Abseits des Klischees

Immer wieder wird Pierre-Auguste Renoirs Œuvre auf ein paar Adjektive reduziert: lieblich, süss, gefällig. Doch nicht immer war er nur der «Maler des Glücks», wie das Kunstmuseum Basel in seiner neuen Ausstellung zeigen will.

Beliebt: Die lieblichen Sujets von Pierre-Auguste Renoir. (Bild: Georgios Kefalas/Keystone/ ©)

Immer wieder wird Pierre-Auguste Renoirs Œuvre auf ein paar Adjektive reduziert: lieblich, süss, gefällig. Doch nicht immer war er nur der «Maler des Glücks», wie das Kunstmuseum Basel in seiner neuen Ausstellung zeigen will.

Ziemlich genau 100 Jahre ist es her, dass die deutsche Autorin Thea Sternheim nach dem Besuch einer Ausstellung mit Werken von Pierre-Auguste Renoir in ihre Tagebuch notierte: «Limonadenstimmung.» Offenkundig hatte ihr nicht gefallen, was sie sah. Die Spätwerke des französischen Malers waren es, die 1912 in einer Pariser Galerie ihr Missfallen erweckten. Dabei mochte Thea Sternheim Renoir eigentlich, besass für eine gewisse Zeit sogar eines seiner Gemälde: «Frau in einem Garten (Die Dame mit dem Möwenhütchen)». Heute gehört das Bild dem Basler Kunstmuseum. Und um es herum hat Kuratorin Nina Zimmer eine Ausstellung eingerichtet, die Thea Sternheim sicherlich gefallen hätte.

Was Sternheim missfiel – die süssliche Stimmung in Renoirs späten Arbeiten, die gefälligen Sujets – brachte Renoir einst den Übernamen «Maler des Glücks» ein und reduzierte ihn auf ein Klischee. Dem Kunstmuseum liegt nun viel daran, dieses aufzubrechen. Anhand einer Auswahl früher Werke will es zeigen, dass Renoir noch anderes im Repertoire hatte.

Die gezeigten Werke stammen alle aus den Jahren 1869–1879, aus einer Zeit, als Renoir noch nicht wie später selbst durch zahlreiche Selbstzeugnisse dazu beitrug, dass die Nachwelt ihn besser kennenlernen konnte. Man kennt die Eckdaten: Über seine Herkunft aus einer ärmlichen Familie, seine erste Ausbildung als Porzellanmaler bis hin zu seiner Einschreibung an der Ecole des Beaux-Arts, wo er zum ernsthaften Künstler heranreifte. Man weiss von seinen Freundschaften mit Malerkollegen wie Edouard Manet oder Frédéric Bazille und von seinen Liebschaften, darunter die bedeutendste mit Lise Tréhot, die von 1865–1872 an seiner Seite weilte und ihm zwei illegitime Kinder gebar – einen Sohn, der bald starb, und eine Tochter, die zur Adoption freigegeben wurde und mit der er einen losen Kontakt pflegte. (Mehr Details zu Renoirs Leben hier).

Immer wieder Lise

Lise Tréhot ist es denn auch, die uns im Kunstmuseum aus mehreren Gemälden entgegenblickt. Sie ist die junge Frau mit dem «Möwenhütchen», die uns beim Eintreten in den ersten Raum gegenüber hängt. Direkt daneben hängen «En été (Im Sommer)» und «Die Dame mit dem Papagei», zwei weitere Abbilder Lises. Zahlreiche Male stand die junge Frau ihrem Liebhaber Modell. Er inszenierte sie in den unterschiedlichsten Rollen und lässt sie so verschieden aussehen, dass wir sie nicht immer auf den ersten Blick erkennen.

Beim Flanieren durch das Kunstmuseum, das die Gemälde Renoirs in thematisch angerichteten Räumen präsentiert, treffen wir noch auf andere Freunde des Malers, auf Claude Monet und seine Frau, auf Madame Manet. Auch Frédéric Bazille ist da, in einem sehr frühen Bild von 1867, das klar macht, dass Renoir in seinen Anfängen noch sehr stark in der Tradition verhaftet war. Dunkle Töne in geschlossenen Flächen herrschen vor, und doch gibt es schon einige Lichtpunkte.

Experimente

Dass Renoir mit anderen Stilen experimentiert, machen «Lise mit einem Feldblumenstrauss» (1867) oder «Frau auf einer Wiese (Lise Tréhot)» (1868) klar: Während in ersterem Gemälde der Strich bereits etwas unruhiger sind und die Flächen weniger geschlossen, läuft der Pinselstrich in letzterem vollkommen frei von der Hand, wirkt fast schon abstrakt. Ein starkter Kontrast hin zur «Dame mit dem Möwenhütchen».

Je tiefer man ins Kunstmuseum eindringt, so hat man das Gefühl, sich stärker zum Impressionismus hin zu bewegen – ein Eindruck, der durch die unchronologische Hängung immer wieder gebrochen wird. Man guckt auf Landschaften, die schon vom Licht und Malstil der Impressionisten durchdrungen sind. Man sieht schön gewandete Menschen in blühenden Wiesen sitzen. Doch jedesmal, wenn man von einem Raum in den nächsten Tritt, so fällt der Blick auf das grösste Gemälde, das im hintersten Raum die Ausstellung beschliesst: 2,61 x 2,26 Meter misst die «Reiterin im Bois de Boulogne» (1873), die die Szene eines Ausritts einer Dame der Haute Bourgeoisie zeigt. Nicht nur die Menschen darin sind meisterhaft getroffen, sondern auch die beiden galoppierenden Pferde. Ein krönender Abschluss für eine Ausstellung, die den Blick auf Renoir zwar nicht radikal verändert, aber doch durch einige überraschende Momente schärft.

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