Seit 60 Jahren prägt das Migros-Kulturprozent das innovative Kulturschaffen in der Schweiz entscheidend mit. Auch in der Stiftungs- und Mäzen-Stadt Basel.
Wie viele es genau sind, lässt sich nur schwer eruieren, aber es müssen Hunderte von Plakaten, Programmzetteln und Flyern für Kulturveranstaltungen sein, auf denen das Logo des Migros-Kulturprozents prangt. Bei der aktuellen Produktion «iThink» der Theaterfalle Basel zum Beispiel, beim Summerstage-Festival im Grün-80-Park, beim Festival Wildwuchs, beim Kulturbüro Basel und und und.
Das Migros-Kulturprozent ist der potenteste private Player in der Schweizer Kulturförderung. Und das seit nunmehr 60 Jahren. 1957 liess Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler (1888–1962) in den Statuten des neu strukturierten Genossenschaftsbunds verankern, dass ein Prozent des Umsatzes des Migros-Genossenschafts-Bunds und jeweils ein halbes Prozent des Detailhandelsumsatzes der regionalen Genossenschaften in Bildung, Kultur und soziale Projekte fliessen müssen.
Fasnachts-Brunnen und Grün 80
Dieses weltweit wohl einmalige Konstrukt hat bis heute Bestand. Weit über vier Milliarden Franken flossen seither in die Klubschulen sowie in soziale und kulturelle Projekte. In und um Basel hat dieses Engagement deutliche Spuren hinterlassen: der Fasnachts- oder Tinguely-Brunnen am Theaterplatz zum Beispiel oder der Park im Grünen auf dem ehemaligen Grün-80-Gelände in Münchenstein.
Solche Leuchtturm- oder Mainstream-Beispiele sind aber nur ein Teil. Hier war und ist die regionale Genossenschaft aktiv, die sich bei ihren Fördermassnahmen eher auf etablierte Aktionen und populäre Veranstaltungen konzentriert: auf den Open-Air-Anlass Summerstage zum Beispiel, auf Produktionen des Theaters Basel wie Stefan Bachmanns «Tell» oder auf die Soul- und Blues-Reihe «Groove Now» im Atlantis – also eher Sponsoring-Massnahmen als vom Inhalt her definierte Kulturförderung.
Treibstoff für das innovative Kulturschaffen
Anders präsentiert sich das Kulturengagement des nationalen Migros-Genossenschafts-Bunds mit Sitz in Zürich. Hier liegt der Fokus ganz klar in der Förderung des innovativen Kulturschaffens und des Künstler-Nachwuchses sowie im Aufspüren und Vorantreiben von Trends. Hierfür stehen pro Jahr gut 30 Millionen Franken zur Verfügung – mehr als jedem anderen privaten Schweizer Player in der Kulturförderung. Ausgenommen die schwerstreichen Mäzeninnen von Basel, die mit Einzelaktionen diese Summe auch mal klar übertreffen können.
Das heisst, dass das Kulturprozent nicht nur auf Förderanträge von Institutionen und Kulturschaffenden reagiert – auch das wird fleissig getan –, sondern eigene und spezielle Gefässe schafft, die zum Inhalt haben, das Kulturleben über ein Projekt oder den Tag hinaus zu fördern und zu beleben.
Hilfe zur Selbsthilfe
Ein spezielles Beispiel hierfür ist das Residenzprojekt «watch & talk», das den ungewöhnlichen Untertitel «Luxus des unproduktiven Denkens» trägt. «watch & talk» soll Theaterschaffende für eine gewisse Zeit vom Produktionsdruck befreien und ihnen den Freiraum schaffen, sich gemeinsam Produktionen anzusehen und sich darüber auszutauschen.
Das ist eine einzigartige und überaus originelle Idee, die zeigt, dass nicht nur das Kulturschaffen, sondern auch die Kulturförderung kreativ und fantasievoll sein kann.
Weniger explizit originell, aber aus den urbanen Schweizer Kulturszenen nicht mehr wegzudenken sind die Kulturbüros in den Städten Bern, Zürich, St. Gallen, Genf und Basel. Das sind Zentren der Künstler-Selbsthilfe, wo Produktions-Infrastruktur zur Verfügung steht, Workshops stattfinden und elektronisches Equipment ausgeliehen werden kann.
Schwerpunkt Talentförderung
Kultur wird von der Zürcher Zentrale aus aber auch auf klassischere Art und Weise gefördert, wobei hier der Schwerpunkt ebenfalls auf Innovation und darüber hinaus auf dem Nachwuchs liegt. Unter dem Titel «Digital Brainstorming» schuf das Kulturprozent eine Plattform für digitale Kultur und Medienkunst in einer Zeit, als diese Begriffe lediglich einem sehr eingeschränkten Kreis überhaupt etwas sagten.
Mit «Steps» schuf das Kulturprozent 1988 ein internationales Festival für den zeitgenössischen Tanz, das der nationalen Szene nachhaltige Impulse verleihen konnte. Das Musik-Festival m4music hat sich mit seinen Awards und Panels als wichtigste nationale Plattform zur Förderung der Rock- und Popmusik etabliert. Über 700 Musiker und Bands bewerben sich zum Beispiel um den Preis Demotape Clinic. Mit Zola gehörte 2017 übrigens ein Basler Musiker zu den Gewinnern.
In allen Sparten
Basler Nachwuchskünstler konnten auch in anderen Sparten Förderpreise entgegennehmen: Jose Coca Loza und Maria Carla Pino Cury holten sich Preise beim Gesangswettbewerb, Yves Regenass aus Lausen erhielt einen Preis in der Sparte digitale Kultur für sein interaktives Theater-Game «Refugium», Lia von Blarer aus Liestal und Tabea Buser aus Basel wurden mit den Studienpreisen in der Sparte Schauspiel gefördert.
Die aufgeführten Beispiele sind nur ein paar aus dem ausgesprochen reichhaltigen Förderprogramm. Über allem steht stets der Wille, «Treiber der Kulturlandschaft» zu sein, wie sich Hedy Graber, die Kulturchefin der Migros im Interview mit der TagesWoche ausdrückt.