«Camp Cäsar»: So viel Theater-Power, dass es fast zu viel ist

Sie rennen, kämpfen und brüllen, als ob es ihnen tatsächlich ans Lebendige ginge: Das Junge Theater Basel schmettert «Camp Cäsar» mit Dauer-Power auf die Bühne.

Im Blutrausch: Jugendliche im Gesellschaftslabor «Camp Cäsar» (Bild: Uwe Heinrich)

Sie rennen, kämpfen und brüllen, als ob es ihnen tatsächlich ans Lebendige ginge: Das Junge Theater Basel schmettert «Camp Cäsar» mit beeindruckender, aber anstrengender Dauer-Power über die Riesenarena des Römertheaters Augst.

«Mir sinn voll im Arsch», brüllt einer der Jugendlichen ins weite Halbrund des Römertheaters. «Was isch do passiert? Mir hänn das nit wölle!», heisst es weiter. 17 dreckige Gestalten sind zuvor die vielen Stufen der imposanten Arena runtergekraxelt. Oder gerollt und gefallen. Seelenlose Figuren mit Dreck im Gesicht sowie auf den Kleidern und leerem Blick. Auf der mit blauem Glasgranulat übersäten Bühne stehen angekohlte Verschläge aus Holz und Wellblech. Da ist etwas ganz gehörig schief gelaufen.

Es ist ein eindrückliches Bild, mit dem die Aufführung des Projekts «Camp Cäsar» des Jungen Theaters Basel beginnt. Regisseur Daniel Wahl, der den Auftragstext von Tim Staffel zusammen mit seinem Ensemble – 17 jugendlichen Schauspielerinnen und Schauspielern zwischen 17 und 23 Jahren – ins Baseldeutsche übertragen hat, wird in den anderthalb Stunden, die dieser Abend dauert, noch viele weitere packende Bilder folgen lassen. Es ist eindrücklich, wie das junge Ensemble den schwer zu bespielenden weiten Raum zu füllen mag.

Das Res-publica-Experiment

Das Stück präsentiert die älteren Geschwister der von der Erwachsenenwelt abgeschnittenen Kinderschar aus William Goldings Roman «Herr der Fliegen». Eine Gruppe Jugendlicher, die in einem Chatroom über neue Möglichkeiten des gesellschaftlichen Zusammenlebens diskutiert hat, entschliesst sich zum Meeting im realen Leben. In einem abgelegenen Römertheater will man physisch anwesend ausprobieren, wie sich eine möglicherweise ideale Gesellschaft neu aufbauen lässt, herausfinden, wie Res publica entsteht und funktionieren kann.

Gleich zu Beginn wird Vollgas gegeben – und das bis zum Schluss so belassen.

Das geht natürlich schief, wie man auf den Zuschauerplätzen auf der Hinterbühne des Römertheaters gleich zu Beginn erfährt. Ganz gehörig schief, wie man am Schluss bestätigt bekommt. Der Zusammenhalt, das Funktionieren der Gesellschaft ist, wenn man sich nicht auf bestehende Strukturen verlassen kann, eine schwierige Sache. Oder gar eine unmögliche, wenn man von der pessimistischen These ausgeht, die dieser Abend vermittelt. Die Jugendlichen verstricken sich sogleich in gnadenlosen Machtkämpfen und Intrigen, die schliesslich, wie es bereits der richtige Cäsar erlebte, in blutrünstigem Tyrannenmord münden.

Das Theater-Experiment

Das Junge Theater Basel hat das inhaltliche Gesellschaftsexperiment «Camp Cäsar» mit einem Probenexperiment verbunden. Fünf Wochen lang hat sich das Ensemble, ebenfalls mehr oder weniger ausgeschlossen von der Aussenwelt, in ein Theatercamp auf dem Areal von Augusta Raurica zurückgezogen. «Die täglichen Erfahrungen der jungen Spielerinnen sind in die Interpretation des Textes eingeflossen», heisst es dazu im Programmzettel zum Stück.



Im Blutrausch: Jugendliche im Gesellschaftslabor «Camp Cäsar»

Im Blutrausch: Jugendliche im Gesellschaftslabor «Camp Cäsar» (Bild: Uwe Heinrich)

Das müssen nun aber wahrlich happige Erfahrungen gewesen sein. Denn der Abend lässt keinerlei positive Ansätze durchsickern. Zu erleben ist, wie die scheinbar logische Katastrophe ihren Verlauf nimmt. Und das mit viel Gepolter. Gleich zu Beginn wird Vollgas gegeben – und das bis zum Schluss so belassen. Gleich ob man nun einen Wahlkampf, eine Technoparty oder den blutrünstigen Schluss zu sehen bekommt: Die 17 jungen Männer und Frauen befinden sich im Dauerstress, brüllen, was die Stimmbänder aushalten, rennen, was die Puste hergibt und kämpfen bis zum Umfallen.

Zuviel Dauer-Power wirkt eintönig

Es ist beeindruckend, mit wie viel Kraft und Präzision das 17-köpfige Ensemble zur Sache geht. Regisseur Daniel Wahl beweist ein gutes Gefühl für stimmungsvoll komponierte Bilder, die aber nicht immer wirklich nachvollziehbar sind. Wenn die junge Frau, die soeben erleben musste, wie ihr Aufstand gegen den selbsternannten «Cäsar auf Lebenszeit» gescheitert ist, sich mit emporgehaltener Fackel ganz oben in der Arena hinstellt, dann sieht das zwar gut aus; inhaltlich bleibt die Freiheitsstatuen-Pose aber rätselhaft.

Das grösste Handicap des Abends aber ist seine an und für sich bewundernswerte Dauer-Power, die kaum Momente der Ruhe zulässt. Das nimmt dem Geschehen die Möglichkeit, sich stimmungsmässig zu entwickeln. Was mit Vollgas beginnt, kann sich nicht mehr steigern. So stellt sich mit der Zeit eine gewisse Eintönigkeit ein. Nur der Vollmond, der pünktlich zum Ende des Abends hinter der imposanten Kulisse des Römertheaters aufgeht, vermag noch für eine Steigerung zu sorgen.

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Junges Theater Basel: «Camp Cäsar»
. Im Römertheater Augst. Weitere Vorstellungen bis Samstag, 13. September, jeweils 19.30 Uhr.

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