Bis zum berauschenden Liebestod

Capri Connection bringt ein Stück Bayreuth nach Basel. Mit Versatzstücken aus dem Bühnenbild von Marthalers «Tristan und Isolde»-Inszenierung will die Theatergruppe dem schier undurchschaubaren Kosmos von Wagners Oper auf den Grund gehen – ein Unterfangen, das nur zum Teil überzeugt.

Wagnererben-Streit im Wagner-Bühnenbild (Bild: Donata Ettlin)

Capri Connection versucht mit «Tristan oder Isolde» dem Wesen der grossen Liebestragödie auf den Grund zu gehen – in den Überresten eines Bühnenbilds von Anna Viebrock zu Christoph Marthalers abgespielter Tristan-Inszenierung in Bayreuth .

Richard Wagner hat stets etwas mit Bewältigung zu tun. Das wurde zu seinem 200. Geburtstag im vergangenen Jahr einmal mehr überdeutlich. Da war auf der einen Seite sein unsäglicher Antisemitismus und seine Vereinnahmung durch die Nationalsozialisten – aber um das geht es hier nicht. Auf der anderen Seite seine hypnotische Musik und die Stoffe, die er in seinen Opern behandelte. Darum geht es in «Tristan oder Isolde» von Capri Connection.

«Tristan oder Isolde» meint natürlich «Tristan und Isolde», die epochale musikalische Liebestragödie des Meisters vom grünen Hügel. Christoph Marthaler hatte diese Oper 2005 in Bayreuth inszeniert, in einem unverwechselbaren Bühnenbild von Anna Viebrock. Mit von der Partie, wenn auch nur in der zweiten Reihe, war damals die Regieassistentin Anna Sophie Mahler, die 2006 in Basel die freie Theatergruppe Capri Connection mit ins Leben rief.

Tristan-Bewältigung

Diese Marthaler-Inszenierung und im speziellen das Bühnenbild sind nun die Ausgangspunkte ihrer aktuellen Theaterproduktion. Oder besser der theatralen Reflexion. Denn wie bereits erwähnt, geht es bei Wagner so oft um Bewältigung. Hier also ist es die ehemalige Regieassistentin, deren Aufgabe auch darin bestand, mehreren Wiederaufnahmen in Bayreuth szenisch in Ordnung zu bekommen, die ihre Wagner- beziehungsweise Tristan-Vergangenheit zu bewältigen hat. Und die hierfür zwei Schauspielerinnen (Susanne Abelein und Rahel Hubacher) sowie drei Musiker (Benjamin Brodbeck, Benny Hauser und Stefan Wirth) mit an Bord geholt hat.

Das klingt erst einmal ganz witzig. Ist es bis zu einem bestimmten Punkt auch. Es klingt aber auch ganz schön bizarr. Das ist es ebenfalls.

Überreste des Bayreuth-Bühnenbilds

Von hintergründigem Witz ist die glaubhaft kolportierte Entstehungsgeschichte der Produktion. Die Marthaler-Inszenierung von «Tristan und Isolde» in Bayreuth war 2012 abgespielt. Das tonnenschwere Bühnenbild stand unmittelbar vor seiner Entsorgung, was die Regieassistentin und nun Regisseurin Anne-Sophie Mahler auf die Idee brachte, zu retten, was man auf die Schnelle zusammenklauben konnte, um es als Rahmen für ein Tristan-Bewältigungstheaterprojekt nutzen zu können.

Das Bühnenbild (Marthaler-Bühnenbildner Duri Bischoff verwertete das Bühnenbild von Marthaler-Bühnenbildnerin Anna Viebrock) präsentiert sich in der Reithalle der Kaserne Basel als Flickwerk. Der Hintergrund wird von unterschiedlich grossen Versatzstücken des riesigen Getäfers aus dem Bayreuth-Bühnenbild gesäumt. Im Vordergrund liegen losgelöste Stücke des wuchtigen Fischgratparketts auf dem Boden. Und neben einigen grossen Klappstühlen steht ein abgetrennter Teil des ausladenden Sofas aus Viebrocks Originalausstattung. Und darüber schweben einige der Hängelampen, die in Bayreuth in Bewegung versetzt wurden, in der Kaserne Basel aber an Ort und Stelle hängenbleiben.

Stummer Tristan-Akkord

Auf dieser Bühnen begegnen wir nun der Schauspielerin Susanne Abelein im Teddybären-Look, die nach eigenen Angaben Mühe mit dem Tristan-Projekt bekundet. Sie hätte lieber etwas zur Schönheit der Tiere gemacht, habe sich aber durch den Aufruf zur Spontaneität und Flexibilität überreden lassen. Weniger Schwierigkeiten mit dem Stoff bekundet ihre Bühnenpartnerin Rahel Hubacher, die im schönsten Berndeutsch darüber zu philosophieren beginnt, dass es bei «Tristan und Isolde» letztlich ja irgendwie um die Auflösung der Geschlechter gehe.

Begleitet werden die beiden Schauspielerinnen vom Musiker Benjamin Brodbeck, der auf einem stummen Klavier den berühmten Tristan-Akkord «zeigt» (den er später auf einer Melodica und von Benny Hauser mit einer Bassgitarre begleitet auch noch zum Erklingen bringt) und von der Regisseurin, die eben diesen so viel beschriebenen Akkord musikwissenschaftlich zu erklären versucht. Den Akkord, «der einen in etwas hineinzieht, von dem man sich fragt, wie komme ich da wieder raus». (Zur Anschauung: so klingt der Tristan-Akkord im Original.)

Selbstironischer Diskurs über Wagner

Dieser (selbst-)ironische Diskurs über Wagner und seine Oper «Tristan und Isolde» hat viel hintergründigen Witz – auch wenn betont wird, dass bei Tristan eigentlich an keiner Stelle gelacht werden dürfe, «weil Wagner das nicht aufgeschrieben hat». Das funktioniert, solange die Schauspielerinnen und Musiker sich über den eigentlichen Wagner-Kosmos auslassen (und zwischendurch auch den ewigen Streit unter den Wagner-Erben thematisieren).

Im Verlauf des rund 70-minütigen Abends verlagert sich das inhaltliche Gewicht des Diskurses auf das Wesen der unsterblichen und eben deshalb den Tod heraufbeschwörenden grossen Liebe. Damit verliert der Abend aber an Eindringlichkeit. Das zeigt sich auf geradezu frappante Weise am Schluss des Abends. Der Pianist Stefan Wirth in einem T-Shirt mit dem Schriftzug von Tristans Liebesbezeugung «O sink hernieder, Nacht der Liebe» zieht einen «Steinway & Sons»-Konzertflügel auf die Bühne und setzt mit fulminantem Spiel zum grossen Liebestod-Finale an. Und es zeigt sich, dass die Musik von Richard Wagner so viel mehr über die Liebe aussagen kann als das verbale Sinnieren darüber.

 

Capri Connection
«Tristan oder Isolde»
Szenische Leitung, Gesang, Geige: Anne Sophie Mahler, Bühne: Duri Bischoff (nach einem Bühnenbild von Anna Viebrock), Kostüme: Nic Tillein, Musikalische Beratung: Stefan Wirth
Mit Susanne Abelein, Rahel Hubacher, Benjamin Brodbeck, Benny Hauser, Stefan Wirth
Kaserne Basel, Reithalle, 14./15. Februar 2014, 20 Uhr.

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