Wie gehen Künstler mit den komplexen Räumen des Kunsthauses Baselland um? Diese Frage stellte Direktorin Ines Goldbach. Die Antworten von Karin Hueber, Boris Rebetez, Felix Schramm und David Keating überzeugen – und könnten unterschiedlicher nicht sein.
Kaum angetreten als neue Direktorin des Kunsthauses Baselland, kündigte Ines Goldbach an, sie wolle vor allem mit den Räumen des Hauses arbeiten. Beziehungsweise arbeiten lassen, die Künstler nämlich. Und bereits in ihrer ersten richtigen Ausstellung tut sie das nun, und zwar gleich kräftig – auch wenn der Gesamteindruck am Schluss ein äusserst minimalistischer ist.
«4 Solos» präsentiert Goldbach, wobei man auch fünf zählen kann, wenn man die Arbeit von Bianca Pedrina an der Aussenfassade mitzählt. Die anderen vier stammen von Karin Hueber, Felix Schramm, Boris Rebetez und David Keating. Sie alle haben sich einen Raum im Kunsthaus ausgewählt und dafür eine Arbeit geschaffen, gänzlich unabhängig voneinander. Schauen wir sie uns also einzeln an.
Solo #1: Karin Hueber
Das Kunsthaus Baselland verfügt über aussergewöhnliche Räume. Da ist ein langgezogener Anbau, der mit seinen grossen Fenstern fast schon ein Aussenraum ist. Da sind die Kabinetträume, klein und eher dunkel. Da ist das Untergeschoss, das aus mehreren Räumen besteht. Und da ist das Erdgeschoss, verwinkelt, mit den Treppen, die nach oben und unten führen, mit tragenden Säulen. Keine einfachen Voraussetzungen.
Die Baslerin Karin Hueber hat sich des verwinkelten Komplexes im Erdgeschoss angenommen. Wer den Eindruck hat, er befinde sich in einer Turnhalle, wenn er diese mehrteilige Installation betritt, der liegt gar nicht so falsch.
Die Räume, die sie gewählt hat, zeichnen sich dadurch aus, dass man sie immer wieder durchquert, wenn man alle Teile des Kunsthauses besuchen will. Diesen Bewegungscharakter hat Hueber in ihr Werk aufgenommen und eine Art Turnplatz kreiert aus Holzobjekten und dicken, von der Decke hängenden Seilen.
Spuren an den Wänden verraten, dass diese Objekte tatsächlich schon benutzt wurden – die Künstlerin hat Parkour-Traceure eingeladen, die Skulpturen zu «aktivieren», wie sie das nennt.
Die Objekte mit dem Titel «Obstacles», also «Hindernisse», sind dabei absichtlich abgerundet und in Pastelltönen gefärbt. Sie kontrastieren damit die scharfen Ecken und Kanten, die im Raum vorherrschen, und schmiegen sich an Wände oder Pfeiler oder richten sich aus dem Boden auf. Manch eines imitiert in seinem Verlauf eine menschliche Bewegung oder Geste. Die Formen wurden von Hueber mit freier Hand skizziert und dann mittels Computer auf Holz übertragen – die künstlerische Handschrift bleibt so erkennbar.
Solo #2: Boris Rebetez
(Bild: Gina Folly)
Von Karin Huebers Installation aus führt eine Treppe hoch zur Einzelausstellung von Boris Rebetez, die sich über die drei kleinen Kabinetträume erstreckt. Man betritt sie durch den linken Eingang und durchwandert sie, einer Passage gleich.
«Columnist» nennt der in Basel wohnhafte Westschweizer seine Installation. Damit meint er nicht nur den Kolumnisten, der kommentiert und dem Leser im besten Falle einen anderen Blick auf eine Realität eröffnet, sondern auch schlicht den Pfeiler, den die Engländer mit dem Wort «column» bezeichnen.
Zwei solche Pfeiler hat er gleich in die Räume gebaut, sie sind gekachelt und erinnern an die Pfeiler in U-Bahnstationen. Doch bevor man sie umrundet, steht man zunächst einmal im ersten Raum. In dessen Mitte liegt in einem Glaskasten eine Art Plan. Von der richtigen Seite aus betrachtet, sieht man, dass es sich dabei wohl um den Grundriss eines Palastes handelt. Von derselben Stelle aus blickt man durch die grossen Fenster nach draussen auf den St.-Jakob-Park mit seinen unterschiedlichen Fassaden.
Begibt man sich tiefer hinein in die Räume, so wird es immer dunkler, als durchwanderte man eine Unterführung. Am Ende dieser Passage werden schwarzweisse Fotos auf die Wand projiziert. 80 Bilder aus einem Palast sind es, welcher, das soll keine Rolle spielen, meint der Künstler.
Aus einer zeitgenössischen Skulptur heraus blickt der Betrachter auf die Vergangenheit. Rebetez macht Details sichtbar, die man vielleicht sonst nicht wahrnehmen würde. Und verhält sich so eben doch wie ein Kolumnist.
Solo #3: Felix Schramm
Der deutsche Künstler Felix Schramm hat im Untergeschoss des Kunsthauses eine Wand aufgebaut – und dann mit seinem Werk durchschlagen.
Zuerst sieht man nicht viel, wenn man die Treppe hinuntersteigt. Eine weisse Wand, in deren Mitte ein gezacktes Stück Holz aus einem Loch ragt. Man kann nun ganz schnell die Wand umrunden und gucken, was dahinter ist. Oder man guckt zuerst durch das kleine Loch. Dann sieht man, dass hinter der Wand mehr liegt als davor.
Schramm spielt mit Ein- und Durchblicken. Er nimmt nicht nur die vorhandenen Räume, sondern baut darin seine eigenen auf, mit den unterschiedlichsten Materialien von Holz über Glas bis Farbe. Die Arbeit hier beschreibt er als eher kleinformatig, für seine Begriffe. Meistens seien seine Installationen bis zu 40 Meter lang und auch im Innern begehbar.
Hier aber kann man nur um die Arbeit herum gehen, die unmittelbare physische Erfahrung bleibt uns deshalb leider vorenthalten. Sehen kann man trotzdem einiges, wenn man sich Zeit lässt, immer wieder durch Löcher guckt oder durch Spalten. Der Künstler führt dabei immer wieder den Blick des Betrachters, eröffnet ihm neue Perspektiven auf bereits Gesehenes oder neue Details.
Einige Teile dieser Installation stammen aus früheren Arbeiten des Künstlers. Indem er sie hier wieder verwendet, verändert er auch seine eigenen Sichtweise, seine eigene Perspektive. Es ist diese verdichtete (Raum-)Erfahrung, die er auf den Betrachter zu übertragen hofft.
Solo #4: David Keating
(Bild: Gina Folly)
Der Australier David Keating hat mich schon reingelegt, bevor ich das Kunsthaus betrat. Ein Teil seiner Arbeit steht draussen und spiegelt sich in den grossen Fensterscheiben des Annexes. Weil der zweite Teil drinnen aber fast schon das Spiegelbild des Teiles draussen ist, erhält man, wenn man nur flüchtig schaut, genau diesen Eindruck: ein im Fenster spiegelndes Werk, dahinter eine leere Halle.
Erst drinnen wird klar, dass im Raum selber auch etwas aufgebaut ist. Bei beiden Skulpturen handelt es sich um Konstruktionen aus schwarzen Stahl- und goldenen Messingrohren. Sie scheinen die Wand zu durchdringen und den Innen- mit dem Aussenraum zu verbinden.
Wie die anderen Arbeiten der Ausstellung auch ist Keatings Arbeit perfekt auf den Raum zugeschnitten. Wegen der grossen Fenster hat man im Annex immer wieder das Gefühl, fast schon draussen zu stehen. Der Raum hat sich zudem in der Vergangenheit immer wieder als schwer bespielbar herausgestellt. Keatings minimalistischer Eingriff scheint in diesem Sinne ideal, und man wünschte sich fast, man könnte ein Fenster öffnen und direkt nach draussen treten.
Solo #5 (4+1): Bianca Pedrina
(Bild: Karen N. Gerig)
Draussen würde man dann tatsächlich noch mehr Kunst finden. Man hat das Werk wohl schon bei der Ankunft gesehen – dem regelmässigen Besucher des Kunsthauses Baselland fällt es bestimmt ins Auge: Wo bis vor kurzem noch viel Pink erstrahlte, blickt man nun auf einen blauen Himmel mit einem kleinen weissen Wölkchen. «Cloud Atlas» heisst das Werk der Basler Künstlerin Bianca Pedrina, das nun als Jahresprojekt die Aussenfassade ziert.
Die Arbeit ist Teil einer Fotostrecke, welche Pedrina anlässlich des Projektes «100 Jahre Meret Oppenheim» entwickelt hatte. Pedrina stellt in ihren Werken immer wieder Fragen, die sich um Wahrnehmung drehen.
Was ist real? Die Frage stellt sich in Bezug auf das Medium Fotografie immer wieder. Da bietet es sich an, der abgebildeten Realität etwas Künstliches hinzuzufügen. In Bianca Pedrina «Cloud Atlas» sind es die sogenannten «lens flares» – Reflexionen der Kameralinse –, die diesen Effekt erzielen.
Steht man vor der Fassade und blickt an ihr hoch, so schweift der Blick in die realen Wolken. Gleichzeitig holt Pedrinas Arbeit den Himmel auf die Erde hinab. Was kann man mehr wollen.
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«4 Solos for the Kunsthaus Baselland», Kunsthaus Baselland, Muttenz. Bis 23. März. Vernissage Donnerstag, 23. Januar, 18.30 Uhr.