Babymetal – Harte Musik mit Jöö-Effekt

Drei Mädchen in Schuluniform quietschen mit der Gitarre um die Wette. Das ist Babymetal – herziger Hyper-Heavy mit Hüpfburg-Appeal. Am Donnerstag zu sehen im Z7.

He Jöö – statt Hell Yeah!

Drei Mädchen in Schuluniform quietschen mit der Gitarre um die Wette. Das ist Babymetal – herziger Hyper-Heavy mit Hüpfburg-Appeal. Am Donnerstag zu sehen im Z7.

Minderjährige in Schuluniformen kennt man im Reich der harten Gitarrenmusik, seit Angus Young Anfang der Siebziger mit zarten 15 Jahren die Schule schmiss und mit Solis im Scherenschritt die Welt eroberte. Auch eine bunte Glitzerzeug-Phase durchlebte der Hard Rock in den Achtzigern.

Doch so etwas Abgefahrenes wie die japanischen Mädchen von Babymetal hat man hier noch nicht gesehen. Die synchron programmierten Reissbrett-Girls sind das fleischgewordene Szenario einer Spielkonsole. Entsprechend hyperventiliert der Sound.

Musiker in Skelett-Kostümen nudeln sich technisch überaus versiert von Thrash zu Symphonic Metal, gewürzt mit synthetischen Sounds zwischen Scooter und Super Mario sowie einem guten Schuss Schlager im Refrain.

Bloss nicht dick werden!

Anstelle der klassischen Metalthemen wie Sex und Heldentum – oder deren Kombination – besingen Babymetal böses Teenager-Mobbing oder die Angst, von verführerischer Schokolade dick zu werden – so man der Übersetzung aus dem Japanischen glauben kann.

In ihrer Headbanger-Choreo schütteln sie den Kopf seitwärts statt im bewährten Vor-zurück-Modus. Auch formen sie mit den Händen auch nicht die Teufelshörner, sondern machen den Schattenspielfuchs. So huldigen sie dem «Kitsune», der mystischen japanischen Fuchsgottheit. 
Entzückt ruft man he jöööh statt hell yeah! Und damit stellen Babymetal das Musik-Genre der rockenden Bad Boys komplett auf den Kopf. Denn sie sind einfach süss.

Kawaii Metal nennt sich dieser herzige Heavy. Kawaii steht für liebenswert, niedlich – kindlich und attraktiv. Diese Attribut-Kombination geht nur im Lande der aufgehenden Sonne ohne Grüsel-Gedanken durch. Bei uns kennt man gerade mal die Kinderfiguren Hello Kitty oder Pikachu. Dort ist die Niedlichkeitsästhetik jedoch so etabliert, dass Behörden seriöse Warnungen in Kawaii gestalten und selbst das Militär so wirbt. Für Kindersoldaten?


Als eine Art Kindersoldaten kann man Su-Metal, YuiMetal und MoaMetal durchaus betrachten. Die drei sind eine Splittertruppe von Sakura Gakuin, einer J-Pop Idol Group, gecastet und gemanagt von einer Teenager-Show-Biz-Schmiede.

Die Hauptgruppe besteht aus einem Dutzend Mädchen zwischen 10 und 15 Jahren. Wer von ihnen die Mittelschule verlässt, wird mit einer Zeremonie auch von der Band verabschiedet. Millionen Fans verfolgen dies am Bildschirm. Ein Jahrbuch hält die Bandgeschichte fest.

Dank dem Metal-Entscheid der Manager dauern die Karrieren der Babymetal Girls über die üblichen Teenager-Tage hinaus. Su-Metal ist heute volljährig, die beiden Seitenflügel werden auf der jetzigen Europatour 17, was die fanatischen Fans in den zahlreichen Foren frenetisch vorfeiern. Der persönliche Bezug zu den Retorten-Wesen ist Teil des japanischen Fankultes.

Killer-Konsum-Kreuzung vom Reissbrett

Nun kreuzen sich die mit den Metal-Fans, die im westlichen Genrevergleich die loyalsten Bandanhänger sind. Metalheadz kaufen die neuen Platten ihrer Helden ungehört und das Tour-Shirt gehört zum Konzertbesuch wie das Bier. Diese Killer-Konsum-Kreuzung haben sich die japanischen Manager 2010 wohl nicht überlegt. Ansonsten macht Bandmanager Kobametal keinen Hehl daraus, dass die Band seine Reissbrett-Kreation ist. Authentizität verspricht er trotzdem, da alle Involvierten, von den Komponisten über die Musiker bis zu den Make-up-Spezialisten es ernst meinen mit Metal.

Nur die drei Sängerinnen mussten das Genre erst mal kennenlernen und waren vor zwei Jahren noch schockiert von Crowdsurfern, Moshpit und der Wall of Death. Daheim füllen sie zwar schon länger die ganz grossen Hallen. Ausserhalb gelang der Durchbruch 2014, als Lady Gaga die Freakshow ins Vorprogramm ihrer US-Konzerte buchte und Babymetal auch bei den grossen Metal-Festivals auf die Bühne hüpften.

Nur Iron Maiden verkauften in England mehr Shirts als die japanischen Jungfrauen.

Die bösen Buben erlagen dem Charme der Mädchen im Nu: Rob Zombie, Lamb of God, Alice Cooper oder Metallica – alle wollen sie gemeinsam auf der Bühne stehen oder zumindest für ein Foto posieren. Und auch das Publikum liebt sie. Nur Iron Maiden verkauften bei ihrem Heimspiel am Sonisphere Festival in England mehr Shirts als die japanischen Jungfrauen.

Nun touren Babymetal mit ihrem zweiten Album «Metal Resistance» durch Europa. Die vielen ausverkauften Shows zeigen an, dass der Boom anhält, auch wenn die Mädchen nun Frauen werden. An der Musik kann es trotzdem nicht wirklich liegen.

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Zwischen den grossen Festivalauftritten spielen Babymetal am Donnerstag, 2. Juni, eine Art «Clubshow» im Z7, Pratteln.

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