Im Rahmen der Leichtathletik-Europameisterschaften inszeniert das Sportmuseum bis zum 17. August auf dem Zürcher Sechseläutenplatz ausgewählte Bilder aus dem Archiv des Sportfotopioniers Walter Scheiwiller. Speziell dabei: Das Publikum soll helfen, bei einzelnen Fotografien Zusammenhänge herzustellen.
Walter Scheiwiller ist ein Pionier der Schweizer Sportfotografie. Sein Werk, das sich im Sportmuseum Schweiz befindet, umfasst tausende herausragende Aufnahmen aus der Geschichte des Schweizer Sports im 20. Jahrhundert, vom Zweiten Weltkrieg bis in die 1980er-Jahre. Einer der Schwerpunkte in seinem Schaffen war dabei die Leichtathletik: Er nutzte seine Kenntnisse als Aktiver, um die Bewegungen der Athletinnen und Athleten zu antizipieren und im richtigen Moment den Auslöser zu drücken.
Scheiwiller schuf so Bilder, die im kollektiven Gedächtnis haften geblieben sind und zu Ikonen wurden: die Überwindung der Schwerkraft im perfekt angespannten Körper von Ausnahmeleichtathletin Meta Antenen; die Verrenkungen von Michel Portmann bei einem Sprung über 2,13 Meter; der kitzlige Moment, bevor Stabhochspringer Mel Schwarz sein Gerät loslässt.
Die Bilder scheinen perfekt inszeniert, was nicht selbstverständlich ist. Während der Ära von Scheiwiller, der heute 92 Jahre alt ist, waren weder Serienfotografien möglich noch konnte das Resultat auf einem Bildschirm überprüft werden. Der Instinkt und das Können des Fotografen bestimmte die Qualität der Bilder.
Fassadenbilder und Videoprojektionen
Anlässlich der Leichtathletik-EM zeigt das Sportmuseum die Aufnahmen von Scheiwiller nach der letztjährigen Sonderausstellung «Das Scheiwiller-Archiv» an der Fotomesse Photo 13 wieder einem grösseren Publikum. Auf dem Sechseläutenplatz wird im «House of Switzerland» die Leichtathletik-Kulturbox «Im richtigen Moment» publiziert.
Sie beinhaltet ein Memory-Kartenspiel, das ausgewählte Motive aus dem Gesamtwerk des Fotografen zeigt. Dem Kartenspiel liegt ein grosses Fotomagazin bei, das grossformatig abbildet, kontextualisiert und exklusive Hintergrundtexte zum Leben und Schaffen des Fotografen, zur Kultur und Geschichte der Leichtathletik und zur archivischen Arbeit des Sportmuseums versammelt.
Scheiwiller und seine Bilder sind auf dem Sechseläutenplatz sehr präsent. Das Memory-Spiel kann draussen auf dem Platz mit übergrossen Kunsttoffplatten gespielt werden. Die Fotografien prägen die Fassade des House of Switzerland und werden in Leuchtkästen im Innern ausgestellt. Und schliesslich verarbeitet das Künstlerkollektiv Lichttapete das Fotomaterial Abends in Fassadenprojektionen ans Zürcher Opernhaus
Aufruf zur Erinnnerung
Mit der Veröffentlichung der Bilder verknüpft das Sportmuseum einen so genannten Aufruf zur Erinnerung. Bei aller Exzellenz der Bilder sind sie nämlich nur mangelhaft nachvollziehbar. Das Museum ruft deshalb Zeitzeugen dazu auf, Informationen beizutragen. Walter Scheiwiller hat herausragende Aufnahmen produziert: Athletinnen in höchster Konzentration vor dem Start, in perfekter Körperspannung während des Wettkampfs, gelöst danach. Darunter finden sich ikonische Bilder wie jenes von Meta Antenen, die im Juli 1971 so weit sprang wie keine andere Schweizerin vor ihr.
Über dieses Bild weiss man alles, was es zu wissen gibt. Ort und Zeit der Aufnahme sind bekannt, die abgebildete Person und auch, was nach dem Drücken des Auslösers geschah: Antenen landete bei sagenhaften 6,81 Metern, drei Zentimeter unter dem Weltrekord. Derart gut erschlossene Bilder sind im immensen Fundus von Scheiwiller aber die Ausnahme. Der Zürcher Sportfotograf hatte zwar ein gutes Gespür für den richtigen Augenblick – davon zeugt sein gesamtes Schaffen – der exakte Zusammenhang fehlt aber leider oft.
Unbekannte Sportler, namenlose Konkurrenten
So schoss er Bilder von einem Geherwettbewerb in der Stadt Zürich und nennt weder den abgebildeten Athleten noch die Jahreszahl. Fünf Läufer grinsen während eines Mittelstreckenrennens bei den Schweizermeisterschaften von 1973 in seine Kamera – wir kennen keinen davon.
Unbekannte Sprinter bei Kantonalen Meisterschaften, namenlose Konkurrenten bei einem 200-Meter-Lauf während «Weltklasse Zürich», junge Läufer im Fussballstadion beim Rennen um den «schnällscht Zürihegel»: Scheiwiller hat sporthistorische Momente festgehalten, die vordergründig im Visuellen verharren.
Hier drin liegt das Anliegen des Projekts: Mit der Veröffentlichung der Bilder erhofft sich das Sportmuseum eine bessere Erschliessung seiner Bilder. Es gibt immer noch genügend Zeitzeugen, die sich an just jenen heissen Nachmittag im Juni 1963 und den unwiderstehlichen Antritt des namenlosen Sprinters erinnern mögen.
Das Sportmuseum nimmt jegliche Hinweise zu den Fotografien von Walter Scheiwiller dankend entgegen – auf www.imrichtigenmoment.ch oder per Post. Als Dankeschön winkt eine DVD mit den sportlichen Highlights aus dem Archiv der Schweizer Filmwochenschau.
Ein Kulturprojekt des Sportmuseum Schweiz zu den Leichtathletik-Europameisterschaften 2014 in Zürich
9. bis 17. August | Sechseläutenplatz | Zürich | Fotos aus der Sammlung Walter Scheiwiller
- Fassadenbilder: Riesige Fotografien prägen die Fassade des «House of Switzerland» und werden in Leuchtkästen im Innern ausgestellt.
- Lichtkunst: Das Künstlerkollektiv Lichttapete verarbeitet das Foto- und Filmmaterial in Fassadenprojektionen ans Zürcher Opernhaus.
- Kulturbox: Sie enthält neben einem Foto-Magazin ein Erinnerungs-Spiel: 64 Spielkarten (32 Bildpaare) mit ausgewählten Motiven.
- Public-Memo-Game: Auf dem Sechseläutenplatz kann das Spiel mit grossen Kunsttoffplatten in Übergrösse gespielt werden.
» «Im richtigen Moment» – weitere Bilder zur Ausstellung