Das Literatur- und Kunstprojekt «Intervention #1» spielt mit den verschiedenen Möglichkeiten, sich den Werken des Kunstmuseums Basel sprachlich anzunähern, und zeigt auf, wie viele Geschichten, Erinnerungen oder gar Klänge ein Kunstwerk auslösen kann, wenn man es lässt.
Die kunst- und literaturbegeisterten Verlegerinnen Patricia Jäggi und Sarine Waltenspül beschäftigt in ihrem Projekt «Intervention #1» unter anderem die Frage, wie man über Werke der bildenden Kunst schreiben kann, indem man möglichst den wissenschaftlichen und rein beschreibenden Zugang vermeidet, und stattdessen einen freien und subjektiven Zugang versucht, der mit literarischen und assoziativen Elementen spielt.
Sie luden junge Schreibende und Kunstschaffende im Rahmen des Projekts dazu ein, sich im freisten Sinne sprachlich mit ihrem Lieblingswerk aus der Sammlung des Kunstmuseums Basel oder des Museums für Gegenwartskunst auseinanderzusetzen. Entstanden ist dabei ein überraschend breites Spektrum an den unterschiedlichsten Texten. Sei es ein Gedicht, das in seinem Schriftbild die Konturen von Ferdinand Hodlers «mutigem Weib» nachempfindet, seien es die amüsanten «Mutmassungen» über die Befindlichkeiten von Amedeo Modiglianis «Marie, fille du peuple« und Georges Rouaults «Le poète Paul Verlaine», oder gar ein Prosastück, das sich «Rollratterrollratterroll» den möglichen Klängen der Bildelemente in Le Corbusiers «femme couchée, cordage et bateau à la porte ouverte» widmet.
Schlummernde Bilder
Die im Hungerkünstler Verlag erschienene Publikation, die am 10. Januar in der Allgemeinen Lesegesellschaft Basel Premiere feierte, versammelt somit «Interventionen», die in je eigener Weise den Raum ausloten zwischen den äussersten Fasern einer Bildoberfläche und der Wahrnehmung des Betrachters. Nicht selten erzählen die Texte dabei etwas über die schlummernden Bilder im Kopf des Betrachters, die erst beim Anschauen wach werden, oder die unvorhersehbaren Erinnerungen, die ihn streifen, aufreiben vielleicht, in Anbetracht des Kunstwerks. Und schon wird sie angekurbelt, die Geschichtenspindel hinter der Stirn, der dann freier Lauf gelassen wird, bis für die neu gewonnenen Bildfasern ein ausreichender Rahmen aus Sprache gefunden wurde. Auch an die Bilder, die beim Lesen über Bilder im Kopf der Lesenden entstehen, wurde gedacht: Damit solche Sprach- oder Lesebilder überhaupt entstehen können, haben die Herausgeberinnen bewusst auf die Abbildungen der Kunstwerke innerhalb der Publikation verzichtet und diese stattdessen auf einem Poster beigelegt.
«Intervention #1» ist neben zwei Romanen und einer Anthologie die vierte Publikation, die im Hungerkünstler Verlag seit dessen Gründung 2007 erschienen ist. Sarine Waltenspül und Patricia Jäggi gehen davon aus, dass es irgendwann weitere «Interventionen» geben wird, in anderen Museen der Schweiz, vielleicht auch in anderen Kunstsparten. Sie sehe den Verlag als offenes Gefäss, sagt Waltenspül, das jungen, noch unentdeckten Talenten und ungewöhnlichen Ideen eine Plattform bieten soll.
Performative Umsetzung
Zuerst wird jedoch im Kunstmuseum Basel «interveniert», denn die verschiedenen Beiträge in «Intervention #1» wurden auch im Hinblick auf ein Bespielen der Ausstellungsräume verfasst. Während der Museumsnacht am 18. Januar haben Besucher nun die Möglichkeit, die szenischen und performativen Umsetzungen einzelner Beiträge mitzuerleben, die Werke der Sammlung neu zu betrachten, aus anderer Sicht, und so die Sammlung im eigenen Kopf um einige «Sprachbilder» zu erweitern.
- Patricia Jäggi & Sarine Waltenspül (Hrsg.): «Intervention #1. Die andere Sicht: Schreibende und Kunstschaffende zu Werken des Kunstmuseums Basel und des Museums für Gegenwartskunst», Hungerkünstler Verlag, Basel 2013. CHF 24.80 / EUR 22.00
- Museumsnacht Basel, Interventionen: Lesungen, Performances und Installationen vor Bildern in der Sammlung. Kunstmuseum Basel, 19.30h, 20.30h, 21.30h