Auf dem Programm stand die grosse Sommerausstellung «Transform». Es ging um das Verhältnis von Malerei und Skulptur in der modernen Kunst. Eine grosse Schau im Kunstmuseum und in der Kunsthalle, deren Initiant Ernst Beyeler hiess, damals noch nicht Besitzer eines eigenen Museums. Das war vor 25 Jahren.
Im Vorfeld war der Kunstdoyen allerdings not amused. Nicht etwa, weil er mit der Ausstellungsvorbereitung unzufrieden war. Sondern weil die Basler Regierung den erhabenen Kunstfrieden gestört hatte.
Als Nachbarn unerwünscht
Stein des Anstosses war eine Holzbaracke an der Seitenfront des Kunstmuseums entlang der Dufourstrasse. Es handelte sich um das zweite Basler Gassenzimmer. Dass es sich dabei nur um ein Provisorium handelte, vermochte die Gemüter der Museumsleute und benachbarten Geschäftsinhaber nicht wirklich zu besänftigen.
Man habe ja nichts gegen niederschwellige Hilfe für Drogenabhängige, hiess es. Aber ein Standort in unmittelbarer Nachbarschaft des kulturellen Leuchtturms der Stadt, das gehe nun wiederum nicht.
Der Foto- und Installationskünstler Pascal Trudon hat sich dem Gassenzimmer von damals mit ganz anderen Gefühlen angenähert. 25 Jahre nach dem Abbau des Gassenzimmers hat er die Holzbaracke massstabsgetreu und am Originalort wieder aufgebaut. «Es war einmal beim Kunstmuseum» nennt er den Nachbau. Ein Denkmal soll es sein, zur «Skandalgeschichte eines Gassenzimmers», so der Untertitel.
Und dieses Mal wurde Trudon vom Kunstmuseum mit offenen Armen empfangen. Schliesslich ist sein Bau nicht mehr eine Baracke, in der Hunderte von Drogensüchtigen ein- und ausgehen, sondern eine Kunstinstallation.
Trudons Versprechen an die Süchtigen
Im Innern sind in einer Dreikanal-Lichtbildschau Porträtaufnahmen der Klienten von damals zu sehen. Sie wechseln sich ab mit Detailaufnahmen der Skulpturengruppe «Die Bürger von Calais», die im Eingangshof des Kunstmuseums-Hauptbaus steht. In Trudons Augen sind die von Auguste Rodin geformten Skulpturen ein «Denkmal für das soziale Handeln».
Die Porträtaufnahmen im nachgebauten Gassenzimmer stammen von Trudon selber. «Ein mir gut bekannter Gassenarbeiter hatte mich reingeschleust», sagt er. Die beelendende Parallelwelt in der Baracke liess ihn nicht mehr los. Ein ganzes Jahr lang ging Trudon immer wieder hin, gewann das Vertrauen der Süchtigen, porträtierte sie. Mit dem Versprechen, dass ihre Bilder nie in einer Zeitung zu sehen sein werden.
Daran hält er sich auch 25 Jahre später. Insofern als dass die im Gassenzimmer-Nachbau auf eine Leinwand projizierten Porträts tatsächlich nicht in einer Zeitung abgedruckt werden dürfen. Es sind eindrückliche und berührende Porträts von Menschen in einer verzweifelten Lage. Genau so verzweifelt wie die «Bürger von Calais», die sich im Hundertjährigen Krieg 1347 den Stadtbelagerern als totgeweihte Geiseln zur Verfügung gestellt haben sollen, wie es die Geschichtschronik erzählt.
Zu viel der Worte
Die Gegenüberstellung der Skulpturengruppe mit den Porträtaufnahmen der Junkies ergibt ein schlüssiges Zusammenspiel. Und überdies eine Reminiszenz an das Ansinnen der Ausstellungsmacher des Kunstmuseums und der Kunsthalle von damals, die mit «Transform» Übergänge und Zwischenbereiche von zwei- zu dreidimensionaler Kunst aufzeigen wollten.
Leider belässt es Trudon nicht dabei. Er untermalt die Bilderfolge mit einer literarischen Textcollage. «Textfragmente der Sprache der Trauer» nennt das der Künstler selbst. Die Fixer von damals hätten keine Sprache gehabt, nur die Sucht. Ihm sei es darum gegangen, ihnen nachträglich eine Sprache zu verleihen.
Das wirkt dann doch gar pathetisch, wenn aus dem Zusammenhang gerissene Sätze zu hören sind wie «Mit jedem Buch, das ich aufschlug, schlug ich einen Sarg auf» oder «Gut dem, der jetzt eine Heimat hat». Manchmal ist Schweigen eben doch die stimmigere Sprache.
«Es war einmal beim Kunstmuseum». Installation beim Kunstmuseum Basel, bis 4. November 2018. Zur Installation erscheint im Schwabe-Verlag ein Buch mit den Bildern und einem ausführlichen Gespräch mit dem Künstler Pascal Trudon.