Das DJ- und Produzentenkollektiv Alma Negra hat fleissig in alten Plattenkisten gewühlt, um unentdeckte Rhythmen aus der ganzen Welt auf den Dancefloor zu bringen. Nun steht für die mittlerweile international gefragten Musikliebhaber ein neues Kapitel an. Ab sofort ersetzen die Basler die Drum Machines durch Live-Trommeln und formieren sich zur Band.
Das Basler Musikkollektiv Alma Negra (zu Deutsch: schwarze Seele) hat bis zum letzten Tag geprobt: Ihr erster grosser Auftritt als Live-Formation steht an. Aufregung vor dem Gig in Frankfurt am Donnerstagabend ist im Bandkeller zu spüren. Ein Raum mitten in einem Industriequartier auf dem Wolf in Basel, wo im Innern die kreative Atmosphäre pulsiert.
Ein Raum, vollgestopft mit einem Sammelsurium an Instrumenten und elektronischen Musikgerätschaften. Daneben entdeckt man überall bunte, glitzernde Kunstwerke, die an exotische Gegenden dieser Welt erinnern. Kunst, die vom mittlerweile verstorbenen Vater von Dario Rohrbach stammt.
Dario Rohrbach ist einer der vier Basler DJs und Produzenten, die seit drei Jahren unter dem Namen Alma Negra arbeiten. «Mein Vater war Musiker und Künstler. Von ihm habe ich die Passion für das Kreative geerbt», sagt er. Erste Mixtapes mit Latinmusic hat Rohrbach als Kind aber von seiner Mutter vorgespielt bekommen. Unterdessen mixt er schon seit über zwanzig Jahren selbst Platten in Clubs – angefangen mit House, Techno, später dann Drum’n’Bass.
Gemeinsame Liebe zu afrikanischen Rhythmen
Kennengelernt haben sich die vier Alma-Negra-Mitglieder über die gemeinsame Liebe zur Musik, zu Vinyl und nicht zuletzt auch dank der Faszination für afrikanische und karibische Musik. «Mario Robles und ich haben damals eine Location gesucht, in der wir Partys veranstalten konnten, an denen wir die Grenzen zur House-Musik sprengen wollten und andere Genres wie Afro-Beat oder Ähnliches mit einfliessen lassen», sagt Dario Rohrbach. Vor wenigen Jahren sei man mit einem solchen Musikmix gerade beim Basler Publikum noch eher auf Unverständnis gestossen.
«So entstand vor rund vier Jahren der Kontakt zu Dersu Figueira, der damals in der Lady Bar arbeitete, selber Partys mit afrikanischen Sounds organisierte und heute mit seinem Bruder Diego fest zu Alma Negra gehört», sagt Rohrbach. Damals war noch bei Weitem nicht klar, dass aus einer lockeren Freundschaft und vorerst eher hobbymässigen Leidenschaft irgendwann ein Projekt entstehen würde, das die vier bis nach Berlin, Paris und sogar Dubai bringen würde.
Denn angefangen hat für die Alma-Negra-Mitglieder fast alles, wofür sie heute noch stehen, bereits im Kindesalter. Alma Negra steht für einen gewagten und doch sehr naheliegenden Mix aus aktuellen Club-Sounds und ausgegrabenen Raritäten aus fernen Ländern wie Tansania, der Elfenbeinküste oder auch Cabo Verde – teilweise aus den Siebziger- und Achtzigerjahren.
«Sich nur auf die neusten Tracks im House- und Techno-Bereich zu konzentrieren, würde uns alle langweilen», sagt Mario Robles, der erste Berührungen mit dem Thema Musik durch seinen Bruder und seinen Vater erlebt hat.
«Mein Bruder war ein grosser Hip-Hop-Fan. Mein Vater dagegen hat den typischen Hippie-Sound aus den Siebzigern gehört. Musik aus vergangenen Zeiten war für mich als Kind und Jugendlicher schon sehr wichtig. Ob Hip-Hop, Krautrock oder Wave – ich habe immer stilübergreifend und vor allem aus unterschiedlichen Epochen Platten gesammelt.» Den ersten Plattenspieler hat Robles sich als 14-Jähriger gekauft. Mit Anfang zwanzig war er bereits als DJ in Clubs wie dem Hinterhof in Basel zu hören.
Dass sie sich als House-DJs irgendwann einen Namen machen werden, war für Dersu und Diego Figueira kein vorgegebener Weg. «Ich hab Funk aufgelegt», sagt Dersu Figueira. Dass sie beide heute eifrig auch House-Platten sammeln, haben sie ebenfalls ihren Eltern zu verdanken, die sie mit dieser Leidenschaft angesteckt haben.
Die Figueira-Brüder haben kapverdische Wurzeln. Eine der ersten Alma-Negra-Edits haben sie dem alten Sound aus Cabo Verde gewidmet. Erschienen ist die Platte auf dem renommierten englischen Connaisseur-Label Sofrito Records von Hugo Mendez. Dieser war einer der ersten grossen Musikkenner, die schon früh an Alma Negra geglaubt haben.
Mit dem Release gelang Alma Negra 2013 der erste wichtige Schritt in die internationale Musikszene. Weitere Veröffentlichungen auf den spezialisierten UK-Labels Basic Fingers und Highlife folgten kurz darauf. Dass ihr Musikstil vor allem in Holland, Frankreich und England gut ankomme, sei nicht verwunderlich, sagt Mario Robles: «In grossen Metropolen wie Paris und Amsterdam leben Menschen unterschiedlichster Kulturen, die früh schon in Berührung mit Musik aus ehemaligen Kolonien kommen.»
Clubs im Ausland sind offener und mutiger
Während in den hiesigen Clubs das Booking meist noch eher traditionell verläuft – nämlich so, dass man in einem House-Club auch vornehmlich House-Musik hört – ist man in grösseren Städten dieser Welt mutiger. Doch die Entwicklung, dass DJs und Publikum generell offener gegenüber anderen Stilrichtungen werden, spürt man auch hierzulande immer mehr.
So treten Alma Negra unterdessen schweizweit regelmässig als DJ-Kollektiv auf. Bookings im Ausland sind trotz allem immer noch in der Überzahl. Und so erstaunt es auch wenig, dass ihr Entscheid zum Wechsel vom reinen DJ-Act zum perkussiven Live-Act von einem deutschen Festival-Booker vorangetrieben wurde.
«Wir haben von einem Festival, das vom bekannten Offenbacher Club Robert Johnson mitorganisiert wird, eine Anfrage bekommen. Man ging davon aus, dass Alma Negra sowieso eine Live-Band ist. Dass dies bis vor Kurzem noch nicht der Fall war, war denen nicht bekannt», sagt Dario Rohrbach.
Alma Negra entschieden sich kurzerhand, ihren Plan, irgendwann mal mit Instrumenten anstatt nur mit Platten aufzutreten, zu beschleunigen. «Wir haben die Anfrage im Juni bekommen. Und nun stehen wir bereits auf der Bühne des Jetztmusik Weekend in Frankfurt», sagt Mario Robles.
Robles ist beim Auftritt mit der Band für das Arrangement am Laptop verantwortlich. Während Diego Figueira noch nicht live auftritt, sitzt sein Bruder Dersu an den Trommeln. Begleitet wird er von zusätzlichen vier Perkussionisten, darunter auch Dario Rohrbach.
So klingen die Tracks von Alma Negra deutlich energetischer als ab Platte. In letzter Zeit probte man bis zu zweimal wöchentlich mit der Band. Damit alles perfekt sitzt, alle im Takt sind und die Musiker trotz fest definierter Setlist Platz für kurze Improvisationen haben, braucht es Übung, sind sich alle einig.
Noch konzentrieren sich Alma Negra auf Live-Percussion. «Dass später Bläser oder Gitarristen zur Band gehören, schliessen wir nicht aus», sagt Rohrbach. Erstes Ziel sei es, vorerst bis anhin gesampelte Parts in ihren Tracks vermehrt live und vor Ort – also in Afrika oder der Karibik – einzuspielen.
«Was danach kommt, weiss heute noch niemand», gesteht Dersu Figueira, «aber neben dem weiterhin bestehenden DJ- und Produzenten-Projekt Alma Negra noch eine grosse Band zu haben, ist schon unser Traum.»
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Am Donnerstagabend spielt Alma Negra live am Jetztmusik Weekend in Frankfurt. Am Freitag steht für die Hälfte des Kollektivs bereits ein weiteres Booking in Hamburg an, danach folgt gleich Berlin. Im Dezember ist Alma Negra dann in Dubai und Paris, bevor sie am 31. Dezember wieder im Hinterhof in Basel zu hören sind — dann allerdings (noch) ohne Trommeln.