Art-Besuch mit Banause Marius – die zweite Runde

Vor einem Jahr hat uns «Kunstbanause» Marius durch die Unlimited begleitet und Kunst kommentiert – Zeit für eine zweite Runde!

He's back: Marius. Kennt nicht, was er sieht, aber weiss, was er sagt.

(Bild: Eleni Kougionis)

Vor einem Jahr hat uns «Kunstbanause» Marius durch die Unlimited begleitet und Kunst kommentiert – Zeit für eine zweite Runde!

Kunst ist dazu da, um drüber zu reden, und zwar nicht nur zwischen zwei knappen Luftküsschen oder in verstaubten Lesesäälen. Es braucht die leidenschaftlichen Phrasen und die wilden Assoziationsketten, die vortastenden Gedankengänge und die höhnischen Kommentare.

Es braucht Marius.

Marius (der mittlerweile übrigens ausgebildeter Arzt ist) ist ein guter Freund von mir und hat uns bereits letztes Jahr an die Unlimited begleitet, wo er erklärte, was Ai Weiwei mit einem Blitzableiter zu tun hat und wieso Pierre Huyghes schwimmender Stein die Herzen der Banausen erfreut.

Wie gehabt: Marius mag Kunst, aber nicht auf diese beknackt ego-paradige Art. Er mag Kunst, weil sie ihn interessiert. Und weil Marius selten weiss, worum es geht, weiss er genau, worum es geht.

Das klingt verwirrend, machte letztes Jahr aber Sinn. Und tut es auch dieses Jahr wieder. Willkommen zurück!

1. Davide Balula, Mimed Sculptures (2016)


(Bild: Eleni Kougionis)

«Das ist ganz interessant. Man steht am Anfang der Ausstellung und wird schon darauf vorbereitet, was man hier erleben wird: Art-Handling. Etwas schade sind die pinken Handschuhe – die machen das Ganze so clownig.»

2. Chiharu Shiota, «Accumulation: Searching for Destination»


(Bild: Eleni Kougionis)

«In der Medizin gibt es so einen Spruch: Wenn du hinter dir das Trampeln von Hufen hörst, ist es höchstwahrscheinlich kein rosa Zebra. Hier höre ich Migration. Und das so offensichtlich, dass ich nicht unbefangen sein kann, ich kann sofort nur an die Steine an der Küste von Süditalien denken, wo all die Koffer der Flüchtlinge rumtreiben oder auch die ganzen Berge von Schwimmwesten, die sich an den Stränden türmen.»

«Ich will hier auch gar keinen Saaltext lesen, weil dann erfahre ich je nachdem noch den armseligen Versuch des Künstlers, diesem Ganzen noch einen tieferen Sinn zu geben. Ich hab einfach nichts dazu zu sagen.»

3. Dieter Roth, «Flacher Abfall / Flat Waste»

 


(Bild: Eleni Kougionis)

 

«Hier stinkt es ja gar nicht! Bei Dieter Roth habe ich 200-jährige Schokolade und Salami erwartet. Die Arbeit finde ich aber trotzdem toll. Ist so ein bisschen wie die sehr aufgeräumte Version einer Messie-Wohnung, durch die man nur noch durch einen sehr schmalen Spalt laufen kann, weil überall Abfall rumliegt. Sehr schweizerisch. Eine helvetische Interpretation des Messietums! Und dazu noch in Biella-Bundesordnern. Sehr gut.»

4. Samson Young, «Canon»

 


(Bild: Eleni Kougionis)

 

«Das sieht nach Oppressionsregime aus. Wieder sowas offensichtlich Hochpolitisches. Der Grenzsoldat, der Vogelgezwitscher durch seinen Propaganda-Lautsprecher lässt. Es hat was von diesem Banksy Bild eines Demonstranten, der statt eines Molotov Cocktails einen Blumenstrauss wirft. Mir gefällts aber besser als die Koffer, weils uns aus der horizontalen Ebene rausbringt. Sonst ist ja alles hier auf Augenhöhe.»

«Was denkt sich wohl dieser Mensch da oben? Ich nehme an, er findet das alles hier ziemlich befremdlich. Ähnlich befremdlich, wie wenn wir bei ihm wären an der Nordkoreanischen Grenze, und nichts würde passieren. Geht doch irgendwie nicht.»

5. Hans Op de Beeck, «The Collector’s House»


(Bild: Eleni Kougionis)

«Unglaublich. Das hier ist mein liebstes Werk soweit. Der Künstler benutzt ein totes, neutrales Material und macht daraus etwas unfassbar Fleischiges. Ich finde diesen Raum unglaublich fleischig. Er nimmt dich einerseits total ein, durch diese uns sehr nahen Elemente wie die Bibliothek, der herumliegende Abfall oder die ganzen Figuren, die versunken in ihre Aktivitäten sind. Gleichzeitig erzeugt er aber auch eine Distanz durch dieses Gipsmaterial.»

«Er macht genau das, was die klassische Vanitas macht: Uns anhand vom Lebendigen das Tote nahebringen. Er nimmt klassische Elemente und erweckt sie mit lebendigen, uns vertrauten Elementen zum Leben – benutzt dafür aber wiederum ein sehr starres Material. Das finde ich mega berührend. Hier drin will man so richtig enthusiastisch herumspringen und die ganze Energie dieses Raumes aufnehmen, findest du nicht? Super, richtig stark.»

6. Marinus Boezem, «Curtain Room»


(Bild: Eleni Kougionis)

«Ok. Das was hier passiert, geschieht mir jeden Morgen beim Duschen, wenn der eklige nasse Vorhang an mein Knie schloddert. Wobei: Wenn das Kunstwerk tatsächlich so underwhelming ist, wie mans von aussen erwartet hat, dann gibt das einem auch eine gewisse Befriedigung. Darin sollte man sich aber auch nicht allzu sehr suhlen, deshalb sollten wir jetzt schnell weiter.»

7. Paul McCarthy, «Tomato Head (Green)»


(Bild: Eleni Kougionis)

«Das hier hat verdient, dass man was Böses dazu sagt. Und wieso muss immer überall ein Pimmel dran sein? Unglaublich ermüdend. Das ist Paul McCarthy? (schaut auf den Bildschirm) Der sieht aus wie die Verkörperung vom Freud’schen Es. Er ist so dauererregt, dass er schon eine Halbglatze hat, von all den dreckigen Gedanken.»

8. Alicja Kwade, «Out of Ousia»


(Bild: Eleni Kougionis)

«Das Coolness-Niveau der Steine ist dieses Jahr erheblich gesunken. Letztes Jahr wars noch ein schwimmender Stein, dieses Mal nur Anish Kapoors blaues Zeug und dieser random Stein hier. Als geologisches Fazit muss man hier sagen: Under-performing.»

«Oh, aber wenn man herumläuft, passiert doch noch was. Hah, crazy. Ok, die Steinkritik nehmen wir zurück.»

9. Gilberto Zorio, «Microfoni»


(Bild: Eleni Kougionis)

«Das ist der sogenannte Pavillon Montessori.»

10. Jim Hodges, «A Good Fence»

 


(Bild: Eleni Kougionis)

 

«Da stehen zwei Sofas und ein Couchtisch mit Hochglanzprospekten. So dumm. Ich hab das Gefühl es gibt Räume hier, die werden nach der Art direkt in einen Lastwagen gepackt und nach Züri in ein Hipstercafé verfrachtet.»

11. Rafael Lozano-Hemmer und Krzysztof Wodiczko, «Zoom Pavillon»


(Bild: Eleni Kougionis)

«Das ist sehr unheimlich. Die Kameras zeichnen eine Realität auf, die uns nicht wirklich bewusst ist. Viel mehr als eine Sichtbarmachung ists aber nicht.»

12. Alison Knowles, «Make a salad»


(Bild: Eleni Kougionis)

«Ist das von der Schwester von Beyoncé? Kunst ist ja oftmals dazu da, Menschen Dinge wieder näherzubringen, von denen sie sich entrückt haben. Und dann gibt es Kunst, von der niemand profitiert. Niemand profitiert davon, das Geräusch von zubereitetem Salat zu hören. Wer hören will, wie es klingt, wenn eine Salatsauce angerührt wird, der rührt eine Salatsauce an. Immerhin dürfen die Besucher das Kunstwerk als Abfalleimer benutzen.»

13.  Laura Lima, «Ascenseur»

 


(Bild: Eleni Kougionis)

 

«Unglaublich creepy. Es jagt dir mit der grössten Einfachheit ein Schaudern über den Rücken. Das ist das Tolle an Performance: Du hast keine Ahnung, was als Nächstes passiert, keine Deutungshoheit und wenns dir stinkt, kannst du nicht weg, weil du doch wissen musst, was passiert. Ich geb ihr mal meinen Schlüssel.»

14. Mike Kelley, «Reconstructed History»


(Bild: Eleni Kougionis)

«Disqualifiziert sich eine Messe nicht dadurch, dass sie sowas ausstellt? Ich meine, natürlich kann es sein, dass hier total viel dahintersteckt, aber wahrscheinlich dachte sich dieser Künstler einfach ‹Geil, dieser Zeitungsausschnitt eignet sich total für einen Pimmel›, und zeichnete drauf los und jetzt sehen wir hier das Ergebnis. Schade. Weisst du, wie viele Hans Op de Beeck-Räume hier reingepasst hätten?»

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