Das Kunstmuseum zeigt den Popstar unter den Kupferstechern

Hendrick Goltzius war ein formidabler Imitator, ein gewiefter Unternehmer und ein grosser Kupferstecher. Das Kunstmuseum Basel zeigt sein Schaffen in einer feinen Ausstellung. Vier scheiternde Männer sind das Highlight.

Hendrick Goltzius liebte das Imitieren: «Die Beschneidung» ist ganz im Stil von Albrecht Dürer gehalten.

(Bild: © Kunstmuseum Basel / Martin Bühler)

Hendrick Goltzius war ein formidabler Imitator, ein gewiefter Unternehmer und ein grosser Kupferstecher. Das Kunstmuseum Basel zeigt sein Schaffen in einer feinen Ausstellung. Vier scheiternde Männer sind das Highlight.

Vermarktung ist alles, das wusste schon Hendrick Goltzius. Kennen Sie nicht? Kein Grund zum Schämen, der Herr lebte im 16. Jahrhundert und ist namentlich wahrscheinlich bloss Kunsthistorikern mit einem Faible fürs grafische Schaffen jener Epoche bekannt. Was allerdings schade ist, denn Goltzius war ein Meister seines Fachs und ungleich bekannteren Kupferstechern wie Albrecht Dürer durchaus ebenbürtig.

Goltzius (1558–1617) war zudem ein gewiefter Kerl, weshalb er schon zu Lebzeiten berühmt und erfolgreich war. Man darf ihn einen regelrechten Unternehmer nennen. Er war äusserst produktiv, sehr vielseitig (nicht nur als Maler, Kupferstecher, Ideengeber, sondern auch als Verleger unterwegs) und vor allem perfektionierte er die Technik des Kupferstichs derart, dass er eine ganze Generation prägte – die sogenannte Haarlemer Schule.

Das Kupferstichkabinett im Zwischengeschoss des Kunstmuseums Basel widmet Goltzius nun eine feine Ausstellung, bestehend aus rund 80 Werken, die dessen Vielseitigkeit aufzeigen. Und dessen Witz und Verständnis der Kunstszene seiner Zeit, wenn man die richtigen Geschichten kennt. Zum Beispiel jene eines Stichs, der schlicht «Die Beschneidung» heisst und der im Vordergrund die Beschneidung Christi zeigt und im Hintergrund all jene Leute, die dabei zusehen. Darunter auch den Künstler selbst.



Das da ist Hendrick Goltzius im Hintergrund einer «Beschneidung Christi» im Stile von Albrecht Dürer.

Das da ist Hendrick Goltzius im Hintergrund einer «Beschneidung» (Ausschnitt). (Bild: ©Kunstmuseum Basel / Martin Bühler)

Die «Beschneidung» ist ein einzelner Stich aus einer ganzen Serie mit Stationen aus dem Leben Marias. Die Serie ist insofern bereits speziell, weil Goltzius darin die unterschiedlichsten Stile ausprobierte – und zwar keine eigenen, innovativen, nein, er imitierte darin seine bekannten Vorgänger von den Niederlanden bis Italien, von Lucas van Leyden bis Bernardo Passaro. Und auch den ganz grossen: Albrecht Dürer.

Die «Beschneidung» ist ganz im Stile Dürers geschaffen, der rund ein Jahrhundert vor Goltzius gearbeitet hatte. Mit Ausnahme von Goltzius‘ eigenem Kopf, der deutlich moderner erscheint – nur schon wegen des eigenwilligen Schnauzes, der ihn klar in seiner eigenen Zeit verankert.

Seine Imitation von Dürers Stil war derart gut, dass er ein Experiment wagte: Er entfernte seinen Kopf aus dem Stich und sein Monogramm, und siehe da, plötzlich hörte man sagen, ein alter, verschollener Dürer-Stich sei wieder aufgetaucht. Eine Sensation! Wollte doch jeder einen Dürer besitzen, der aber leider nicht so produktiv wie Goltzius gewesen war. Endlich war wieder einer auf dem Markt.

Goltzius aber löste das Rätsel auf und outete sich als Urheber des Stiches. Schliesslich war sein Experiment gelungen: Er hatte bewiesen, dass er dem grossen Vorbild ebenbürtig war.

Guter Imitator

Die Episode ist ein Beweis dafür, dass der niederländische Künstler die Œuvres seiner Kollegen gut studierte. Er war aber nicht nur meisterhaft im Imitieren, sondern entwickelte auch seinen ganz eigenen Stil, der sich durch weite Bögen auszeichnet, durch netzartige Schraffuren und durch Linien, die in der Mitte dicker werden und an den Enden dünner auslaufen.



Goltzius' «Herkules Farnese», das Muskelpaket.

Goltzius‘ «Herkules Farnese», das Muskelpaket. (Bild: © Kunstmuseum Basel / Martin Bühler)

Ebenfalls charakteristisch für Goltzius ist seine Vorliebe für muskulöse Männerkörper und antike Helden. Passt ja, man denke nur an Herkules. In ihnen kann er seinen manieristischen Stil vollends entfalten, der sich in verdrehten Körpern zeigt und in der Suche nach dem Aussergewöhnlichen.

Fast schon plakativ anzusehen ist das im Kunstmuseum an den vier Kupferstichen «Die vier Himmelsstürmer». Ikarus fällt da vom Himmel, gefolgt von Phaeton, Ixion und Tantalus. Vier Männerkörper, Muskelberge, festgehalten im Moment ihres Scheiterns. Einfach nur grandios.



Phaeton, wie er vom Himmel fällt, in Kupfer gestochen von Hendrick Goltzius (1594).

Phaeton, in Kupfer gestochen von Hendrick Goltzius (1594). (Bild: © Kunstmuseum Basel / Martin Bühler)

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«Bestechend gestochen – Das Unternehmen Hendrick Goltzius», Kunstmuseum Basel, 20. August bis 13. November 2016.
Vernissage Freitag, 19. August, 18.30 Uhr

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