Akkordeon spielen und Alligatore schiessen

Joe Douglas hat gesehen wie seine Musik, der Cajun, beinahe verschwand, um in neuer Blüte in seinem Heimatstaat Louisiana zurückzukehren. Im Alter von 75 Jahren tourt er erstmals durch die Schweiz.

Cajun-Legende aus dem Süden der USA: Joe Douglas. (Bild: Alexander Preobrajenski)

Joe Douglas hat gesehen wie seine Musik, der Cajun, beinahe verschwand, um in neuer Blüte in seinem Heimatstaat Louisiana zurückzukehren. Im Alter von 75 Jahren tourt er erstmals durch die Schweiz.

Solche wie ihn gebe es nicht mehr viele, sagt Joe Douglas. Der Mann ist 75 und momentan für zwei Wochen in der Schweiz, aber sonst lebt er im tiefen Louisiana, dort, wo sich der Mississippi in ein Sumpfgebiet auffächert und schliesslich in den Golf von Mexiko ergiesst. Zu denen gehört Douglas, zu den Leuten, die in den Sümpfen wohnen. Den Cajun.

Ein Musikstil wandert Richtung Süden

Im 18. Jahrhundert sind die Cajun, Nachkommen von französischen Siedlern, aus den Atlantikprovinzen Kanadas den Mississippi entlang nach Süden gewandert, als die Briten die Franzosen im Siebenjährigen Krieg um Nordamerika besiegt hatten. Dort, im südlichen Lousiana, herrschte noch ein französischer Gouverneur, der froh war um Zuwanderung der Sprachgenossen. Und mit ihnen kam ihre Musik, die Musik, die Joe Douglas heute noch spielt. 

Douglas hat die wechselvolle Geschichte des Cajun im 20. Jahrhundert miterlebt, als Kind erlernte er von seinem Vater nicht nur das Cajun-Französisch, bei dem man genau hinhören muss, weil es wie hartes Englisch klingt, obwohl Grammatik und Vokabular weiterhin korrekt tradiert wurden, sondern von ihm lernte er auch, wie man Akkordeon spielt. Das zentrale Instrument des Cajun.

Die kräftigen Wurzeln des Rock’n’Roll

«Drei Dinge sind wichtig im Cajun», sagt Douglas, «das Akkordeon, der Gesang, und der Rhythmus.» Cajun mag, was Instrumentierung und Harmonik angeht, wie alter Folk klingen, aber erst das hohe Tempo des Cajun, die zackigen Achtelrhythmen, haben die Traditionen des Folk und des Blues zum Rock’n’Roll geschmiedet.

Berühmt gemacht haben den Rock’n’Roll Elvis Presley und Chuck Berry, aber einige seine kräftigsten Wurzeln liegen im tiefen Süden Louisianas, in dieser Volksmusik der Nachfahren französischer Siedler. Und während der Rock’n’Roll seinen Siegesanzug antrat und seine bekanntesten Gesichter zu Ikonen emporschaukelte, geriet Cajun an den Rand des Verschwindens, und Joe Douglas schaffte während Jahrzehnten kaum je einen Fuss aus Louisiana.

Kein Star, sondern ein Botschafter

Ihn kümmert das nicht. Er ist kein Star, sagt er, er ist ein Botschafter. Wenn er über sein Leben spricht, spricht er auch über den fast verlorenen Verdrängungskampf des Cajun und seine Wiedererweckung vor zwanzig, dreissig Jahren spiegelt. «Von uns Alten, die schon in den Vierzigern und Fünfzigern den Cajun spielten und auch heute nicht damit aufhören, sind nur wenige übrig, drei oder vier. Aber es gibt die Jungen, dreissig, vierzig, fünfzig Jahre alt. Die sind sogar besser als ich. Das macht mich stolz.» Denn so war das nicht immer.

Mit dem Ölgeschäft kam die Anglisierung

Als in den 1930er-Jahren die Texas Oil Company in Louisiana Öl gefunden hat, kamen die Arbeiter aus dem benachbarten Texas hinüber und brachten die Englische Sprache in eine Gemeinschaft, in der bis dahin fast ausschliesslich Französisch gesprochen und das Englisch nur kümmerlich verbreitet war. Die Regierung schritt ein, verbot Schulfranzösisch und setzte die Anglisierung durch. Ein Schicksalsschlag für die Kultur der Cajun, deren Lieder keine andere Sprache kannten und auch keine andere erlernen sollten. Aus dieser Zeit haben sich Derivate entwickelt, der etwas behäbige Country-Cajon, oder Zydecajun, eine Mischform aus Cajun und Zydeco, «aber», sagt Douglas, «das ist ganz wichtig. Man kann Cajun nicht singen und nicht komponieren ohne das kanadische Französisch. Cajun ist mehr als Musik, Cajun ist unsere Kultur.» Auch er komponiert, heute noch. «Jeden Tag. Nur in Französisch.»

In den 1970er-Jahren, nachdem das Cajun-Französisch mehrere Jahre verdrängt und nur von den Eltern an die Kinder weitergegeben wurde, lenkte schliesslich auch die Politik ein, erhob Französisch in Louisiana zur zweiten Amtssprache und schützte das Erbe der Cajun. Für Douglas hat sich die Geduld ausbezahlt, heute kann er davon leben, «und gar nicht mal so schlecht.»

Der Boom nach der Wiederentdeckung

Die in Louisiana beheimatete Gewürzefirma Tabasco oder die Regierung des Staates schickt ihn manchmal ins Ausland, als kultureller Botschafter für Kongresse oder Firmenevents, nach Japan, Südkorea oder Südamerika, und auch in seiner Heimat hat sich die Wiedererweckung zum Boom entwickelt. Mehrere Radiosender spielen den Cajun, zu dem mittlerweile auch die elektrische Gitarre und ein vollendetes Schlagzeug gekommen ist, im Hauptprogramm, Dutzende Festivals behalten den Stil lebendig, und TV-Sender in den Südstaaten der USA bringen Dokumentarshows über das Leben der «Swamp People», der Cajun, und ihren Alltag. Musik spielen – und in den Sümpfen Alligatoren schiessen. «Ein Renner», lacht Douglas.

Erstmals ohne Dolmetscher auf Tour

So hätte Douglas nun weitergemacht in den Jahren, die ihm noch bleiben. Cajun spielen und komponieren in den Zentren, wo er herkommt, in Breaux Bridge, Baton Rouge und Lafayette, und Seafood aus Louisiana essen, «den besten, den Sie finden können.»

Aber nun geht er nochmals auf Tour, das erste Mal, ohne von einer Firma oder vom Staat geschickt zu werden. Ohne Mission, ohne Auftrag, nur als Musiker. Zehn Tage tourt er in der Schweiz, geholt hat ihn der Basler Musiker und TV-Macher Willy Surbeck. Aufregung? «Eher Freude», sagt Douglas. «Es ist das erste Mal auf einer Tour im Ausland, dass ich ohne Dolmetscher zurecht kommen werde. Ihr Schweizer könnt ja alle Französisch, oder?»

 

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