Ach, wäre Basel doch ein Bauernkaff!

Ganz schön horny! Die serbische Kapelle von Boban und Marko Marković trug mit ihrer Virtuosität und Spielfreude ekstatische Lebenslust ans Basler Rheinufer. Schade nur, musste das Orkestar seinen feurigen Auftritt «Im Fluss» aufgrund der strengen Auflagen viel zu früh beenden.

A family affair: Marko (l.) und Boban Markovic, zwei herausragende Trompeter auf dem Basler Konzertfloss. (Bild: Hans-Jörg Walter)

Ganz schön horny! Die serbische Kapelle von Boban und Marko Marković trug mit ihrer Virtuosität und Spielfreude ekstatische Lebenslust ans Basler Rheinufer. Schade nur, musste das Orkestar seinen feurigen Auftritt «Im Fluss» aufgrund der strengen Auflagen viel zu früh beenden.

Zugegeben: Der Auftakt war ein wenig harzig. Mag sein, dass Marko Marković an der Leadtrompete noch nicht ganz eingespielt war, mag sein, dass das Eröffnungsstück mit seinem orientalischen Melodieeinschlag nicht das bekömmlichste war, was dieses Orkestar zu bieten hat. Auf jeden Fall dauerte es einige Minuten, bis die Kapelle aus Vladičin Han, dem Süden Serbiens, auf dem Basler Konzertfloss so richtig ankam.

Was aber nach dem Warmup folgte, war dann so hin- und mitreissend, wie man es sich erhofft hatte. Die Musiker forderten in einer instrumentalen Version zu «Hava Nagila» (Glück und Fröhlichkeit) auf. Mit Erfolg. Die gute Stimmung übertrug sich auf das Publikum, das zahlreich am Kleinbasler Rheinufer erschienen war. Zahlreicher gar, als abends zuvor zum Konzert der deutschen Indie-Stars Tocotronic.

Kusturica, Bregović, Marković

Seit rund 20 Jahren zählt Boban Marković zu den wenigen serbischen Musikern, die international erfolgreich sind. Den Durchbruch schaffte der Trompeter mit Emir Kusturicas Film «Underground». Soundtrack-Komponist Goran Bregović holte hierfür Marković’ Kapelle ins Studio, der Film gewann die Goldene Palme von Cannes und machte so die feurige Spielart des Balkan-Brass auch im restlichen Europa bekannt.

Seither hat Boban Marković in Serbien zahlreiche Preise gewonnen mit seinem Orkestar – und mittlerweile hält auch sein Sohn die lange Tradition der Roma-Familie aufrecht. Schon der Urgrossvater musizierte herausragend – und spielte seinerzeit König Alexander ein paar Ständchen.

Nicht nur die Virtuosität hat sich auf den jüngsten Nachkommen übertragen, auch die Leitung. Boban steht zwar auch vorne am Bühnenrand, singt noch immer voller Pathos Liebes- und Trinklieder und spielt vorzüglich Flügelhorn. Doch den Mittelpunkt überlässt er seinem 25-jährigen Sohn. Wer die Formation schon einmal gehört hat (zum Beispiel vor einigen Jahren in der Kaserne), dem fällt auf, dass sie ihr Klangbild unter der Leitung des Juniors sukzessive erweitert.

Von Abba über Latinfunk bis Powerpolka

Das Orkestar wurde verjüngt und stilistisch aufgepeppt. Die 12- (am Ende gar 13-)köpfige Kapelle bleibt zwar tief im Balkan-Brass verwurzelt, kombiniert diesen aber mit zahlreichen globalen Einflüssen. Hier ein ABBA-Intermezzo («Money, Money, Money»), da traurige Mariachi-Trompeten und Latin-Synkopen, dort fantastisch furiose Funk-Staccatos, wie wir sie von den kalifornischen Tower Of Power kennen. Handgemacht und doch modern klingt die Musik, deren 32-tel-Läufe zum Discobeat mal schwindlig machen und mal gemächlich im Walzertakt schunkeln lassen.

Mit diesen vielseitigen Arrangements, herausragenden Soloeinlagen und mitreissenden Grooves (von denen sich hiesige Guggemusiken ein Stück abschneiden könnten), gelingt es dieser Grossformation immer besser, die Distanz zum Ufer vergessen zu machen.

So kommen Kapelle und Publikum in Fahrt, am Ufer kreisen Hüften zu den Rhythmen, auch auf den Treppen wird getanzt – und die exquisite Kapelle im Takt angefeuert. Volksfeststimmung. Herrlich. Fehlt nur noch der Slivovic (stattdessen balanciert ein Barkeeper durch die vollbesetzten Reihen und versucht, seine Mojitos an die Leute zu bringen).

Abruptes Ende

Und dann, als die Hundertschaften unbedingt eine zweite Zugabe nach dem Polka-Knaller «Kalasnjikov» möchten, wird dem Orkestar der Strom abgestellt. Die Gesetze! Die Reglemente! Die Stattfindbedingungen der Stadt, die «Im Fluss» erfüllen muss. Dieser ominöse Wunsch nach Nachtruhe an einer im Sommer zentralen Flaniermeile, sei es noch so schön, noch so heiss, noch so feierlich.

Aus dem eigenen Film abrupt herausgerissen, wünschte sich unsereiner, Basel wäre keine vermeintliche Stadt, sondern ein Bauernkaff im Osten, sei es Vladičin Han, Serbien oder Hugelshofen, Thurgau. Ein Ort, wo aufkeimende Lebensfreude nicht im Vornherein chronometrisch definiert werden muss.

Immerhin: Unter dem Beifall der Besucher spielen die Kapellmeister bei der Überfahrt unverstärkt weiter, ehe die Mundstücke endgültig im Koffer verstaut werden müssen. Was bleibt, ist der Eindruck eines grossartigen Konzerts, das sich gesteigert hat wie die Band in ihren Accelerandi – und die ernüchternde Erkenntnis, dass Basel nicht einmal ein Kaff ist. Vielleicht lädt ja jemand diese Truppe an die nächste Fasnacht ein – um ihr klarzumachen, dass die grosse Stadt immerhin einmal im Jahr ein kleines Zeitfenster hat, um durch die Ventile Druck abzulassen.

 

 

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