«Blickfang»-Eröffnung mit einer Prise Wehmut

Die «Blickfang Basel» hat ihre Tore geöffnet. Während drei Tagen präsentieren rund 120 Labels ihre neusten Kollektionen dem Publikum. Etwa ein Drittel der Designer kommt aus der Region, wie «Blickfang»-Gründer Dieter Hofmann im Gespräch erklärt.

Der letzte Schliff... (Bild: Hans-Jörg Walter)

Die «Blickfang Basel» hat ihre Tore geöffnet. Während drei Tagen präsentieren rund 120 Labels ihre neusten Kollektionen dem Publikum. Etwa ein Drittel der Designer kommt aus der Region, wie «Blickfang»-Gründer Dieter Hofmann im Gespräch erklärt.

Es sei doch tatsächlich etwas Wehmut mit dabei, sagt «Blickfang»-Gründer Dieter Hofmann kurz vor der Eröffnung der dritten Basler Ausgabe. Wehmut? Es fängt doch grade erst an! Doch Hofmann weiss, dass er nächstes Jahr mit seiner Messe nicht mehr in die E-Halle zurückkehren wird. Stattdessen wird die «Blickfang» ihre Stände in der Messehalle 5 aufbauen. Doppelt soviele Quadratmeter erwarten sie da und richtige Messeatmosphäre, aber auch viel weniger Charme.

Hofmann aber konzentriert sich – trotz Wehmut – auf die positiven Seiten: Mehr Luft habe man dann, könne eine gemütliche Lounge aufbauen und natürlich die Anzahl der präsentierten Labels markant erhöhen. So plant der Messe-Mann auch gleich einige Neuerungen, die designbewusste Eltern sowie Velofahrer freuen werden: Neue Sektoren für Kids und Bikes sollen das Angebot 2013 erweitern.

Viele Möbel, viel Mode

Noch aber schreiben wir das Jahr 2012, und der Hauptakzent liegt augenscheinlich auf Möbel- und Modedesign. Die Velofans müssen sich mit Bike Jucker begnügen oder sich eine aus einem Velorad gebaute «Rim-Lamp» des Stuttgarter Designers Daniele Luciano Ferrazzano zutun. Auch für die Kids gibts heuer noch nicht allzu viel. Neben dem von zwei Basler Müttern betriebenen Label «La Mela», das etwas Farbe in den Kinderkleiderschrank bringt, fallen vor allem die Möbelmacher von «Mini Möbl» ins Auge: Sie präsentieren nicht ihre Kollektion, sondern lassen die Kinder gleich selber ans Werk: In einem zweistündigen Workshop können sie sich ihr eigenes Minimöbel zusammenbauen.

Die Eltern können währenddessen durch die Halle schlendern. Irgendetwas werden sie sicher entdecken, denn die «Blickfang» bietet für jeden und jede etwas. Qualitative Unterschiede können zwar auch dieses Jahr ausgemacht werden: Manches erinnert eher an Hobbyarbeit als an ernstzunehmendes Design. Aber schlussendlich ist doch alles Geschmackssache. Und es geht nicht nur ums Sehen – es geht auch ums Gesehenwerden, wie auch Dieter Hofmann im Gespräch mit der TagesWoche sagt.

Dieter Hofmann.

Dieter Hofmann. (Bild: Michael Würtenberg)

Herr Hofmann, ist «Blickfang» eine Designmesse oder ein Warenmarkt für gehobene Ansprüche?

«Blickfang» ist eine Designmesse, wo sich aufstrebende Labels aus den Bereichen Mode, Schmuck und Möbel präsentieren. Man kann vielleicht auch sagen, ein temporäres Designkaufhaus. Hier kann ich als Besucher hinkommen, ich lerne den Designer persönlich kennen und kann direkt vor Ort kaufen.

Wer «Blickfang» besucht, ist hip. Man adelt sich als Konsument.

Gut, es gibt schon auch den Aspekt vom Sehen und Gesehenwerden, man geht hin und trifft coole Leute, ist dadurch selbst auch ein bisschen cool. Das mag sein. Doch das ist okay, das pflegen wir ja auch selber mit der loungigen Atmosphäre, mit dem persönlichen Kontakt zu den Designern – das gehört zum Spirit von «Blickfang».

Wie würden Sie das Publikum beschreiben?

Altersmässig ist von 18 bis Ende 60 alles vertreten. In Stuttgart haben wir mal ein Marktforschungsinstitut beauftragt, da kamen 39,5 Jahre als Durchschnittsalter heraus.

Weil doch eher ältere Leute das Geld haben.

Die Kaufkraft spielt eine Rolle, das gebe ich zu. Die Hauptklammer ist aber nicht das Alter, sondern: Es sind urban geprägte Menschen, die einen gewissen Sinn für Ästhetik und Individualität haben. Das muss nicht unbedingt teurer sein als in einem konventionellen Geschäft. Aber es hat einen gewissen Mehrwert. Ich kann zu einem solchen Produkt etwas erzählen, woher es kommt, wer es gemacht hat. Damit trifft «Blickfang» auch einen ethischen Anspruch.

Was war Ihre Idee, als Sie «Blickfang» gründeten?

Die Idee war, den manufakturell arbeitenden Designern eine kommerzielle Plattform zu ermöglichen. Dass sie direkt mit dem Endverbraucher in Kontakt treten können.

Und wie sind die Feedbacks der Aussteller?

Ich weiss von vielen Ausstellern, für die ist «Blickfang» so etwas wie der 13. Monatslohn oder sogar etwas mehr. Natürlich funktioniert das nicht bei allen. Ein Designer hat das mal sehr schön beschrieben. Er sagte, «Blickfang» sei wie ein Katalysator, der die Dinge beschleunige – in beide Richtungen.

Es gibt ja inzwischen einige Designmessen. Was unterscheidet «Blickfang» von anderen?

Im Gegensatz zu anderen Designmessen sind wir nicht nur regional aufgestellt. Wir haben im Schnitt immer ein Drittel aus der Region, ein Drittel aus dem Land und ein Drittel aus dem Ausland. Das, finde ich, macht den besonderen Charme von «Blickfang» aus, dass die Messe zwar diese regionale Verankerung hat, aber auch ein Schaufenster nach draussen ist. Das wissen die Designer vor Ort sehr zu schätzen, da entstehen ganz spannende Netzwerke.

120 Aussteller sind in Basel dabei, wie viele haben sich beworben?

Es sind jeweils etwa doppelt so viele Bewerber, wie wir aufnehmen können.

Das heisst, viele erhalten eine Absage. Was sind die Kriterien bei der Auswahl?

Wir haben eine Auswahljury – drei Fachleute aus dem Hochschul- und Fachmedien-Bereich. Es geht aber nicht um die Vita des Ausstellers, sondern immer um das Produkt. Um dessen Eigenständigkeit, um das Design – sprich die Linie, die Designsprache. Dann hat in den letzten Jahren das Thema Nachhaltigkeit an Bedeutung gewonnen.

Das Alter der Aussteller?

Spielt keine Rolle. Wir vermeiden auch ganz bewusst das Wort Jungdesigner. Mehrheitlich sind es zwar jüngere Leute, aber es hat durchaus auch ältere Aussteller. Gemeinsam ist allen, dass sie sich ganz bewusst für das manufakturelle Arbeiten entschieden haben. Es sind Klein- und Kleinstunternehmer.

Gehen Sie auch aktiv auf die Suche nach jungen Talenten, nach interessanten Leuten?

Ja, wir gehen viel auf Messen, recherchieren in Fachmagazinen, gehen auf Abschlusspräsentationen von Studenten und beobachten den Markt, das muss man auch.

Was ist Ihr beruflicher Hintergrund?

Eigentlich wollte ich Innenarchitektur studieren. Ich habe dann eine Schreinerlehre angefangen, merkte jedoch, das ist nicht so ganz mein Ding. Kurzfristig schrieb ich mich für ein Betriebswirtschaftsstudium ein und gründete parallel zum Studium mit meinem Bruder eine Veranstaltungsfirma. Über diesen Umweg machte ich das, was mich schon privat interessierte zum Messethema – und zu meinem Lebensinhalt.

«Blickfang» wächst. Zu den bisherigen Standorten kommen noch Hamburg und Kopenhagen dazu. Was ist das Spezielle an den verschiedenen Standorten, was am Standort Basel?

Ich finde tatsächlich, dass jeder Standort seine Besonderheiten hat. In Basel zum Beispiel stehen so viele Fahrräder vor der Tür, wie sonst kaum irgendwo. Zürich – das meine ich jetzt aber absolut wertfrei – wirkt etwas elitärer als Basel. Sonst sehe ich die Unterschiede eher zwischen den Ländern. In der Schweiz wird ein gewisser Purismus gelebt, man legt viel Wert auf Qualität und Verarbeitung. In Wien hatten wir zwei Porzellanhersteller, die hatten auf ihren Tellern durch die Gegend fliegende Spermien und Dildos abgebildet. Das wäre in der Schweiz unvorstellbar.

Sie haben vom Trend zur Nachhaltigkeit gesprochen, gibt es noch andere Trends?

Ich bin eher der Möbelfachmann und kann deshalb nur über diese Sparte sprechen. Ich persönlich schmunzle über die Trends, die auf den grossen Möbelmessen ausgerufen werden, die ich dann kaum wiederfinde. Oder diese Berichte in Wohn-Magazinen über riesige Lofts: Ich kenne niemanden, der in so einer Wohnung wohnt. Ich weiss jetzt die Mietzinse in Basel nicht, in Zürich kenne ich sie ein bisschen, in Stuttgart gut – kein normal verdienender Mensch kann sich so etwas leisten. Die Leute leben nicht zu zweit auf 500 Quadratmetern, sondern auf 50 oder 100. Als Trend würde ich darum bezeichnen, dass die Dinge nebst Langlebigkeit eine gewisse Multifunktionalität haben müssen. Für mich erstaunlich ist, dass das Thema Älterwerden noch wenig beachtet wird – die ältere Zielgruppe, die sich zunehmend hochwertiger und moderner einrichten wird.

Wie kommen Sie darauf?

Ich bin jetzt 48. Und wenn ich mal 60 oder 70 bin, werde ich meine Wohnung nicht plötzlich barock einrichten – deshalb bin ich überzeugt, dass diese Zielgruppe im Design mehr Beachtung bekommen wird.

Die Zielgruppe wird einerseits älter, andererseits aber auch jünger – immer mehr sind auch Kinder im Visier der Designer.

Das stimmt, weil das eben auch ein gros­ser und spannender Markt ist. Dieses Jahr haben wir zum ersten Mal in Basel einen Design-Workshop für Kinder, der von dem Basler Label «Minimöbel» angeboten wird. Dort können Kinder ein eigenes Möbel zusammen­schrauben und dann mit nach Hause nehmen. In Stuttgart gibts eine Sonderfläche «Blickfang Kids», so etwas wollen wir nächstes Jahr auch in Basel machen.

  • «Blickfang», E-Halle, Erlenmattstr. 7, Fr 14–22, Sa 11–21, So 11–19 Uhr.

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