Während den nächsten drei Tagen steht in Basel das geschriebene Wort im Zentrum. Die BuchBasel bespielt die verschiedensten Lokale mit Lesungen und literarischen Diskussionsrunden. Ein Rundgang in drei Akten.
Foyer Grosse Bühne, Theater Basel, 11:00 Uhr
Es ist kurz vor Mittag, ausser ein paar Schulklassen haben sich nur vereinzelt Zuhörer und -schauer auf den schwarzen Holzstühlen eingefunden, um Rolf Lapperts Lesung zu lauschen. Vielleicht ist das Durchschnittsalter aber auch deshalb so tief, weil es sich bei «Pampa Blues», Lapperts jüngstem Werk, um ein Jugendroman handelt. Diese sind bekanntlich nur in den seltensten Fällen auch generationenübergreifend erfolgreich und der Held von «Pampa Blues» ist eben kein kleiner Junge der zaubern kann.
Lappert liest zwei Passagen seines Buches, dazwischen gibt es ein wenig Talk mit einer Moderatorin. Der Roman handelt von einem sechzehnjährigen Jungen, Ben, der irgendwo in der deutschen Pampa lebt und sich um seinen pflegebedürftigen Grossvater kümmern muss. Naheliegenderweise dreht sich auch das Gespräch mit dem Autoren um die Themen Jugend und Erwachsenwerden. Die Rede ist von Verantwortung, von Reife, von Träumen und von schwierigen Entscheiden. Wenig originell; wie fast immer gipfelt auch dieses Gespräch in Gemeinplätzen. Die Absurdität der Situation, auf der Bühne ergehen sich Erwachsene in trivialpsychologischen Deutungen der Adoleszenz, in den Zuschauerreihen rutschen die Schüler unruhig auf den Sitzen herum und werfen verstohlene Blicke auf die Bildschirme ihrer Handys, wird erst gebrochen als sich die Gesprächsrunde öffnet und Fragen gestellt werden dürfen.
Rasch wird klar: Die Schüler beschäftigt weniger das Buch als die verzwickte Lage des Helden Ben. Bens grosse Liebe Lena stellt ihn nämlich vor eine schwierige Entscheidung, und will damit seine Reife prüfen. Von einem jungen Mann kommt dann auch die Frage, warum Lena eigentlich so unsensibel sein müsse. Aus den hinteren Reihen kichert es ein wenig, Auftritt Lappert: «Ich will es meinen Figuren so schwer wie möglich machen», erst dadurch, dass sich die Helden seiner Romane durch Berge von Problemen kämpfen müssten, würden diese zu spannenden Charakteren.
Foyer Grosse Bühne, Theater Basel, 12:30 Uhr
Die Versuchsanlage hat sich verändert. Nicht eine Lesung findet statt, sondern der Jugendliteraturclub. Wo zuvor noch Rolf Lappert und die Moderatorin vor ihren Wassergläsern und Mikrofonen gesessen sind, haben sechs Schüler Platz genommen. Lappert sitzt jetzt in der ersten Reihe, hinter ihm mindestens sechs Schulklassen aus verschiedenen Gymnasien beider Basel. Hannes Veragut, Deutschlehrer am Gymnasium Oberwil, erklärt was den Zuschauer erwartet: «Die Idee ist, dass die Jugendlichen untereinander über das Buch von Lappert diskutieren.»
Zuerst liest eine Schülerin eine Passage aus «Pampa Blues» vor, eben jene Stelle wo Lena Ben vor die schwierige Entscheidung stellt, geht er mit ihr und lässt somit seinen Grossvater im Stich, oder zeigt er Verantwortungsbereitschaft und bleibt? Die jungen Frauen und Männer (letztere stark in der Unterzahl) auf der Bühne diskutieren hitzig, bieten sich gegenseitig Paroli und werden erst vom mahnenden Geräusch eines Gongs unterbrochen. Der Autor muss sich einiges anhören: sein Buch sei erst ab der zweiten Hälfte spannend, viel zu detailiert uns anstelle des überhastigen Epilogs hätte er lieber ein zweites Buch schreiben sollen. Schärfer und vor allem konkreter als jeder Feuilletonist üben die Schüler Kritik – und dies erst noch in Anwesenheit des Autors.
Galerie Beyeler, 14:00 Uhr
Wahrhaft verwinkelt ist der Weg in den Raum der Galerie Beyeler. Im Innenhof werden Marroni gebraten und gegessen, am Boden liegt wie mit Absicht hübsch-buntes Laub verstreut und auf Häufchen.
Die Lesung steht unter dem Thema «Secondos und Sautschinggen – gibt es die noch?». Trotz prokativem Titel ist der Raum nur knapp zu einem Drittel mit Zuschauern gefüllt. Hinter den Mikrofonen sitzen Patric Marino und Francesco Micieli. Beide schreiben auf Deutsch, beide sind in mindestens zwei Kulturen zu Hause.
Marino, der junge Berner, legt mit «Nonno spricht» seinen Debütroman vor. Darin besingt er eine von seinem Grossvater idyllisch verklärte Welt eines kalabresischen Dorfes aus der Sicht eines Italo-Schweizers der dritten Generation. Es geht um das Einlegen von Tomaten, um die von der Hitze trägen Mittagsstunden und um Fahrradtouren mit Nonno.
Ernster geht es bei Micieli zu und her. Sein Buch «Schwazzenbach» stellt eine Erinnerungsreise in die Schweiz zu Beginn der 1970er-Jahre dar. Es ist die Zeit der Überfremdungsinitiative von James Schwarzenbach, als die Italiener noch die «Fremden Fötzel» waren. So unterschiedlich die Biografien der beiden Autoren auch sind, in der anschliessenden Diskussion über die beiden Bücher stellen sie beide doch auch Gemeinsamkeiten fest. Die Frage nach der eigenen Identität ist eine solche Gemeinsamkeit, nur die Antworten fallen eben unterschiedlich aus. Micieli, der in der Schweiz lebende Italo-Albaner, spricht von einer Zerrissenheit zwischen den Kulturen. Patric Marino hingegen erlebt seine beiden kulturellen Hintergründe als einander ergänzend.
Noch bis Sonntag Nachmittag finden überall in der Stadt, und darüber hinaus Veranstaltungen im Rahmen der BuchBasel statt. Am Sonntag um 11:00 Uhr wird im Theater Basel der Schweizer Buchpreis verliehen.