

Wir haben sie noch nicht in Auftrag gegeben, es wäre aber interessant zu wissen: Warum littern die Leute?

Die Container werden von der Stadtbildkommission kritisiert. Wäre es nicht besser, Geld für schöne Behälter auszugeben?

Wir sind dran. Beim Messeplatz etwa haben wir bereits unterirdische Behälter installiert. Und zwar unter den normalen Chromstahl-Abfall­kübeln, von denen es 1900 gibt. Der Behälter hat ein Fassungsvermögen von tausend Litern. Das planen wir auch in der Zukunft am Rheinbord.

Merkt der Abfall-Entsorger, dass der vermeintlich kleine Behälter unten enorm viel Platz birgt?

Nein, die Kübel sehen normal aus.

Wenn das jedoch die Lösung sein soll – weshalb stehen die blauen Container überhaupt noch da?

Das Problem ist: Die kleinen Kübel werden übersehen, die blauen nicht. Dennoch ist es einen Versuch wert, das System auch am Rhein auszupro­bieren. Das möchten wir an der Neugestaltung des Schaffhauserrheinwegs testen. In der Hoffnung, uns irgendwann von den blauen Con­tainern verabschieden zu können.

Abgesehen davon, dass diese hässlich sind, finden Ihre Leute darin kiloweise Hausabfälle.

Zum Teil ist die Hälfte mit Haus­abfällen gefüllt. Das ist ein Problem.

Je mehr Entsorgungsmöglichkeiten Sie anbieten, desto g­rösser wird dieses Problem.

Das ist so. Allerdings bieten wir diese nur im Sommer an, um die enormen Abfallmengen auffangen zu können. Die Schwarzentsorgung wird so aber schwieriger, denn die Chromstahl-Kübel sind zu klein für Müllsäcke.

Wie gehen Sie gegen diese illegalen Abfallentsorger vor?

Wir arbeiten mit dem AUE zusammen und melden den Abfallkontrolleuren, wo jemand seinen Müll wann illegal entsorgt. Die Leute von der Stadtreinigung wissen häufig schon, wer dahintersteckt, sie haben jedoch keine Möglichkeit, einzugreifen. Das soll sich durch eine engere Zusammenarbeit mit dem AUE ändern.

Was heisst das?

Die Abfallkontrolleure haben bereits jetzt die Kompetenz, Bussen zu verteilen. Es ist angedacht, dass sie zum Teil auch mit den Stadtreinigern ­gemeinsam auf Tour gehen, was die Chance erhöht, jemanden in flagranti zu erwischen.

Bisher haben die Kontrolleure zehn Bussen pro Monat verteilt, was ein Tropfen auf den heissen Stein ist. Warum haben sie nicht von Anfang an mit den Stadtreinigern zusammengearbeitet?

Die zusätzlichen Kontrolleure für Littering sind erst ein halbes Jahr im Amt. Sie mussten sich zuerst einarbeiten. Abgesehen vom Bussenverteilen haben sie in dieser Zeit Hunderte Leute angesprochen und ermahnt.

Ist die Zusammenarbeit Teil der neuen Sauberkeitsphilosophie, die per 1. April in Kraft tritt?

Die Zusammenarbeit ist bereits ­etabliert. Jetzt wird sie ans neue Konzept angepasst: Wir planen vier Sauberkeitsgebiete mit entsprechenden Teams. Die Chefs dieser Teams sollen situativ handeln, wenn irgendwo eine grosse Verschmutzung vorhanden ist. Ausserdem sollen die Teams als Ansprechpersonen für die Quartierbevölkerung dienen.

Es wird doch jetzt schon geputzt?

Neu soll der Teamleiter entscheiden können, zuerst beispielsweise die Überreste einer Party wegputzen zu lassen und sich erst danach um eine eigentlich bereits saubere Strasse zu kümmern. Früher gab es keine gros-sen Verschmutzungen, weshalb der Fokus auf der Grundreinigung lag. Die Leute hielten sich wenigerdraussen auf. Das ist mit der Mediterranisierung anders geworden.

Kann das nicht auch ein Schuss in den Ofen sein? Wenn Partymacher merken, dass da sowieso jemand kommt – warum sollten sie ihren Dreck selber putzen?

Wir übernehmen teilweise Aufgaben der Elternstube. Und es gehört zu unseren Aufgaben, den Leuten immer wieder hinterherzuputzen. Wir weisen sie gleichzeitig darauf hin, wie man richtig entsorgt. Wobei das zu brenzligen Situationen führen kann.

Sie sprechen die Nacht an? Dann sind Ihre Leute und die Kontrolleure ja gar nicht unterwegs.

In der Nacht ist es tendenziell gefährlich. Die Kontrolleure sind dafür nicht ausgerüstet und ausgebildet.

Wir haben zwei Themen an­geschnitten: Littering und die wilden Deponien. Beides scheint schlimmer zu werden.

So dramatisch sehe ich das nicht. Wir sind nicht in Neapel. Die ­Medien finden das Thema jedoch oft nur in seiner negativen Auswirkung interessant. Es gibt aber schon Strassen, die negativ auffallen mit den wilden Deponien. Allerdings stecken oft dieselben Verursacher dahinter.

Das wissen Sie so genau?

In etlichen Fällen finden die Kontrolleure heraus, wer den Müll deponiert hat. Nun wollen wir die Kontrollen mit dem AUE optimieren.

Ist Müll entsorgen so schwierig?

Eigentlich nicht: Man muss den Hausabfall in einen Bebbi-Sagg ­stecken und zur richtigen Zeit vor die Tür stellen. Den Rest bringt man zu den entsprechenden Sammel­stellen, ausserdem stehen zwei ­Re­cyclingparks zur Verfügung und es gibt die Sauberkeitshotline für ­Hinweise und Fragen (Telefon 061 385 15 15, Red.) Dass Neuzuzüger mit diesem System Mühe haben können, verstehe ich.

Mit den neuen Sauberkeitsgebieten wird es noch komplizierter.

Warum? Das Einzige, was sich für die Leute ändert, sind je nach Quartier die Abfuhrtage. Wer jetzt beispielsweise Montag und Donnerstag hat, kann künftig Dienstag und Freitag haben – das teilen wir aber mit.

Das Chaos ist programmiert.

Das glaube ich nicht. Wir werden mit Aufklebern agieren und anfangs kulant sein.

Sie nannten Neapel als Negativbeispiel, aber gerade in Italien gibt es Sammelstellen, bei ­denen alle Abfallarten an einem Ort entsorgt werden können – auch Pet. Warum ist es hier nicht möglich, Pet-Flaschen beim Glascontainer zu entsorgen?

Die Entsorgung von Pet ist über den Verein Pet-Recycling organisiert. Alles ist über den Handel ­ge­regelt. Da können wir uns nicht ein­mischen.

Aber genau darum liegen überall Pet-Flaschen herum – weil häufig die Stationen fehlen.

Pet-Recycling ist dabei, mehrere ­solcher Stationen aufzustellen. Aber es stimmt: Wer nachts aus einer ­Pet-Flasche trinkt, lässt diese oft liegen.

Auch nachmittags ist es nicht einfach: Wenn ich mit einer Pet-Flasche über die Mittlere Brücke gehe und die Flasche am anderen Ende der Brücke leer ist – was mache ich dann damit?

Im Zweifelsfall werfen Sie die ­Flasche lieber in einen öffentlichen Abfallbehälter, als sie auf den Boden zu schmeissen. Wobei nach der ­Mittleren Brücke gleich die Manor kommt … (lacht).

Ziemlich aufwendig, wegen ­einer einzigen Pet-Flasche in den Keller der Manor zu gehen …

Zugegebenermassen: ja. Wobei der Kiosk oben am Eingang bestimmt ­einen Pet-Behälter hat.

Zu Beginn des Gesprächs haben Sie die Buvettenbetreiber im ­Gegensatz zu Betreibern von Take-aways lobend erwähnt. Wo liegt das Problem bei den Take-aways?

Häufig positionieren die Betreiber vor ihren Geschäften keine Abfall­kübel. Wir würden sie dabei unterstützen, denn damit wäre allen gedient.

Die Betreiber wissen vielleicht nicht, dass Sie ihnen helfen.

Betreiber solcher Läden anzusprechen wird ebenfalls zu den Auf­gaben der neuen Teamleiter gehören.

Die Stadtreinigung ist aktiv in der Bekämpfung einer schmutzigen Stadt – sogar Werbeaktionen mit Stars werden gemacht. Was bringen Präventivaktionen?

Der grösste Nutzen ist es, die Stadtreinigung und deren Mitarbeiter bekannt zu machen. Die Bevölkerung soll wissen, wer um vier Uhr aufsteht und die Stadt sauber macht. Ob es sonst was bringt – darüber kann man streiten. Mit dem «Suuber-Song» beispielsweise konnten wir viele Kinder erreichen.

Die Frage ist nur, ob die Leute ihr Verhalten dann auch ändern.

Ich denke schon, dass Kampagnen das Verhalten der Menschen positiv beeinflussen. Mein zweijähriger Sohn beispielsweise schaut sich derzeit ständig ein Kinderbuch an, das ich ihm aus Berlin mitgebracht habe. Die dortige Stadtreinigung hat das Buch zum Thema Sauberkeit herausgegeben und ist erfolgreich damit.

In manchen Quartieren ist es so sauber, dass man meinen könnte, es bräuchte gar keine Stadtreinigung. Wo sind die Brennpunkte des Littering-Problems?

Das Kleinbasel oder das St. Johann stellen für unsere Mitarbeiter sicher eine grössere Herausforderung dar als Quartiere wie das Bruderholz.

Wollen nun, mit der Aufteilung in Gebiete, alle Ihre Mitarbeiter auf dem Bruderholz arbeiten?

(Lacht). Ganz so einfach ist es nicht: Die Bewohner des Bruderholz haben zwar oftmals mehr Geld als der durchschnittliche Bewohner des Kleinbasels – aber auch auf dem Bruderholz wird wild deponiert, auch dort stehen statt Bebbi-Sägge schwarze Müllsäcke auf der Strasse.

Ach ja?

Das wilde Deponieren ist unabhängig vom Einkommen. Auch Leute auf dem Bruderholz denken: Die holen den Müll dann schon irgendwann.

Stimmt eigentlich ja auch. Warum muss ich also Geld für Müllsäcke ausgeben, wenn Ihre Leute auch andere Säcke mitnehmen?

Wir tun das ja nur, weil es unhygienisch wäre und stinken würde, den «illegalen» Müll einfach stehen zu lassen. Gleichzeitig kontrollieren wir die Säcke aber auch – und der Ver­ursacher muss mit einer Busse rechnen.

Wie hoch sind diese Bussen?

Bis zu 200 Franken.

Sie haben öffentlich schon mehrfach erwähnt, dass Sie sich eine Containerpflicht für Hausbesitzer wünschen. Warum?

Die Strassen wären sauberer. Es gäbe weniger Tiere, welche die herumstehenden Bebbi-Sägge anfressen. Das sieht man bei den bestehenden Containern, die Bewohner der entsprechenden Häuser haben keine derartigen Probleme mehr. Wir sind derzeit gemeinsam mit dem AUE dabei, einen Bericht zum Thema zu verfassen. Darin wollen wir der Regierung auch die betriebswirtschaftlichen Vorteile solcher Container darlegen. Eine Abfuhr in der Woche würde reichen. Ausserdem werden viele Mitarbeiter krank wegen der Schlepperei der Kehrichtsäcke. Auch da könnten wir Kosten einsparen.

Neulich wurde ein «Littering-Rappen» diskutiert, weil oft ­weder Prävention noch Bussen nützten. Wäre das die Lösung?

Es wäre wie eine vorgezogene Re­cycling-Gebühr, insofern ist es keine schlechte Idee. Die Stadt würde für die litteringbedingten Reinigungskosten entschädigt. Der Konsument aber würde sein Verhalten deswegen nicht ändern, im Gegenteil. Er würde sagen: Ich zahle sowieso, also ­sollen es die anderen reinigen.

Sie reisen häufig in andere Städte, um dortige Sauberkeitskonzepte kennenzulernen. Welche Stadt ist Ihr Vorbild?

Zürich.

Zürich? Das sagen Sie in Basel?

Ja, Zürich. Und Wien.

Was machen die dort besser?

Ich weiss es nicht. Es ist einfach ­immer sehr sauber dort. Und die Kollegen machen es natürlich auch gut.

Ist es also Ihr Ziel, Basel bis in zehn Jahren so sauber wie ­Zürich zu haben?

Basel soll erstklassig sein. Ausserdem hoffe ich, dass bis dann das Containerkonzept umgesetzt ist.

Alexander IsenburgDer 36-jährige Deutsche Alexander Isenburg verliess seine Heimat Freiburg im Breisgau 1997, um in Basel Wirtschaft zu studieren. Während der Ausbildung jobbte er in einer Recyclingfirma in Allschwil. Dort gefiel es ihm so gut, dass er auch nach Abschluss des Studiums blieb.Im Jahr 2006 bewarb er sich bei der Stadtreinigung des Bau- und Verkehrsdepartements um eine Stelle als stellvertretender Leiter der Abfallentsorgung. Zwei Jahre später stieg er zum Leiter Stadtreinigung auf.Alexander Isenburg ist verheiratet und hat einen zweijährigen Sohn. Die Familie lebt in Rheinfelden im Fricktal. In seiner Freizeit schaut sich Isenburg gern Heimspiele des SC Freiburg an, wobei er auch den FC Basel sehr gern mag.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 29.03.13

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