Halbzeit auf der Englandtournee des Sinfonieorchesters Basel – Zeit, die Reaktionen auf die bisherigen vier Konzerte zu sammeln. Sie könnten kaum positiver ausfallen.
Vier von fünf Sternen verlieh der Kritiker des «Guardian» dem ersten Konzert des Sinfonieorchester Basels – eine Note, die in diesem Sektor Seltenheitswert geniesst. Andrew Clements titelt enthusiastisch «minimalist works maximise power and excitement» und betont Dennis Russell Davies Fähigkeit, «to showcase the strengths of his orchestra, the depth of its string tone, liveliness of its woodwind and security of its brass.»
Jenes Konzert wurde vorab von der BBC beworben – etwa mit einem kleinen Intermezzo für Klavier zu vier Händen von Dennis Russell Davies und Pianistin Maki Namekawa – und anschliessend live übertragen (es kann online nachgehört werden). Dies generierte sogar zusätzliche Konzertbesucher. Zwei Tage später nämlich verriet beim Konzert in Basingstoke eine britische Dame den Basler Tourbegleitern am CD-Verkaufstisch, sie habe das Konzert am Radio gehört und sofort entschieden, dass sie dies unbedingt live hören müsse. Deshalb sei sie extra nach Basingstoke gekommen.
Beeindruckte Besucherinnen und Besucher
Selbst die «Freunde des Sinfonieorchesters Basel» sind für einige Tage nach London gereist. Suzanne Pollak-Daicker (71), seit ihrem zwanzigsten Lebensjahr Exilbaslerin, hält sogar von ihrem Wohnort Liechtenstein aus Kontakt zum Orchester. Nach dem Konzert in der Cadogan Hall erzählt sie, dass ihr John Adams‘ «Harmonielehre» zwar ein wenig zu laut, ein wenig zu aggressiv erschien. Doch sie sei grosser Fan von Arvo Pärt; und dass sie bei dessen Klavierkonzert «Lamentate» auch noch Dennis Russell Davies Frau, Maki Namekawa, am Klavier erleben durfte, «ihr edles Spiel, und wie sie mit dem Orchester gekämpft hat», das habe sie sehr beeindruckt.
Es ist ein freundliches, offenherziges Publikum, das hier den Baslern begegnet. Ob in den riesigen Mehrzweckhallen von Coventry und Basingstoke, ob in der edlen Londoner Cadogan Hall oder in der urchigen ehemaligen Lagerhalle «Corn Exchange» in Cambridge (die atmosphärisch der Basler Kaserne sehr nahe kommt); überall erntet das Orchester jubelnden Applaus. Nicht selten sprechen Konzertbesucher die Orchestermitglieder direkt nach den Konzerten an, um ihnen ihre Begeisterung und ihren Dank mitzuteilen.
Schöne Ansprache des Chefs
Dies hat nicht nur mit der Musik zu tun, die auf dem Programm steht: Minimalmusic ist zwar beliebt, weil sie tonal komponiert ist und schöne Atmosphären schafft, aber sie ist längst nicht so ein Zugpferd wie etwa eine Beethoven-Sinfonie.
Der Erfolg hat vor allem auch mit dem Orchester und seinem Chefdirigenten zu tun. «Harmonielehre war eine richtige Bombe», lobte Davies sein Orchester nach dem ersten Konzert.
Und nach dem dritten Konzert gab er gleich einen ganzen Apéro aus. In seiner Ansprache sagte er seinen Musikern: «Wir haben hier ein Publikum, das gekommen ist, um diese Musik zu hören. Und was sie hören ist weit über dem, was sie erwartet haben. Und das hat damit zu tun, wie das Sinfonieorchester Basel mit der Musik umgeht: Mit Leidenschaft, mit Können, mit Geduld, wenn Geduld gefragt ist, und Disziplin. Ich bewundere das, und ich bedanke mich sehr.»
All das motiviert nachhaltig. Selbst nach einer staubedingten, unfreiwillig langen Busfahrt von drei Stunden, nach der es ohne Abendessen direkt auf die Bühne von «The Anvil» in Basingstoke geht, spielen die Basler ein hervorragendes Konzert voller Energie – und steigen anschliessend ohne Murren direkt wieder in den Bus, um die Rückfahrt ins Hotel anzutreten – schmerzende Rücken und steife Beine ob des langen Sitzens ungeachtet.
Schrecksekunde beim Saitenriss
Sogar eine gerissene Cellosaite bringt die Basler nicht aus der Ruhe: Als beim gestrigen Konzert in der Cambridge Corn Exchange dem Solisten Matt Haimovitz bei Philip Glass‘ 2. Cellokonzert «Naqoyqatsi» die tiefste Saite riss, die er zuvor noch intensiv bearbeitet hatte, um seinem Cello ein gefährlich drohendes Grummeln zu entlocken, da zückte Stimmführer David Delacroix vorbildlich eine passende Ersatzsaite aus dem Jackett. Noch auf der Bühne wechselte Haimovitz die Saite, und binnen weniger Minuten konnte das Konzert weitergehen, als wäre nichts gewesen.