Vera Isler fotografiert seit 30 Jahren Künstler und Künstlerinnen in der ganzen Welt. Ein Teil der schwarzweissen Porträts sind nun unter dem Titel «Face to Face II» im Museum Tinguely ausgestellt.
Klein und schmächtig ist Vera Isler. Man traut der 80-jährigen Fotografin kaum zu, ein Kameraequipment mit sich rumzutragen. Doch genau das hat sie jahrelang getan, hat ihre Kamera von Künstleratelier zu Künstleratelier geschleppt. Alle hatte sie vor der Kamera, von Joseph Beuys bis Mario Merz, von Sylvie Fleury bis Gilbert & George. Und auch Jean Tinguely und dessen Frauen, weshalb das Museum Tinguely nun den Porträtfotos der in Basel und New York lebenden Künstlerin eine Ausstellung widmet.
1984 begann Vera Isler mit dem Fotografieren von Künstlern und Künstlerinnen. Dass die Kamera ihr Hauptinstrument werden würde, dachte die Künstlerin lange nicht. Sie versuchte sich in anderen Medien, bis eines Tages ihre Tochter vorschlug, man könnte doch im New Yorker Central Park Rollschuhlaufen gehen. Die damals 50-Jährige liess sich überreden, rollte durch den Park – und brach sich prompt das Handgelenk. Einen Pinsel konnte sie nun nicht mehr in die Hand nehmen, und auch mit anderem Kunstwerkzeug war es schwierig. Also nahm sie die Kamera, übergangsmässig – und blieb dabei.
Ihre Schwarz-Weiss-Porträts von Kunstschaffenden weltweit zeigen ihr Interesse für die Künstlerpersönlichkeiten, die sie ablichtete. Sie fotografiert die Menschen so, wie sie sind. Und alle schauen sie in die Kamera. Das habe sich automatisch so ergeben, erzählt sie. Die Künstler hätten sich im selben Interesse für die Fotografin interessiert wie sie sich für sie, und sie deshalb angeschaut. Und sie sollen auch die Betrachter der Fotos anschauen, deshalb sind die Bilder im Museum Tinguely lebensgross, man befindet sich quasi «Face to Face» mit ihnen – daher auch der Ausstellungstitel.
Wenig inszeniert
Sie fotografiere langsam, sagt Isler über sich selbst. Das heisst, dass sie nicht wild um sich knipst und am Schluss aus Hunderten Schnappschüssen den besten wählt. Sie stehe da und schaue, und am Schluss habe sie vielleicht einen halben Negativbogen voll.
Die Künstler geben sich vor ihrer Kamera möglichst natürlich. Nur wenige wirken gekünstelt, inszeniert. Isler hat es sich zur Gewohnheit gemacht, die Kunstschaffenden im gewohnten Umfeld, meist in deren Atelier, zu besuchen. Ganz selten nur scheitert sie mit ihrem Wunsch, bei Christian Marclay etwa, der sein eigenes Atelier als zu heiss bezeichnete und deshalb Isler in ihrem Atelier aufsuchte. Andere wie der Fotograf Richard Avedon konnten nicht ruhig stehenbleiben. Und Jean Tinguely und seine damalige Partnerin Milena Palakarkina sind als einzige nicht von den Knien aufwärts dargestellt, sondern erst von den Hüften weg, weil das Chaos um sie herum so gross war, dass Isler ihre Kamera nicht richtig positionieren konnte.
Islers Bilder leben vor allem auch von den Geschichten, die die Künstlerin dazu erzählen kann. Doch auch ohne diese sind sie mehr als einen Blick wert. Wer keine Chance hat, mit Vera Isler darüber zu reden, dem sei der Film ans Herz gelegt, den Daria Kolacka und Piotr Dzumala über die Künstlerin gedreht haben. Er feiert am 12. Februar im Museum Tinguely Premiere.
> Vernissage der Ausstellung «Face to Face II» im Museum Tinguely heute Dienstag, 31.1., 18.30 Uhr. Ausstellung vom 1. Februar bis zum 6. Mai.