Das Spiel mit der Erwartung

Elena Filipovic gibt ihren Einstand als Direktorin der Kunsthalle Basel mit einem scheinbar kleinen, aber äusserst durchdachten Projekt – stark!

Zwei Männer, zwei Frauen, die auf etwas warten. Nur – worauf? (Bild: Philipp Hänger)

Elena Filipovic gibt ihren Einstand als Direktorin der Kunsthalle Basel mit einem scheinbar kleinen, aber äusserst durchdachten Projekt – stark!

Drei Monate lang warteten wir darauf, dass Elena Filipovic ihren Einstand als Direktorin der Kunsthalle Basel mit einer ersten Ausstellung gibt. Was sie uns nun offeriert, wird manchen überraschen. Denn Filipovic lässt das Untergeschoss vorerst ausser Acht und bespielt nur den Oberlichtsaal. Mit einer einzigen Künstlerin, mit einer einzigen Arbeit.

Doch so reduziert diese Schau auch daherkommt: Dahinter stecken ganz viele Gedanken, zu einem Konzept geformt, das aufgeht.

Da ist einerseits die neue Direktorin, die sich vielen Erwartungen gegenübersieht. Die es selber kaum erwarten kann, in Erscheinung zu treten.

Sie sucht sich mit Zhana Ivanova eine Künstlerin aus, die in ihrem Werk das Warten und Erwartungen thematisiert.

Sie setzt eine äusserst kurze Ausstellungsdauer an und erweckt damit den Eindruck, ein kleines Projekt zu präsentieren.

Ha, erwischt!

«Ongoing Retrospective (Chapter 1)», so heisst die Ausstellung. Es ist die erste institutionelle Schau der bulgarischen Künstlerin, die in Amsterdam lebt. Und eigentlich gibt der Titel schon Aufschluss darüber, was hier geschieht.

Es ist Kapitel 1 einer längeren Geschichte. Die Geschichte wird so lange dauern, wie Elena Filipovic an der Kunsthalle Basel bleibt. In dieser Zeit wird Zhana Ivanova immer wieder hierher zurückkehren und neue Kapitel ihrer «Ongoing Retrospective» schreiben. Die jetzige Ausstellung ist somit nichts anderes als der Startschuss, alles andere also als ein kleines Projekt.

Filipovic stellt damit sich selber und die Künstlerin vor eine Herausforderung, sie stellt zudem auch Fragen an die Institution und an deren Aufgabe. Was etwa ist der Sinn einer Retrospektive? Diese Form der Ausstellung blickt zurück und präsentiert (im besten Falle) die besten Werke einer Künstlerin, eines Künstlers. Doch wer bestimmt, welche Werke das sind?

Bei Zhana Ivanova soll das die Künstlerin selbst sein. Sie wird jedes ihrer Werke schon bei der Entstehung dahingehend hinterfragen, ob es in ihrer Rückschau gezeigt werden soll – und ob es somit als Kapitel in das Projekt der Kunsthalle geschrieben wird.

Warten… warten…

Filipovic stellt klare Erwartungen an die Künstlerin, die ihrerseits in diesem ersten Kapitel das Warten thematisiert. Immer wieder geht es der 37-jährigen Ivanova in ihrer Arbeit um jenen Moment, in dem man weiss, dass etwas eintreffen wird, der Moment aber noch nicht da ist.

Stellvertretend dafür hat die Künstlerin, die hauptsächlich im Performance-Bereich arbeitet, im Oberlichtsaal der Kunsthalle eine Art Warteraum eingerichtet. Fünf Schauspieler nehmen diesen in Beschlag – als Anleitung dient ein Skript, das jeweils vier von ihnen beschäftigt.

Das Skript erhalten die Besucher in die Hand. Sie sollen nachlesen, was auf der Bühne geschieht. Oder auch nicht und alles ihrer Imagination überlassen. Gesprochen wird nicht, das Skript sagt den Schauspielern jedoch, was sie denken, wie sie sich verhalten sollen.

Es sind zwei Frauen und zwei Männer, die diesen Warteraum bevölkern. Sie kommen und gehen, interagieren, doch alles in minimalem Rahmen. Worauf sie warten, ist nicht ersichtlich. Die Handlung geschieht in einem Loop – es gibt weder Anfang noch Ende.



Was geht in ihren Köpfen vor? Ein Skript hilft, doch die eigene Imagination spielt auch mit.

Was geht in ihren Köpfen vor? Ein Skript hilft, doch die eigene Imagination spielt auch mit. (Bild: Philipp Hänger)

Als Besucher setzt man sich auf einen Stuhl vor dem Raum. Bald wird klar, dass man genauso Teil des Werkkonzeptes ist wie die Schauspieler. Man liest im Skript und erwartet die dort beschriebene Handlung. Man wartet auf den nächsten Schritt, auf die nächste Regung eines Gesichtes, interpretiert Gedanken und Bewegungen.

Dass man aber trotzdem aussen vor bleibt, merkt man vor allem, wenn man aufsteht und den Bühnenraum umrundet. Dahinter nämlich ist eine Art Lounge eingerichtet, in der die Schauspieler auf ihren Einsatz warten. Es scheint, als hätte man die Möglichkeit, mit ihnen Kontakt aufzunehmen – ein flüchtiger Blick hier und dort, der aber sofort wieder unterbrochen wird. Die Schauspieler sind auch hier in einer Rolle, also lässt man sie in Ruhe und zieht sich zurück.

Man will nicht stören, macht sich seine Gedanken still und leise. Es ist ein ruhiger Ort. Ein unaufgeregtes Projekt. Eines, das Erwartungen weckt, auf dessen Ausgang man aber warten muss. Und es ist ein äusserst gelungener Einstand für die neue Direktorin.

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Zhana Ivanova – Ongoing Retrospective (Chapter 1), Kunsthalle Basel, bis 15. Februar. Performance-Zeiten Di, Mi, Fr 12.30–14, 16–17.30 Uhr, Do 12.30–14, 18–20 Uhr, Sa, So 11.30–13.30, 15–17 Uhr.

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