Culturescapes Tokio ist lanciert

Erstmals in seiner über 400-jährigen Geschichte bereist das japanische Bunraku Puppentheater die Schweiz. Zum Auftakt des Festivals Culturescapes erfolgte der Tournee-Startschuss im ausverkauften Theater Basel.

Die Japaner liessen im Theater Basel die Puppen tanzen.

Erstmals in seiner über 400-jährigen Geschichte bereist das japanische Bunraku Puppentheater die Schweiz. Zum Auftakt des Festivals Culturescapes erfolgte der Tournee-Startschuss im ausverkauften Theater Basel.

Das dürfte Festivaldirektor Jurriaan Cooiman gutgetan haben: Full House bei der Eröffnung von Culturescapes 2014. Vor einem Jahr noch schien das Festival, das jedes Jahr die Kultur eines fremden Landes in die Schweiz bringt und finanziell auf Kooperationen angewiesen ist, infrage gestellt. Nur eine Reduktion des Personalbudgets und des Programms ermöglichten schliesslich überhaupt eine Durchführung des diesjährigen Schwerpunktes Tokio. 

Angesichts dieser Schwierigkeiten drücken wir auch ein Auge zu, dass die Eröffnung gar nicht im Zeichen von Tokio stand, sondern von Osaka, der drittgrössten Stadt Japans. Dort entstand im 17. Jahrhundert Bunraku, eine ureigene Form des Puppentheaters.

Lebende Kulturschätze

Die japanische Regierung hat Bunraku den Status als «unberührbares kulturelles Erbe» verliehen. Selbst Darsteller können zu «lebenden Kulturschätzen» erklärt werden. Das verdeutlicht nicht nur die immense Bedeutung dieser Tradition, sondern lässt auch erahnen, wie gross das persönliche Engagement der Schweizerisch-Japanischen Gesellschaft gewesen sein muss, damit die Truppe aus Osaka mitsamt ihren Puppen, Instrumenten für eine Tournee in die Schweiz kommt. Deren Präsident Herbert Haag mochte seine Aufregung und Freude denn auch nicht verbergen.

Morin grüsste im Namen beider Kantone – «ob fusioniert oder nicht»

Zumal der in Italien stationierte japanische Botschafter eigens aus Rom angereist war. Auch die lokale Politprominenz war zugegen; von den Kulturbeamten bis zu ihren Chefs. Während Urs Wüthrich auf dem Balkon sass, grüsste Regierungspräsident Guy Morin im Namen beider Kantone – «ob fusioniert oder nicht», wie er schelmisch anmerkte.

Was dann folgte, war ein exotisches Schauspiel, das die Zuschauer tief in die kulturelle Tradition Japans eintauchen liess: Wie streng das Bunraku Theater alten Ritualen verpflichtet ist, manifestierte sich schon nur in der disziplinierten Haltung der Rezitatoren am Bühnenrand, die ehrfürchtig die alten Bücher grüssten, aus denen sie die alten Geschichten vortrugen. 

Rockige Shamisen, exotische Dramen

Die Episoden der jahrhundertealten Geschichten wurden zu unserem Verständnis mit Übertiteln dargeboten. Sie handelten von tragischer Liebe, Treue, Leben und Tod und wurden von den Rezitatoren voller Inbrunst gesprochen und gesungen, untermalt von Musikern, die Shamisen und Trommeln erklingen liessen. Bemerkenswert war, wie rockig mitunter die mit einem Holzplektrum angeschlagenenen Spiesslauten klangen.

Im Zentrum standen die Puppen, die von jeweils drei Männern bedient und geführt wurden. Glücklich, wer in den vorderen Rängen sass und die Bewegungen, die Koordination und das Timing in allen Details erfassen konnte (oder wer ein Opernglas dabeihatte – unsereiner leider nicht).

Welch grosse Kunst hinter jeder einzelnen Bewegung steckt, kann man sich auch zu Hause veranschaulichen: Der japanische Grossmeister Kiritika Kanjuro, der bei der Schweizer Premiere höchstpersönlich auf der Bühne stand, präsentiert seine Kunst im folgenden Film.

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Das komplette Programm von Culturescapes finden Sie hier.

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