Super-8-Kamera, Kassettli und CB-Funk – jeder Kult findet irgendwann sein Revival. So auch die sogenannten Fanzines. In der Wortschöpfung stecken der Fan und das Magazin, ein Heft für ein ganz bestimmtes Publikum also.
So ein Fanzine belebt demnächst auch in Basel wieder ein Stück Zeitgeschichte. Es heisst «Overdrive» und wird weit mehr als bloss ein lustiges Retro-Produkt.
Damit so ein Printmagazin überhaupt entsteht, braucht es viel Herzblut. Die Macher des neuen Basler Fanzines sind denn auch keine zeitgeistgeilen Hipster. Robyn Trachsel (29), Sandro Miescher (31) und Luca Piazzalonga (23) sind alle lange nach den Siebzigern geboren. Trotzdem fühlen sie sich dem Do-it-Yourself-Geist des Punk verbunden.
Geballte Schöpfungskraft
Der Inhalt des «Overdrive»-Fanzine soll aber nicht Punk, sondern Hard ’n’ Heavy sein. Auch das mag altbacken klingen – doch genau gegen diese Vorstellung wehren sich die Macher. Miescher: «Vielleicht wären ‹Intensität›, ‹Dringlichkeit› und ‹experimentell› treffendere Attribute, um das Gemeinsame der Bands im Netzwerk von ‹Overdrive› zu fassen.»
Und dieses Netzwerk ist beachtlich gross. Die drei Fanzine-Gründer schütteln spontan locker über zehn Namen regionaler Bands aus dem Ärmel, die in der Szene aktiv und damit auch in den «Overdrive»-Kuchen involviert sind. Fast noch mal so viele reichen sie im Verlauf des Gesprächs nach. Man staunt über so viel harte Gitarrenpower aus Basel.
Miescher spielt selbst bei Tyrannosaurus Globi, Trachsel bei Asbest. Rudy Kink, der auf dem Foto fehlende Vierte im engeren Bund, ist gerade wieder mit den Sons of Morpheus unterwegs. Aber nicht alle bei «Overdrive» machen Musik, eine Szene braucht auch andere Kreative.
Luca Piazzalonga zum Beispiel. Er hat ein Flair für Bandshirts, die er in der eigenen Siebdruckerei herstellt. Für die Basler Überflieger Zeal & Ardor fertigte er das Branding-Eisen an, mit dem die Band ihren Fans ihr Logo ins Fleisch brennt. Fans, die sich bei den Konzerten dafür freiwillig melden – versteht sich.
Eine Szene lebt auf
Zeal & Ardor sind selbst ein so heisses Eisen geworden, dass man sich fragen kann, ob sie noch zur neuen Szene gehören – oder ob sie schon zu gross und erfolgreich sind, um zur Subkultur gezählt zu werden.
Miescher sieht in der Gruppe das klassische Beispiel einer Band, die hier erst wahrgenommen wurde, als grosse amerikanische Musikmagazine wie «Rolling Stone» oder «Noisey» von ihr zu schwärmen begannen: «Danach konnte man sie nicht mehr ignorieren.»
Den ersten Auftritt unter dem Namen Zeal & Ardor hatte Sänger Manuel Gagneux in der «Schwarzen Erle» – damals noch ohne Band und «vor fünf, sechs Leuten», wie sich Piazzalonga erinnert. «Zwei davon sitzen hier.»
Der Kulturraum im besetzten Haus war lange eine der wenigen Basler Auftrittsmöglichkeiten für harten Rock. Entdeckt wurden die Songs von Zeal & Ardor aber vor allem im Netz, und seither steht die Rockwelt Kopf. Ende August geht die Band auf US-Tour, danach folgen die Open Airs von Reading und Leeds.
Im «Overdrive»-Netzwerk mag man die Musik von Zeal & Ardor. Und man gönnt ihnen auch den Erfolg. Trotzdem relativiert Miescher: «Unsere Subkultur funktioniert und agiert unabhängig vom grossen Flagschiff.»
«Wir Städter haben neidisch nach Laufen geguckt, weil die Szene dort gross und sehr aktiv war.»
An das Frühlingserwachen von «Overdrive» erinnert sich Trachsel so: «Das war beim Souterrain-Festival. Zwar gab es davor schon lose Bindungen unter verschiedenen Leuten der Szene, aber da stellten Bands und Künstler erstmals gemeinsam etwas auf die Beine.»
Das Festival fand vergangenen April parallel zur BScene statt. Man wollte bewusst nicht als Konkurrenz auftreten, sondern vor allem sich selber präsentieren – damit aber auch durchaus ein Zeichen setzen, dass harte Musik in den letzten Jahren in Basel kaum Bühnen fand. «Wir Städter haben neidisch nach Laufen geguckt, weil die Szene dort gross und sehr aktiv war, und eine Band aus dem Laufental selbst bei Konzerten in Basel schnell 70 bis 100 Leute für einen ‹Battle of the Bands› mobilisieren konnte», sagt Miescher.
Die damalige Szene im Laufental mit Bands wie Navel und dem in einer ehemaligen Futterfabrik selbst gebauten Konzertclub Biomill – der in den oberen Stockwerken etliche Proberäume hat – nennt Trachsel gar als Vorbild: «In der Biomill entwickelte sich eine Szene von Bands, die sich gegenseitig unterstützten und nichts mit dem Mainstream zu tun hatten.»
Diese Ära neigt sich offenbar dem Ende zu. Dafür werden die Bands nun in Basel aktiv. Im Wochentakt spielt irgendwo in der Stadt eine der Bands aus jenem Umfeld. Anfang Juli füllten No Mute, Rich Kid Blue, Echolot und Oakhead zusammen mit der internationalen Stoner-Rock-Grösse Red Fang sogar das Z7 in Pratteln. Das positive Feedback von Veranstaltungsprofis und Publikum freut und motiviert das «Overdrive»-Kollektiv.
Das muss derzeit Lohn genug sein. Piazzalonga: «Eigentlich alles ist ehrenamtliches Engagement.» Dass die Energie ob all dem Aktivismus seit April schnell verpuffen könnte, sieht er aber nicht als Gefahr: «Wir haben alle unsere Geldjobs und privaten Engagements, die vorangehen. Ausserdem besteht unser Netzwerk aus sicher 50 Leuten, die man fragen kann, wenn man Hilfe braucht oder Know-how, was Booking, Technik oder Grafik angeht.»
«Das Fanzine soll einfach lustvoll sein – und politisch inkorrekt!»
Mittlerweile muss das Netzwerk auch nicht mehr alles selbst organisieren. So hat das Jugendkultur Festival JKF fast alle Bands des Souterrain-Festivals und dazu noch die Härte-Veteranen Zatokrev für Samstag, 2. September, auf der Theaterplatz-Bühne kuratiert – ohne vorherige Anfrage oder Absprache, was die Bands überraschte und umso mehr freute.
Trachsel: «Ein grosses Dankeschön dafür an die Veranstalter!» Sie freut sich besonders, erstmals am JKF zu spielen: «Nach einem Konzert der Laufentaler Navel-Vorgänger The Weeds auf der Klosterhofbühne kaufte ich meine erste Gitarre!»
Es gibt noch Platz für frische Ideen
Der geballte Auftritt beflügelte das Kollektiv, das «Overdrive»-Fanzine herauszubringen. Inhalt der ersten Nummer – die am 2. September erscheinen wird – sind die Bands auf der JKF-Bühne. Musik wird sicher auch bei den weiteren Ausgaben ein wichtiger Bestandteil sein. «Doch kommt es ganz darauf an, was Comic-Zeichner, Illustratoren oder andere Schreiber dazu beitragen wollen», so Miescher.
Man will sich auch nicht von anderen Szenen abgrenzen, wie andere Zines aus dem alternativen Untergrund, sondern sucht im Gegenteil den Austausch mit anderen Städten und Szenen, etwa den Machern rund um den Club Coq d’Or in Olten. «Es soll einfach lustvoll sein», so Piazzalonga, «und politisch inkorrekt!»
Inputs für die erste Augabe nimmt das «Overdrive» bis am 5. August gerne entgegen. Die Auflage soll rund 150 Exemplare betragen, der Verkaufspreis des werbefreien Zines bei etwa fünf Franken liegen – je nach Aufwand für die erste Ausgabe. Wie viele «Overdrive»-Hefte es geben wird, hängt gemäss Trachsel davon ab, «wie lange die Welle trägt und wohin sie führt. Entweder wir erreichen Relevanz. Oder halt nicht.»