Die Fondation Beyeler fokussiert in ihrer neuen Ausstellung auf das Spätwerk des Schweizer Malers Ferdinand Hodler. Eine Ausstellung für Aus- und Einsichten, oder einfach nur für schöne Ansichten.
Erste Erinnerungen an die Ausstellung mit Werken Degas’, die gerade noch einen Tag zu sehen ist, werden beim Durchstreifen der Ausstellung zu Ferdinand Hodler bald wach – und dies nicht nur wegen ihres Fokus’ auf das jeweilige Spätwerk der beiden Maler. Denn beide konzentrierten sich in ihren letzten Schaffensjahren auf einige wenige Motive, die sie in unterschiedlichen Abwandlungen auf die Leinwand brachten. Bei Degas waren es Tänzerinnen oder badende Frauen, bei Ferdinand Hodler nun sind es vor allem Bergpanoramen und Seeansichten. Es wird bald klar: Die Fondation Beyeler zeigt, indem sie auf die letzten fünf Lebensjahre des Künstlers fokussiert, Hodler als Landschaftsmaler. Da mutet ein Raum, der ganz der sterbenden Valentine Godé-Darel gewidmet ist, wie eine exotische Oase an.
Doch beginnen wir ganz vorne. 1913, zu jenem Zeitpunkt, an dem die Ausstellung in der Fondation Beyeler einsetzt, war Ferdinand Hodler ein allgemein anerkannter und wohlhabender Maler. Seine Bilder verkauften sich wie warme Weggli, was auch den Neid anderer Künstler hervorrief. Von Paul Klee beispielsweise soll der Satz stammen: «Der Hodler verscherbelt seine Panoramen für 2500 Franken das Stück.»
1913 hatte Hodler es schon geschafft, seine Kunst (und Geliebten) auf zwei Banknoten unterzubringen: Der «Holzfäller» zierte die 50er-Note, der «Mäher» die 100er-Note. Hodler konnte sich somit seine Kunst mit seinem «eigenen» Geld bezahlen lassen, wie der Kurator der Ausstellung, Ulf Küster, mit einem Schmunzeln erklärt. Wie es zu diesem Erfolg kam, wie Hodler dazu kam, wie kein anderer Künstler das Selbstbild der Schweiz zu pflegen, das stellt die Fondation Beyeler in einem Raum nach. Kleine Reproduktionen seiner wichtigsten Werke illustrieren zusammen mit den wichtigsten biografischen Eckdaten seinen Weg zur Bekanntheit.
Verlässt man diesen Raum, so tritt man dem Maler direkt entegegen. Umgeben von zahlreichen Selbstporträts fühlt man sich fast ein wenig beobachtet, denn Hodler stellte sich gerne mit durchdringendem Blick dar. Wer gerne Figuren sieht, tut gut daran, hier noch einmal die Gesichter in sich aufzusaugen. Denn in den restlichen Räumen menschelt es sehr wenig.
Bergketten und Bäche
Landschaften waren es, die Ferdinand Hodler in seinen letzten Jahren vor allem beschäftigen. Er packte seine Staffelei, setzte sich an Bergbäche, auf seinen Balkon vor dem Haus am Genfersee, an Aussichtspunkte vor Bergketten. Und malte und malte und malte. Nicht selten malte er dasselbe Motiv mehrere Male, variierte nur Details. Dafür nutzte er auch Paustechniken, mit denen er die Silhouetten der Bergketten vervielfältigte. Ganze Serien mit Ansichten des Genfersees entstanden, mit Gebirgsmassiven wie den Dents du Midi oder der Stockhornkette, mit denen Hodler auch die gewaltige Nachfrage an seinen Werken überhaupt befriedigen konnte.
So abstrakt diese Landschaftsbilder teilweise schon wirken, umso klarer wird auch, dass Hodler immer sehr genau hinschaute.
Diese Serien sind Ausdruck eines Modernismus, dem sich Hodler immer stärker annäherte, aber auch die Weiterführung seiner Überzeugung, dass die reale Welt sowie deren Abbildung durch die Kunst den Gesetzen des Parallelismus unterworfen sei. Darunter verstand der Maler eine sich wiederholende, jedoch niemals exakt gleiche Abfolge von Linien oder Bewegungen. Parallelismus war für ihn ein stilisiertes Empfinden, das aber keineswegs Individualität negiert.
Ulf Küster hat für die Ausstellung die Bilder so angeordnet, dass Gemälde mit denselben Motiven nebeneinander hängen und somit dem direkten Vergleich unterzogen werden können. Die kleinen Unterschiede, Kühe etwa vor einer Bergkette oder Schwäne am Genferseeufer, aber auch Farbexperimente werden so ersichtlich.
Genauer Beobachter
Und so abstrakt diese Landschaftsbilder teilweise schon wirken, umso klarer wird auch, das Hodler immer sehr genau hinschaute. Am eindrücklichsten jedoch zeigen dies die Gemälde, die der Maler von seiner sterbenden Geliebten Valentine Godé-Darel fertigte. Er verfolgte mit dem Pinsel ihren Leidensweg bis hin zum Tod. Und er beobachtete eindringlich, aber doch mit einem liebevollen Blick. Als Betrachter kommt man vor diesen 14 Werken trotzdem nicht umhin, ein wenig Beklemmung zu spüren.
Gerne wendet man sich da zurück zu den gloriosen Landschaftsbildern, die uns die Alpen so zeigen, wie jeder Tourist sie gerne sehen würde: Von Sonne beschienen, massiv, herrlich – und monumental. Ein Wort, das auch auf den letzten Raum dieser Ausstellung zutrifft. Wie ein Schlag fast trifft es einen beim Um-die-Ecke-Biegen, dieses meterhohe und -breite Wandbild «Der Blick in die Unendlichkeit», und man steht nach dem Betrachten all der vorangegangenen, eher kleinformatigen Ansichten der grossen Berge in Staunen versunken vor diesen überlebensgrossen Frauenfiguren, die den Blick in den unendlichen Raum hinaussenden. Entrückt und fern, träumerisch – und gleichzeitig ein Rückgriff zurück auf jenen Hodler, der ganz am Anfang dieser Ausstellung stand. Den symbolistischen, realistischen. Den schon damals ganz grossen.
- Fondation Beyeler, 27. Januar bis 26. Mai.