300 Schülerinnen und Schüler eröffnen das Musik-Festival «Zeiträume»

Heute Donnerstagabend eröffnen 300 Schülerinnen und Schüler im Basler Münster das Festival «Zeiträume». Sie bringen James Clarkes «2015-M» zur Uraufführung – ein Stück, in dem sogar Natels mitspielen dürfen.

(Bild: Ketty Bertossi)

Heute Donnerstagabend eröffnen 300 Schülerinnen und Schüler im Basler Münster das Festival «Zeiträume». Sie bringen James Clarkes «2015-M» zur Uraufführung – ein Stück, in dem sogar Natels mitspielen dürfen.

Es ist ein fast unwirklicher Klang, der durch das Basler Münster hallt. Aus allen Ecken scheint es zu murmeln und zu flüstern. Der Sound wird getragen von einem sphärischen, vieltönigen Wasserglaston, Konturen verschwimmen im Hall. Der Klang ist überall und nirgendwo greifbar.

Sechs Schülerchöre und acht Posaunisten – Mitglieder des Ensembles Trombone Unit Hannover – sind für diesen Klang verantwortlich. Manche von ihnen sind in den Emporen nahezu unsichtbar platziert, andere sitzen in den Seitenschiffen oder hinter dem Altar. Jeder Chor hat zwei Dirigenten. Sie zeigen mit Gesten, welcher Sound gerade erzeugt werden soll: In die Flasche blasen, das Wasserglas reiben oder anschlagen, klatschen, jauchzen, schreien – oder singen. Sogar das Natel wird immer wieder gezückt: Fünf Sekunden lang soll jeder Schüler seinen Lieblingssong auf dem Natel abspielen, dabei mitsingen und den letzten Ton aushalten. So entsteht ein ganz neuartiger Clusterakkord, vielschichtig und unwirklich zugleich.

Ein «spezielles» Stück

Als das Stück zu Ende ist, jubeln die Jugendlichen euphorisch. Auch für sie ist es das erste Mal, dass sie das Stück gemeinsam mit den Posaunisten hören. Viel geprobt haben sie nicht: Zwei Proben an der Schule, zwei im Münster. Kompliziert sei das Stück nicht, sagt Petra (17) aus Muttenz: «Es hat mehr mit Konzentration zu tun», sagt sie. Die Dirigenten geben im Moment an, was zu spielen oder zu singen sei, darauf müsse man achten.

Auf die Frage hin, ob ihnen das Stück gefalle, antworten die meisten: «Es ist speziell.» Hannah (17) erklärt: «Wir sind uns halt etwas anderes gewohnt: klassisch singen oder Pop-Lieder.» Aber Petra fügt hinzu: «Es ist eigentlich ein cooles Stück.»

Komponist James Clarke ist voller Hochachtung für die jungen Sängerinnen und Sänger: «Ich bin sehr glücklich, wie es klingt. Die Chorleiter haben sehr hart gearbeitet mit den jungen Sängern.»

Posaunen und Chöre

Seine Komposition hat Clarke genau auf die Architektur des Münsters abgestimmt. Als er den Kompositionsauftrag erhielt, reiste er nach Basel, um das Münster in seiner Klanglichkeit zu erforschen. Befreundete Musiker haben ihm dabei geholfen, verschiedene Klänge produziert, verschiedene Aufstellungen getestet. So wusste Clarke schon vor der Komposition, wo die verschiedenen Chöre und die Posaunisten positioniert werden sollen. Das Stück sei dennoch auch in anderen Kirchenräumen mit ähnlichen akustischen Verhältnissen aufführbar, ist Clarke überzeugt.

Über die Probenarbeit mit den Chören aus den Gymnasien Leonhard, Kirschgarten, Muttenz, Oberwil und Münsterplatz sagt Oliver Rudin, der die Gesamtleitung innehat: «James Clarke hat das Stück so konzipiert, dass man nicht viel proben muss. Es soll im Moment entstehen.» Für die Aufmerksamkeit der Schüler ist das ein Vorteil, denn sie lernen in jeder Probe das Stück in einer neuen Dimension kennen: «Clarke spielt ja mit der Massenwirkung, und die kommt erst jetzt, im Münster, mit allen sechs Chören und den Posaunisten zur Geltung.»

«Die Schülerinnen und Schüler haben mit offenen Ohren mitgemacht.»

Auch Rudin ist vom Engagement der Schülerchöre begeistert: «Auch wenn das ganz neue Musik für die meisten ist: Sie haben mit offenen Ohren mitgemacht. Natürlich mussten wir ihnen das Konzept pädagogisch und künstlerisch erklären, aber das ist bei erwachsenen Künstlern nicht anders», so Rudin. «Sie haben es verstanden und versuchen nun, diese Wirkung auch herauszuholen.»

Auch der Festivalintendant Bernhard Günther lobt in einer Ansprache die Klangwirkung der jungen Künstler: «Wenn 350 Schüler zusammen etwas machen, das so präzise ist wie dieses Stück – das ist einfach wow!» Er ist stolz darauf, dass eine wichtige Uraufführung des Jahres in Basel stattfindet – und der Kooperationspartner, die für neue Musik wichtigen Donaueschinger Musiktage, ihnen diese Uraufführung überlassen hat.

Die Choristen sind auch bei der Verleihung des Schweizer Musikpreises dabei. Zwei Teilstücke aus Clarkes Komposition werden am Freitag gespielt – und vom Schweizer Fernsehen übertragen. Dass neue Musik für einmal eine solch grosse Plattform erhält, ist nicht zuletzt dem neuen Festival «Zeiträume» zu verdanken.
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«Zeiträume»-Eröffnung: Münster, Basel, 10. September, 20 Uhr. 

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