Black Sabbath zelebrieren ein letztes Mal die Finsternis

Ozzy und Co. haben auf ihrer Abschiedstour auch an ihre Schweizer Fans gedacht und diese mit einer Zeitreise zu den Anfängen der legendären Band beglückt.

Furcht? Zerfurcht! Ozzy Osbourne (69), der «Prince of Darkness».

(Bild: BALAZS MOHAI)

Ozzy und Co. haben auf ihrer Abschiedstour auch an ihre Schweizer Fans gedacht und diese mit einer Zeitreise zu den Anfängen beglückt. Im fast ausverkauften Hallenstadion erlebte man grossartige Songs einer legendären Band, die – man mochte seit «The Osbournes» daran zweifeln – noch immer ernstzunehmen ist.

Da steht er vorne an der Bühne, mit einem Umhang, den er Graf Dracula entlehnt hat. Back in Black: Ozzy Osbourne ist zurück, der «Prince of fucking Darkness» (remember «The Osbournes»?). Da steht er im Hallenstadion Zürich, vom Leben gezeichnet, mit einer gebückten Körperhaltung, die an eine Cartoonfigur erinnert.

Bei der Geburt getrennt? Mr. Osbourne und Mr. Burns.

67 Jahre alt ist er. Und man wundert sich erfreut, dass Ozzy überhaupt noch lebt. Dass sie alle noch leben. Geezer Butler, der Bassist, der 1969 die geniale Idee hatte, den Bandnamen von Earth in Black Sabbath zu ändern. Tony Iommi, der Gitarrist, der das Gruselkonzept verfeinerte: So viele Leute gehen ins Kino, um sich zu fürchten – könnte das nicht auch in der Musik funktionieren?

Schwere Riffs, bedrohliche Melodien, dunkle Anspielungen: Black Sabbath setzten damit einen unverkennbaren Kontrast zur kunterbunten Hippie-Ära. Sie beleuchteten die Schattenseiten der Gesellschaft: Gab es je zuvor einen Songtitel wie «Paranoid»?

Pioniere waren sie. Stars wurden sie. Und Genre-Legenden sind sie. Black Sabbath haben den schweren Rock geprägt wie nur wenige Bands. Das wissen auch auffallend viele junge Musikfans, die an diesem 15. Juni ins Hallenstadion gepilgert sind, um die Band live zu erleben. Ihr letztes Gastspiel liegt erst zwei Jahre zurück. Aber diesmal fühlt es sich anders an. «The End» lautet der programmatische Tourneetitel.

Zum Abschluss erinnert die Band konsequent an ihre Anfänge: Mit einer Setliste, die womöglich jener ihres Konzerts im Basler Atlantis (!) in den frühen 1970ern nicht unähnlich war, vom herrlich diabolischen, verschleppten «Black Sabbath» über den verkoksten Rauschsong «Snowblind» bis zum Shufflerock von «Children of the Grave»: alles wie vor 40 Jahren. Doch die wenigsten im Publikum hatten diese Musik damals schon gekannt.

Nur der Schlagzeuger wurde ausgewechselt

Selbst ihr Schlagzeuger erinnert mit seinen flatternden Haaren, ausufernden Armbewegungen und den zwei Bass Drums an den Ursprung dieser Ära. Tommy Clufetos heisst er, ist Amerikaner und halb so alt wie die anderen drei, was man seiner Athletik anmerkt. Er ersetzt Ur-Drummer Bill Ward, der leistungsmässig nicht mehr genügte. 

Zwar sind Butler, Iommi und Osbourne in ihren Bewegungen, der Bühnenperformance, äusserst zurückhaltend. Ansonsten aber merkt man ihnen das Alter nicht an: Es ist eine erstaunliche Wand, die sie ins Stadion schieben: laut. Druckvoll. Hypnotisch.

Dabei kommt es ihnen entgegen, dass sich ihre Songs nie über die Geschwindigkeit profilierten, sondern über den Ausdruck. Schwere erzeugt man nicht durch Tempo. Auch das haben Black Sabbath als eine der ersten Rockbands überhaupt erkannt. Und sich den Ausdruck bis heute bewahrt. Man mag das konservativ nennen.

Ich sage dem: unverwechselbar.

Denn nebst Ozzys eindringlichem Gesang bleibt auch das Gitarrenspiel von Tony Iommi absolut unverkennbar.

Bedrohlicher Gesamtsound

Die Legende zu seinem dunklen Sound, man kann sie nicht genügend oft wiedergeben: Wie ihm ein Unfall in die Hand spielte, als er sich mit 17 bei der Arbeit in einer Stahlfabrik an den Fingerkuppen verletzte, so schwer, dass er einen neuen Weg finden musste, um überhaupt weiter Musik machen zu können. Am Ende führte dies dazu, dass er sein Instrument tiefer zu stimmen begann. Was der Bedrohlichkeit des Gesamtsounds nur förderlich war. Und längst von Tausenden Bands kopiert worden ist.

Doch wer Black Sabbath mit diesen Trademarks einfach als Heavy-Metal-Pioniere klassifiziert, wird ihnen nicht gerecht. Sie sind vielfältiger, melodiöser auch, als man annehmen mag. Stilistisch zwar nicht ganz so breit wie Led Zeppelin (den Reggae etwa haben sie sich geschenkt, den Folk auch), ist ihr Set durchaus abwechslungsreich. Mit «Fairy Wear Boots» etwa spielen sie früh schon einen alten Bastard aus Blues- und Psychedelik-Rock, der auch in Woodstock gut angekommen wäre.   

Nicht zu vergessen Balladen wie «Changes» (1972) – die dem Publikum diesmal allerdings vorenthalten wird. Vielleicht wäre ihnen das als Abschiedsgruss dann doch zu viel der Sentimentalität gewesen.

Die Pianoballade fehlt, Keyboardsounds sind aber dennoch zu vernehmen: Rick Wakemans Sohn Adam, irgendwo im Bühnendunkel versteckt, darf ein, zweimal in die Tasten greifen und auch mal ein Sample einspielen – etwa das Sirenengeheul bei «War Pigs». Das fährt ein, wie der ganze Song, der mit seiner Dringlichkeit nichts an Aktualität eingebüsst hat.

 

Alles grossartig? Fast alles. Manche Videoanimationen wären nicht nötig gewesen – jene mit der Ästhetik von Videospielen aus den 90er-Jahren. Und auch über die Dramaturgie des Neverending-Schlagzeugsolos (das immer wieder von vorne startete) kann man streiten. Aber diese langen Minuten dienen den Urmitgliedern wohl jeweils als Erholungsphase hinter der Bühne.

Lässt sich da einer ein Sargtürchen offen?

Weitaus verzeihlicher sind da die Stimmungsprobleme, die man bei Ozzy ein-, zweimal ausmachen kann. Die meisten Reibungen sind aber gewollt. Wer im Vorfeld befürchtet hatte, Ozzy Osbourne, der Mann, der nach einem exzessiven Leben von der eigenen TV-Fernbedienung überfordert ist, mache sich zum Affen, wird eines besseren belehrt. Er kann noch immer singen. Er ist noch immer präsent. Und jetzt bereit, Schluss zu machen.

«Es ist das Ende von Black Sabbath», sagt Ozzy Osbourne. «Nach dieser Tour gehen wir heim.»

Ja gut, nach Hause gehen sie alle. Aber bleiben sie da dann auch bis in alle Ewigkeit? Oder lässt sich da einer ein Sargtürchen offen – für eine weitere Auferstehung?

Das, nun, das müsste nicht sein. Wir haben Legenden erlebt und ihr Vermächtnis noch einmal live hören dürfen. Diese Erschütterung bleibt haften. Sargdeckel zu, darüber die Inschrift: Vielen Dank, Black Sabbath, für euren Beitrag zur Rockgeschichte. Man wird euch nicht vergessen.

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