Rund 1700 Aktive zeigen am Wochenende ihre Kunst am Basler Jugendkulturfestival. Darunter auch Lucia Hermann (25), die im Basler Youth Tap Ensemble mittanzt. Mit dieser Gruppe trat sie sogar schon am Broadway auf.
Eigentlich ist es ja immer ein wenig lächerlich, wenn im Film die Protagonisten plötzlich singend und tanzend ihr Herz ausschütten oder vor lauter Freude nicht mehr still halten können und fidele Luftsprünge auf der Leinwand machen. Aber es gibt Ausnahmen. Dazu gehören die Filme, in denen gesteppt wird. Wenn Billy Elliott es nicht mehr aushält und mit geballten Fäusten durch die Strassen Durhams tanzt oder Gene Kelly im Liebestaumel durch den Regen klappert, bleibt man allem Kitsch zum trotz staunend sitzen und bewundert die Füsse, die doch eigentlich poltern sollten, sich aber leicht und unangestrengt über den Boden bewegen.
JKF 2013: 180 Acts mit 1700 Aktiven
Mit 180 Acts erlebt das Jugendkulturfestival am Wochenende seine achte Auflage. Zu dem von 1700 Jugendlichen gestalteten Event mit kostenlosem Eintritt erwarten die Organisatoren rund 60’000 Besucherinnen und Besucher. Mehr dazu.
Solche Szenen kennt Lucia Herrmann in- und auswendig. Die Studentin ist seit 16 Jahren leidenschaftliche Stepptänzerin im Basel Youth Tap Ensemble, einer Formation unter dem Choreographen Andreas Jakopec. Ihr sind die Bilder vertraut, die mit ihrem Hobby assoziiert werden: «Wenn man den Leuten sagt, dass man steppt, dann kommen sofort die gewohnten Bilder auf: Fred Astaire mit Ginger Roberts oder die Irish-Dance Truppe «Lord of the Dance». Das hat mit dem, was wir machen aber eher wenig zu tun.»
Die Basler Truppe verbindet mit den Show-Iren höchstens ihre Kostümwahl. Das war es auch, was Lucia zum Tanzen gebracht hat: «Ich war mit neun Jahren an einer Stepptanz-Vorstellung einer Freundin von mir. Der Tanz hat mich damals eher weniger interessiert. Die Kostüme aber – alle waren als Clowns verkleidet – waren toll.» Von da an wollte sie unbedingt auch so verkleidet auf Bühnen auftreten. Das Tanzen dazu nahm sie in Kauf.
Stampfen, Tippen und lockere Schrauben
Heute ist es genau umgekehrt. Natürlich suche man sich Kostüme aus, die zum Programm passen. Das kann vom Feder-Glitzer-Gewand bis zu zerrissenen Jeans alles sein. Im Mittelpunkt steht aber das Tanzen. Das Ensemble trainiert zwei bis drei Mal die Woche im Freien Theater im Gundeli wenn ein Auftritt bevorsteht. Lucia studiert in Zürich und übt teilweise auch da in einem Studio – oder zu Hause «im Keller, in Turnschuhen». So ein Schuh kann nämlich ganz schön viel Lärm produzieren. Bis Ton und Lautstärke perfekt getroffen werden, geht es eine Weile. Je nach Druck und Kraftaufwand klingt das Aufprallen der Sohlen anders: Vom heftigen Stampfen bis zum leisen Tippen ist eine ganze Bandbreite von Geräuschen möglich.
Den Ton erzeugen Metallplatten, die an Spitze und Sohle des Schuhs angeschraubt sind. Die Schrauben können sich bei übermässigem Gebrauch auch schon mal selbständig machen: Manchmal lösen sich die Metallplatten vom Schuh und scheppern durch den Raum. Die Schrauben dann wieder anzubringen, ist harte Arbeit: «Die Windungen sind oftmals total ausgeleiert. Wir flicken dann die Sohlen meistens mit Streichhölzern, Taschentüchern und Leim. Das hält dann eine Weile.»
«Manchmal müssen wir die kaputten Sohlen mit Taschentüchern und Streichhölzern flicken.»
Das Highlight von Lucias Stepptanz-Karriere war eine Reise nach New York. Als erstes europäisches Jugendensemble wurde die Gruppe an das New Yorker «City Tap Festival» eingeladen und durfte am Broadway auftreten. Lucia lacht. «Aber der Broadway ist ungefähr die längste Strasse, die es gibt».
Mit den Steppschuhen um die Welt
Am liebsten tanzt Lucia auf «Tap-Jams»: Es spielt eine Jazzband und man kann dazu frei improvisieren. «Dann übernehme ich Töne und Rhythmen der Musiker und baue sie in meine Bewegungen ein.» Im Frühjahr nahm sie ihre Steppschuhe im Rucksack auf eine Reise um die Welt und brauchte sie unter anderem als Couchsurf-Bestechung («Wenn ich bei euch übernachten darf, steppe ich was vor.»), was immer hervorragend klappte. Die Steppschuhe kamen auch bei diversen kulturellen Anlässen auf ihrer Weltreise zum Einsatz: In Los Angeles tanzte sie an einer Open-Mic-Night, in Neuseeland und Argentinien steppte sie auf Tischen in Hostels oder mit Musikanten auf der Strasse.
Und in Basel? Tanzt sie hier jemals so übermütig wie die grossen Filmstars durch die Gassen und hängt sich an die Laternenpfosten? «Durch die Strassen renne ich nicht, aber ab und zu gehe ich ein paar Kombinationen durch, wenn ich auf den Bus warten muss. Das sieht dann eher nach einem Wippen aus. Komisch geguckt hat jedenfalls noch keiner.»