Bron trifft Blocher

Jean-Stéphane Brons Dokumentarfilm «L’Expérience Blocher» ist die Hauptattraktion von Locarno.

Filmemacher Jean-Stéphane Bron erklärt Christoph Blocher eine Einstellung seines Films. Die Erwartungen sind hoch – die Fallhöhe ist es auch. (Bild: Frenetic Films)

Jean-Stéphane Brons Dokumentarfilm «L’Expérience Blocher» wird am Dienstag in Locarno gezeigt. Klar ist schon jetzt: Er ist die Hauptattraktion des Festivals.

Wenn einer der begabtesten Dokumentarfilmer der Schweiz («Cleveland Versus Wallstreet») seine Zeit mit bedeutenden Menschen verbringt, kann man sich eigentlich beruhigt zurücklehnen.

Würde Jean-Stéphane Bron in seinem neuen Dokumentarfilm über ein intellektuelles Schwergewicht wie Hans Küng, einen Spitzenforscher wie Chemie-Nobelpreisträger Kurt Wüthrich oder eine streitbare Künstlerin wie Pipilotti Rist berichten – wir würden uns schon über unsere ­eigenen sehr hohen Erwartungen ein wenig langweilen.

Trotzkopf auf Leinwand

Was aber, wenn dieser Bron ein Jahr lang dem trotzigen Christoph Blocher mit der Kamera folgt und ihn nun vor ­unseren Augen und Ohren auf ein sehr, sehr grosses Leinwandbildformat zu einem veritablen Christophorus vergrös­sert? Können da unsere Erwartungen überhaupt so tief enttäuscht werden, wie sie derzeit hochschiessen?
Bron hat schon in «Mais im Bundeshuus» bewiesen, dass er gekonnt mit einem eisernen Gesetz der Satire arbeiten kann: Die Wirklichkeit kann entlarvender als jede Satire sein.

Am kommenden Dienstag ist es soweit: Dann wird «L’Expérience Blocher» am Filmfestival in Locarno ­gezeigt. Grossaufnahmen werden enthüllen, wie der Jurist Blocher die Übernahme der SBG durch den Bankverein einfädelte, nachdem man ihn aus dem Verwaltungsrat ausgeschlossen hatte. Das Filmteam ist hautnah dabei, wenn Blocher mit Martin Ebner die Lonza und die Alusuisse verscherbelt und einen unversteuerten Raider-Gewinn einstreicht. Ein von der NSA abgehörtes Telefongespräch gibt wörtlich wieder, was Millionär Moritz Suter Milliardär Christoph Blocher sagte, als er den «Basler Zeitung»-Bettel hinschmiss. Das hoffen wir.

Natürlich vergebens. Doch könnten unsere Erwartungen kleiner sein? Werden sie am Ende enttäuscht?

Alles streng geheim

Auf jeden Fall sind die Nerven gespannt – denn bis jetzt haben sich alle Beteiligten über den Inhalt des Films ausgeschwiegen.

Natürlich werden alle den Film sehen wollen. Wofür aber wird man ihn loben können? Dass er schonungslos alles aufdeckt? Dass er sich gar nicht bemüht, etwas aufzudecken? Dass er so raffiniert wenig aufdeckt, dass wir mit unserer Sensationslust ins Leere laufen? Wird man die stupenden Bilder ­loben können? Oder vielleicht das ­Subtile, das in den kleinen Gesten des Pfarrerbuben den Machtmenschen durchschimmern lässt?

Verblüffen wird uns gewiss, dass in der Nähe eines Mächtigen der Schweizer Politik ein Jahr lang kein Geist anzutreffen war, der in wenigen Sätzen beweisen konnte, wie Christoph Blocher sich mit Versteckspielen und Poltern an der Macht halten konnte.

Entlarvende Bilder und Worte

Werden das nun bald die Bilder von Bron tun können? Bilder können viel verraten. Besonders, wenn man lange genug und im richtigen Licht hinschauen darf. Und dafür würden wir Bron gerne loben können.

Dass Bron für seinen Film vom Bund Fördergelder in der Höhe von 250 000 Franken erhielt, brachte Blocher nicht ins Grübeln, obwohl er sonst gerne vermutet «Wes Brot ich ess, des Lied ich sing». Auch sonst sieht er dem Ereignis in Locarno gelassen entgegen.

Er hat dies schon vor einem Jahr im Fernsehen getan. Dabei war nicht so sehr entlarvend, dass er es auf «Tele-Blocher» tat, das neben der «Basler Zeitung» zu seinem Medienpool gehört. Entlarvend war auch nicht, was er sagte, sondern wie er es sagte. Oder um es mit Jean-Paul Belmondo zu sagen: «Auch ein Mensch, der 20 Sprachen beherrscht, gebraucht seine Muttersprache, wenn er sich in den Finger schneidet.»

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 02.08.13

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