7000 Besucher zählte die diesjährige Ausgabe des Clubfestivals BScene. Unser dritter Rundgang führte uns am Samstag vom Kleinbasel auf die andere Seite des Rheins, begleitet von sphärischen Sounds und feurigen World-Music-Rhythmen.
Unser Rundgang am Samstag beginnt im Volkshaus. War es am Freitag noch schlecht besucht, so zählen wir am Samstag bereits bei den ersten Konzerten insgesamt gegen 500 Besucher. Gut so, wurde das Volkshaus doch unlängst wiedereröffnet – und möchte sich jetzt auch als bedeutender Konzertort zurückmelden. Das wäre allein aus akustischen Gründen wünschenswert, bietet der grosse Saal für Rockkonzerte doch den besten Sound der Region. Und das beste daran: Er ist so schalldicht, dass einen Stock höher, wo The Hoanhiêu den Abend im Unionsaal eröffnen, kein Ton von den unten aufspielenden Kapoolas zu hören ist (die vor rund fünf Jahren eine BScene-Entdeckung waren und sich erfreulich weiterentwickeln).
Virtuell analoger Dream Pop
The Hoanhiêu stehen für ein Trio, das sich auf ambiente Sounds spezialisiert hat: Zwei Musiker entlocken ihren virtuell analogen Synthesizern prächtige Retrosounds und flankieren dabei ihren Gitarre spielenden Sänger. Dieser ist zweifellos charismatisch und hat das Zeug zum Frontmann, tänzelt zu Gitarrenarpeggi und geht in der Musik auf: Allerdings verliert er sich gesanglich hin und wieder in allzu kapriziösen Ausbrüchen, zum Beispiel in der Kopfstimme.
So schön der Dreampop von The Hoanhiêu anzuhören ist, so ausgetüftelt die Sounds auch sind – ein grosses Manko kristalliert sich stets dann heraus, wenn sich ihre Klangwolken im Verlauf eines Songs zu einem Gewitter zusammenbrauen: entsprechendes Beat-Programming. Die reduzierten, spartanischen Rhythmen haben keinerlei Dynamik und gehen in den Steigerungen völlig unter: So fehlt der Druck, der zwingend nötig wäre, um die erwünschte Sogwirkung zu erreichen. Nicht dass The Hoanhiêu zwingend einen Bassisten und Schlagzeuger bräuchten – wohl aber ein Live-Programming, das ihren Fähigkeiten und Songs gerecht wird.
Sehnsüchtiger Rock
Diesbezüglich sind Glaze einen Schritt weiter, wie wir nachher im Sud feststellen können: Sie setzen Sounds und Samples gekonnt ein, steigern sich episch zu schleppenden Grooves und erinnern mit ihrer sehnsüchtigen Musik an Bands wie Archive. Schön, wie die Band in den Refrains ausbricht, wie man mal im Hintergrund eine Gitarre heulen hört, wie satt sie zusammenspielt. Da kann man nachvollziehen, weshalb das Quintett im letzten Jahr den Baselbieter Firewire-Bandcontest gewonnen hat. Was man sich aber noch wünschen würde: Eindringlichere Strophengesänge – da können sich Glaze von Archive noch eine Scheibe abschneiden. Bestechend sind die Gesänge hingegen, wenn sie zweistimmig erklingen.
Virtuoser Bossa Nova
Wir pedalen über den Rhein, um die einzigen zwei BScene-Clubs auf Grossbasler Seite aufzusuchen. Im Jazzlokal Bird’s Eye, immerhin meistbespielter Club in der Nordwestschweiz, lauschte das Publikum andächtig der Musik des Aliéksey Vianna Trios. Eine Aufmerksamkeit, die wir zuvor in der 8-Bar vermisst hatten, wo das Trio Räss aufspielte: Die Programm-Jury hatte sich den Spass erlaubt, den Abend in der Kleinbasler Bar mit einer Volksmusik-Gruppe aus Aarau zu eröffnen. Warum einer der begehrten BScene-Slots dermassen verschenkt wurde, ist nicht nachvollziehbar. Die volkstümlichen Klänge gingen im allgemeinen Gequatsche völlig unter, vor der Bühne interessierte sich gerade Mal ein Dutzend Besucher für «Holderadio» und Co. Ein missglücktes Experiment – was absehbar war. Vielleicht der Beweis dafür, dass sich die Jury auf die Stärken dieses Festivals besinnen sollte, die bereits im Namen angedeutet sind: BS-Szene. Dass heuer «nur» 7000 Besucher gezählt wurden (gemäss den Veranstaltern), unterstreicht, dass die Einbindung überregionaler Acts wenig Sinn macht. Es gibt genügend Musiker im Raum Basel, die sich über einen Auftritt freuen und ihr Publikum gleich mitbringen würden. Diese Szenen-Nähe sollte das Festival nicht verlieren.
Im Bird’s Eye etwa war es mucksmäuschenstill, als das Trio um Aliéksey Vianna brasilianische Instrumentals anstimmte. Nuancenreich das Spiel, herausragend musikalisch, wie der Wahlbasler seine akustische Gitarre im Griff hatte, virtuos solierte, die Melodien manchmal mitsummte und zugleich die Rhythmusgitarre zupfte. Stark. Für die Bossa- und Samba-Grooves standen ihm Stephan Kurmann am Kontrabass und Mauro Martins am Schlagzeug variantenreich zur Seite. Souverän der Auftritt dieses Trios. Dafür liess man den Festivaltrubel gerne für einige Minuten links liegen.
Feuriger Latinrock
Zum Abschluss spazierten wir durch die Steinenvorstadt, in der die Frühlingsnacht zu House gefeiert wurde, um zur Kuppel zu gelangen – heuer der peripherste Club des Festivals. Dort präsentierte der bewährte Basler Gitarrist Jaro Milko sein neustes Projekt: The Cubalkanics. Die stilistische Mélange manifestiert sich bereits im Bandnamen: Kubanische Einflüsse kombiniert Milko mit Balkan-Sounds – wofür er sich als Gitarrist der Band Prekmurski Kavbojci in den letzten Jahren bestens warmgespielt hat. Flankiert wird der Gitarrist von vier exquisiten Musikern, die für einen druckvollen Sound sorgen – und das Publikum in Partylaune versetzen. Vor allem die feurigen Latinrock-Nummern erzielen eine bestechende Wirkung, es wird getanzt, während Milko in Santana-Manier soliert und von seiner exquisiten Band getragen wird: Da erkennen wir etwa Eric Gut (Scrucialists) am Schlagzeug, dessen Spiel von der Perkussionistin Ines Brodbeck herrlich ergänzt wird. Wunderbar auch die Idee, die Bassläufe mittels einer Posaune (die wohl durch Effekte geschleust wurde) erklingen zu lassen. Herrlich zudem, wie eine schmierigen Orgel Stings Stimme in «Roxanne» ersetzt, während die Band den Police-Klassiker in die Karibik zurückführt – dorthin also, wo die Briten ihre Inspiration geholt hatten.
So überzeugend diese Band auch aufspielt: Ein bisschen gewöhnungsbedürftig ist das musikalische Wechselbad, in welches das Publikum in der vollen Kuppel getaucht wird: Drosselt Milko doch immer wieder nach ekstatischen Klang- und Rhythmussalven das Tempo, zwingt das Publikum von der Karibik in den europäischen Osten und stimmt etwa eine Slow-Polka mit Tom-Waits-Gesang an – nicht immer ganz intonationssicher zwar, aber durchaus beseelt. Die Mélange zweier Kulturen manifestiert sich auch in einzelnen Liedern, wenn etwa in einer Cumbia die Rhythmen karibische Fröhlichkeit verheissen und mit osteuropäischen, melancholischen Melodien kombiniert werden. Die Cubalkanics – ein bisschen feuchtfröhliche Stimmung könnte man im Namen mitlesen – bescherten uns so einen feierlichen Abschluss unserer zweiten BScene-Nacht.