Blättermovies

Es dröhnt und kreischt, und Laub färbt die Luft blutrot: Der alltägliche Splatter-Film des Herbstes.

Ein brutaler Herbst mit Blättern als Hauptdarstellern. (Bild: Artwork: Nils Fisch)

Es dröhnt und kreischt, und Laub färbt die Luft blutrot: Der alltägliche Splatter-Film des Herbstes.

Splatter-Movies sorgen bei empfindsamen Geistern für Entsetzen. Wenn stundenlang Blut spritzt oder Körperteile zuhauf abfallen oder Innereien nur so platzen, findet die feingeistige Gedankengängerin meist keinen Sinn darin. In der Splatter-Gemeinde gilt es hingegen als besonders entzückend, wenn Köpfe zum Kegeln und nicht zum Denken genutzt werden. Das Aufheulen einer Kettensäge gehört zum guten Ton. Splatter-Fans kokettieren sogar gerne damit, dass sie schockieren. Splatter-Movies wirbeln eben gern Staub auf.

Wenn Sie nun glauben, Splatter-Movies würden nur in verrauchten Clublokalen oder muffigen Teenager-Zimmern gespielt, haben Sie sich getäuscht. Möglicherweise spielt sich der nächste Schocker bereits morgen früh in Ihres Nachbarn Vorgarten ab. Es ist die Jahreszeit dazu.

Besonders nach klaren Herbstnächten sieht man sie nämlich oft – unter Bäumen, die ermattet ihr blutrotes Laub haben fallen lassen: die Krieger der Vorstädte. Sie kriechen im Schutze der Nacht aus ihren Unterschlüpfen hervor, mit Kampf-Motoren auf dem Rücken, mit Schutzbrillen vor den Gesichtern, mit Ohrenschutz um den Kopf und mit einem gewaltigen Schlauch aus der Hüfte. Meist schreiten sie mit grausigem Ingrimm und jaulenden Motoren zur Tat: Sie tauchen ihre Rüssel in das gefallene Laub, das nun alsbald die Luft um sie herum blutrot färbt.

Erst bläst der eine Kampf-Bläser das Laub in den Garten des anderen, ehe der andere Kampf-Bläser dem einen seins wieder zurückbläst. Viel mehr passiert nicht. Das wars. Stundenlang. Blätter-Movies haben noch nie durch besonders sinnvolle Handlung imponiert. Viel eher schockieren sie mit gewalttätigem Sounddesign. Hauptsache, der Staub ist aufgewirbelt.

Auf «Blätter 1» folgt, wie immer im Splatter-Business, ein Sequel. In «Blätter 2» fällt einem Mann (der Laubbläser muss eine Erfindung von Männern sein, die zu Hause mal Putzdienst hatten und den Staubsauger nicht gefunden haben, sich aber noch schwach daran erinnern können, wie es tönt, wenn eine Frau putzt: Es braust und es bläst …), der einen Motorbesen erfinden will, eine Kippe ins Benzin, worauf der Motor explodiert und samt Zündkerzen genau dort landet, wo der Mann sein Hirn hatte.

Das Splätterige daran ist, dass der Motor weiter läuft und die Zündkerzen in den Augen des Mannes effektvolle Funken tanzen lassen, während er nun aufsteht und mit dem Besen in der Hand den Boden kehrt. Auch in «Blätter-Movie 2» ist also die Handlung wiederum mega simpel. Aber ob sie genug Staub aufwirbelt?

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 26.10.12

Nächster Artikel