Der Wilde Westen hat mit seinen Mythen viele verzaubert – auch Comiczeichner. Das Cartoonmuseum macht sich auf Spurensuche durch über 100 Jahre Comicgeschichte.
Rauchende Colts und bauschige Röcke, blutrünstige Indianer, die nur auf Skalps aus sind und viele, viele rauhe Gesellen. Im Westen ging es wild zu und her Ende des 19. Jahrhunderts. Wollen uns zumindest unzählige Romane und Filme glauben machen. Stimmte aber nur bedingt, weiss der historisch Interessierte. Und hoffentlich auch diejenigen, die es damals miterlebten.
Unter jenen, die dabei gewesen sind, waren zahlreiche Comiczeichner. Sie schufen Figuren, die Abenteuer erlebten und vom Erlebten erzählten. Diese Comics wurden um die Jahrhundertwende von den grossen Tageszeitungen und Wochenmagazinen verbreitet, noch bevor es Filme oder Fernsehen gab, sogar noch, bevor Comichefte gedruckt wurden. Das Bild, das der Osten der USA und auch Europa vom «Wilden Westen» erhielten, entsprach aber nicht immer der Wahrheit. Klischees wie die vorgängig erwähnten prägten viele Geschichten – selbst von Zeichnern, die vor Ort gewesen waren.
Im Basler Cartoonmuseum versucht man nun mit der Ausstellung «Going West. Der Blick des Comics gen Westen», Entwicklungen von damals bis heute aufzuzeigen. Dabei wird Wert darauf gelegt, dass nur Werke gezeigt werden, die geläufige Klischees so gut als möglich vermeiden und stattdessen kulturhistorische Aspekte aufgreifen.
Reiseerfahrung vs. Nacherzählung
Nicht alle Comiczeichner machten sich die Mühe, zur Recherche den Westen der USA auch tatsächlich zu bereisen. Erstaunlicherweise gelingt es trotzdem einigen von ihnen, ein mehr oder weniger akkurates Bidl zu vermitteln. Einer davon ist der Westschweizer Derib: Aus dem Wallis stammend reiste Claude de Ribaupierre, so Deribs bürgerlicher Name, zuerst nach Brüssel, wo er unter anderem in den Studios von Peyo Abenteuer der Schlümpfe zeichnete. In den USA war er nie. Trotzdem widmete er sich bald in mehreren Serien den Indianern, zum Beispiel in der Reihe um den weissen Trapper «Buddy Longway».
Deribs grösster Erfolg aber ist bis heute ein kleiner Indianerjunge, der mit Tieren sprechen kann – allen voran seinem besten Freund, dem Pferd «Kleiner Donner». Kaum ein Kind, das Yakari nicht kennt, wenn auch vielleicht eher aus der TV-Serie als aus den Comicbüchern.
Derib spricht mit Yakari vor allem Kinder an, was nicht für alle Wild-West-Comics gilt. Schon beim wohl bekanntesten Cowboy des Comic-Universums sieht das etwas anders aus: Lucky Luke hat mindestens soviel erwachsene Leser wie solche im Kindesalter.
Dass diese beiden populären Aushängeschilder in dieser Ausstellung nicht fehlen dürfen, ist klar. Ihre Geschichten kann man heute noch lesen und kaufen. Anders sieht es aus mit den Comicstrips aus der Zeit der Jahrhundertwende. Damals wurde das künstlerische Potenzial des Mediums lange nicht erkannt und viele Originalzeichnungen vernichtet. Von Donald Duck-Zeichner Carl Barks beispielsweise oder auch von Garrett Price sind keine Originale mehr aufzutreiben.
Dem Cartoonmuseum ist es trotzdem gelungen – unter grossem Aufwand, wie Kurator und Comicspezialist Alexander Braun betont, – einige Originale aus jener Zeit zu beschaffen. Notfalls wurden von Nachkommen der verstorbenen Zeichner Garagen durchwühlt.
«Going West!» setzt im 19. Jahrhundert ein mit Zeichnern wie Frank King, George Herriman oder James Swinnerton. Sie waren regelmässige Gäste in Arizona, in einem kleinen Ort namens Kayenta, der eine Poststation besass. So taucht bei Herriman beispielsweise immer wieder der Ortsname Kayenta auf, was eine ziemlich klare Verortung seiner Comics zulässt. In seinen «Krazy Kat»-Geschichten kann man zudem einen respektvollen Umgang und Austausch von Lebenskulturen ausmachen.
Realistische Reiseerfahrungen verarbeiteten auch andere Zeichner in ihren Werken. Bei Rudolph Dirks beispielsweise findet man Darstellungen von Mammutbäumen, wie sie etwa im heutigen Yosemite Nationalpark wachsen. Auch die sogenannte Rainbow Bridge, die sich in Utah befindet, taucht immer wieder auf.
Mehr als hundert Jahre Comicgeschichte deckt die Ausstellung ab, vielfältig und mit wenigen Schwerpunkten. Dank der chronologischen Hängung kann man Veränderungen im Umgang mit dem Thema nachvollziehen, etwa in Bezug auf das Frauenbild: Irgendwann sind die Damen nicht mehr nur Anhängsel, sondern dürfen auch zur Pistole greifen.
Gleichzeitig wird hier aber auch klar gemacht: Wild West-Comics bedeutet nicht nur Cowboys. Die Indianer sind klar in der Mehrzahl. Und sie sind nicht immer korrekt dargestellt – blutrünstige Exemplare kommen auch hier ausnahmesweise mal vor. Manche Klischees verkaufen sich halt einfach gut.
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«Going West! Der Blick des Comics gen Westen», Cartoonmuseum Basel, 4. Juli bis 2. November 2014. Vernissage 3. Juli, 18.30 Uhr.