Adam Green im Pappmaché-Land

Vor drei Jahren trafen wir Adam Green zu einer Führung in der Fondation Beyeler. Jetzt ist er zurück – mit Bergen von Pappmaché. Ein Besuch im Universum des wohl irrsten Künstlers, den das Museum je beherbergt hat.

Weirdness, anyone? Adam Green ist zurück in Basel.

(Bild: Alexander Preobrajenski)

Vor drei Jahren trafen wir Adam Green zu einer Führung in der Fondation Beyeler. Jetzt ist er zurück – mit Bergen von Pappmaché. Ein Besuch im Universum des wohl irrsten Künstlers, den das Museum je beherbergt hat.

Da kommt er. Adam Green, Künstler, Musiker, 10 Minuten zu spät. Er sieht aus, wie jemand aus Brooklyn aussehen muss: Ein bisschen verwegen, ein bisschen kaputt, ein bisschen ausserirdisch. Brauner Trenchcoat, dunkle Lederhose mit Schlag und eine Art Fischerhut aus Jeansstoff, mit lumpiger Krempe. Manche würden sagen: Wie ein Penner. Brooklyn sagt: We don’t give a fuck.

Und Adam?

Adam schaut kurz zu uns, läuft dann langsam zur Wand vis-à-vis vom Museumsshop, drückt sanft dagegen und verschwindet dahinter. Wir stehen ein bisschen rum, der Fotograf erzählt, dass er vor drei Jahren mit dem Rauchen aufgehört habe. Offensichtlich sieht Adam Green aus wie ein potenzieller Raucher. Dann plötzlich geht die Tür wieder auf. Adam streckt den Kopf hinaus. Er sei jetzt ready.

Also auf ins Adam-Green-Land – schnallen Sie sich an!



Happy Wonderland, mitten im Beyeler.

Happy Wonderland, mitten im Beyeler. (Bild: Alexander Preobrajenski)

Ein Raum in der Fondation Beyeler, der sich am besten so beschreiben lässt (oder auch nicht). Stellen Sie sich vor: Die Maus aus der Sendung mit der Maus ist erwachsen geworden, ihre neuen Freunde sind jetzt Ketamin und Kleister. Sie wohnt auf einem alten Jodorowsky-Set und baut im Halbwahn lustige Gebilde aus den weggeworfenen Zeitungen der Regieassistenz. Nach und nach entwickelt sich ein Traum aus Pappmaché, nostalgischem TV-Plemplem und irrwitzigen Drogeneskapaden, die Maus lädt die ganze Sendungscrew zu sich ein und gemeinsam feiern sie bis in alle psychotropische Ewigkeit in Wogen von Kleister und alten BaZ-Ausgaben.

Ungefähr das ist die Quintessenz von Adam Greens Raumauftritt hier. Etwas aufgeräumter, sicher, schliesslich sind wir in der Fondation Beyeler, Monets Seerosenteich gleich im Raum daneben. Alte und neue Meister vereint. Der neue Meister legt seine Hand auf eine hundeähnliche Pappfigur auf Rollen.



Ein Kamel. Logo, oder?

Ein Kamel. Logo, oder? (Bild: Alexander Preobrajenski)

«Ein Kamel», erklärt er und seine Hand wandert zu den spitzen orangefarbenen Ohren, «ist aber nur ausgeliehen». Dann zeigt er auf die Figur daneben. «Und hier ist eine traurige Blume.» Ich lache, er schaut verträumt und sagt eine Weile lang nichts.

Kontext muss her.

Vor ungefähr drei Jahren haben wir Adam Green schon einmal hier getroffen. Damals führte er uns durch die Ausstellung, brillierte mit profundem Kunstwissen und bizarren Einsichten. Jetzt ist er wieder da – dieses Mal mit einem eigenen Kunstprojekt: Einem Spielfilm.

Eine Interpretation von «Aladdin», die im Hier und Jetzt spielt, mit richtiger Kamera (Greens erster Film «The Wrong Ferrari» war gänzlich mit seinem iPhone gefilmt) und um die 500 selbst gebaute Kulissen. Gefühlte 100 davon hat er jetzt mit ins Beyeler genommen, wo er die nächsten Tage einen Rohschnitt des Filmes zeigen, zwei Konzerte und ein Künstlergespräch geben wird.

Wir sind mittlerweile bei einer Mischung aus Stimpy von «Ren and Stimpy»  und obskurem Pokémon angekommen. Ein paar Fetzen NZZ kleben daran, der Rest ist grosszügig bunt angestrichen. Adam Green legt den Arm um die Figur. «Ein Katzensarkophag», sagt er selbstbewusst, als er meinen fragenden Blick sieht. Dann läuft er weiter.



Ein Katzen-Sarkophag, was denn sonst?

Ein Katzen-Sarkophag, was denn sonst? (Bild: Alexander Preobrajenski)

«Moment mal!», rufe ich. «Ein Katzensarkophag?» – «Yeah. Im Met gibt es diese Kanopenkrüge, wo die alten Ägypter Organe und so Zeug drin verstauten. Die mag ich sehr. Also hab ich auch sowas gemacht. Die Katze ist an Garfield angelehnt, du weisst schon, die berühmte amerikanische Katze.» Ich nicke, habe aber gar nichts verstanden.

Aber Adam Green ist schon weiter. Er läuft langsam durch die farbenfrohen Pappfiguren und erzählt von der alten Lagerhalle, wo die ganzen Kulissen entstanden sind und der Film gedreht wurde («In der Lagerhalle sieht das Zeug aus wie für den Schrottplatz, aber hier… du weisst schon»), vom Ausflug in die Schweiz («Ich dachte das könnte ziemlich lustig sein: Zuerst ist man in Brooklyn, läuft durch die Strassen und dann sagt man plötzlich, lass uns doch einen Ausflug in die Schweizer Alpen machen, und dann BÄNG! ist man in den Schweizer Alpen») und der Motivation, «Aladdin» zu verfilmen («Ich hatte halt diese Idee und dann hab ich sie ein paar Menschen erzählt und einige meinten wow und andere nicht und dann hab ichs einfach gemacht»). 



Diese traurige Blume steht bei Aladdin in der Wohnung und symbolisiert etwas.

Diese traurige Blume steht bei Aladdin in der Wohnung und symbolisiert etwas. (Bild: Alexander Preobrajenski)

Dazwischen wird er immer wieder von seinen Pappfiguren abgelenkt – elektrischer Stuhl (der Sultan in «Aladdin» ist sehr, sehr böse), kleines Shit-Sandwich («Weil Aladdin am Anfang der Geschichte ein Shit-Sandwich vom Leben zugeteilt kriegt»), gelber Bienenstock-Hut («Willst mal aufsetzen?»). Dann stellt er sich vor die gross gemalte Kulisse im hinteren Teil des Raumes und macht ein paar linkische Bewegungen für den Fotografen.



Das ist Adam Green und er schuldet euch gar nichts.

Das ist Adam Green und er schuldet euch gar nichts. (Bild: Alexander Preobrajenski)

Gerade als ich die Hoffnung auf konstruktive Aussagen aufgeben will, kommt doch noch was: «Aladdin ist ein materialistisches Märchen», sagt Green und läuft zur zweiten Kulisse nebenan. «Es geht um Wünsche, um Geld und Ruhm. Wie im echten Leben. Nur dass wir keine Wunderlampen haben.» OK, und jetzt? Green nimmt eine silberne Teleskopleiter, stellt sich darauf und schaut in die Kamera. «In meinem Film ist die Wunderlampe ein 3D-Drucker und der Geist das Interface. Bei mir hat man unlimitiert Wünsche, aber man muss sie sich selbst herstellen.» 

Ich nicke langsam. Greens Vision der Welt als riesiges ausser Kontrolle geratenes Print-Fest. Hat was. Er klettert die Leiter hinunter und schaut lange auf seine Mitarbeiter, die gerade dabei sind, den elektrischen Stuhl des Sultans weiss anzumalen. «Es gibt dieses Gedicht von Rimbaud, da geht es um Aladdin und den Dschinni und am Ende sagt er, Aladdin sei der Dschinni und umgekehrt.»



Wer erkennt den Fisch im Tank?

Wer erkennt den Fisch im Tank? (Bild: Alexander Preobrajenski)

Adam Green blickt auf den Papp-Ferrari neben sich und fährt sich durch die Haare. Ein paar davon sind grau geworden, hab ich vorher beim Bienenstock-Hut-Anprobieren bemerkt. «Wirst du alt?», frage ich. Er neigt seinen Kopf zur Seite. «Wir werden alle älter.», sagt er, und bei allen anderen würde es entweder grausig rührselig oder gekonnt ironisch klingen, bei Adam Green aber klingts einfach nach Adam Green.

Er gluckst leise, wie ein glückliches Kind. Hinter ihm die traurige Papp-Blume und im Raum nebenan Monets Seerosen. Dann verneigt er sich ganz leicht. Ich glaube, ich habe verstanden.

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Live-Konzert mit Adam Green an der Museumsnacht, Fr, 22.1., 19 & 23.30 Uhr.
Screening des Kunstfilms «Aladdin», Fr, 22.1., 20 & 24 Uhr
Screening plus Künstlergespräch, Sa, 23.1. ab 17 Uhr

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