Das Vorstadttheater Basel feiert seinen 40. Geburtstag mit einer Grossproduktion

Mit einer Grossproduktion fast ohne Worte feiert das Vorstadttheater Basel sein 40-jähriges Bestehen als Institution, die weit über die Grenzen Basels hinaus Pionierarbeit im generationenübergreifenden Theater geleistet hat.

Probeszene aus der Jubiläumsproduktion «Kopf hoch, tanzen» (Bild: Vorstadttheater Basel)

Mit einer Grossproduktion fast ohne Worte feiert das Vorstadttheater Basel sein 40-jähriges Bestehen als Institution, die weit über die Grenzen Basels hinaus Pionierarbeit im generationenübergreifenden Theater geleistet hat.

Wenige Tage vor der Premiere ist in den Räumen des Vorstadttheaters das typische Flirren in der Luft zu spüren, welches das Theater jeweils in der Endprobenphase erfasst. Acht Wochen Probenarbeit hat das neunköpfige Ensemble hinter sich. «Wir mussten aus einem riesigen Wust an Improvisationen ein Stück bauen», sagt Matthias Grupp, Künstlerischer Leiter des Vorstadttheaters Basel und Regisseur der Jubiläumsproduktion mit dem Titel «Kopf hoch, tanzen!». Am Freitag, 24. Oktober, ist Premiere.

Für die Jubiläumproduktion – sie zeigt das Leben in einem Ballsaal während eines Zeitraums von 50 Jahren – hat das Team des Vorstadttheaters das Haus ziemlich umgekrempelt. Oder genauer ausgedrückt, den Raum um 90 Grad gedreht. Das heisst, dass der St. Alban-Saal, in dem das 1974 gegründete Theater seit 1979 seine feste Heimat hat, nun längsseits bespielt wird – das Foyer und die Bar mit eingeschlossen, sodass das relativ kleine (aber feine) Theater nun mit einer gut 25 Meter breiten Bühne aufwarten kann.

Grosses Ensemble

Eine grosse Bühne ist nötig, denn das Ensemble der Produktion ist mit acht Schauspielerinnen und Schauspielern sowie einem Musiker ungleich grösser, als man dies im Vorstadttheater gewohnt ist. «Es ist grossartig, für einmal so viele Menschen im Theater zu haben», freut sich die Geschäftsführerin Britta Graf. Allerdings führe die Anwesenheit so vieler Menschen auch dazu, dass die Anspannung vor der Premiere etwas grösser sei als gewohnt.

Matthias Grupp hat das Vorstadttheater zusammen mit der Schauspielerin Gina Durler vor sieben Jahren übernommen. Vor drei Jahren ist Britta Graf, die zuvor bei der Kaserne Basel gearbeitet hatte, als Geschäftsführerin dazugestossen. Das war zumindest zu Beginn kein ganz so leichtes Erbe, denn das Vorstadttheater trug das unverwechselbare Profil des Gründerpaars Ruth Oswalt und Gerd Imbsweiler.

Herausragende Pionierarbeit

Die 1947 geborene Schauspielerin und ihr 2013 verstorbener Ehemann und Bühnenpartner haben das Haus aufgebaut, es 33 Jahre lang mit Erfolg geleitet und sich den Status als herausragende Pioniere des Kinder- oder besser generationenübergreifenden Theaters erarbeitet.

Mit viel Mut und Engagement haben Oswalt und Imbsweiler eine eigenständige, poetische und humorvolle (Kinder-)Theatersprache entwickelt, die auch existenzielle Themen wie Angst, Liebe oder Tod beinhaltete und den Kindern Stücke von eher sperrigen Autoren wie Eugène Ionesco «zumutete».

Was im In- und Ausland auf ein hohes Mass an Anerkennung stiess. Zeichen dafür sind die zahlreichen Preise, die das Gründerpaar entgegennehmen durfte: der Kunstpreis der Stadt Basel (1987), der Kulturvermittlungs-Preis der ASSITEJ, des Internationalen Dachverbands der Theater für ein junges Publikum (1996) und der Hans Reinhard-Ring (1999) – die höchste Theaterauszeichnung der Schweiz überhaupt – sind nur die drei wichtigsten Auszeichnungen.



Das Gründerpaar Ruth Oswalt und Gerd Imsweiler in «Der König stirbt» im Vorstadttheater anno 1993.

Das Gründerpaar Ruth Oswalt und Gerd Imsweiler in «Der König stirbt» im Vorstadttheater anno 1993. (Bild: Claude Giger)

«Wir hatten nie mit diesen Preisen gerechnet und sie auch nicht angestrebt», beteuert die Theatermitgründerin Ruth Oswalt im Gespräch mit der TagesWoche. Zusammen mit ihrem Mann wollte sie ganz einfach Theater für Kinder machen. «Gerd bettelte 5000 Franken zusammen und sagte: ‹So, jetzt fangen wir an›», erinnert sie sich. «Im Januar 1974 gründeten wir die Träger-Genossenschaft und am 24. April, also nur gerade drei Monate später, standen wir mit unserer ersten Produktion auf der Bühne.»

Oswalt hat nach eigenen Angaben auch nicht damit gerechnet, dass diese mit einem grossen finanziellen Risiko behaftete Parforceleistung zur Lebensaufgabe würde: «Wir wollten loslegen und schauen, wie lange wir durchhalten, wie lange wir Menschen finden, die den Weg gemeinsam mit uns beschreiten möchten.»

Erfolgreiche zweite Theatergeneration

Es wurde eine lange Zeit. Es ist verständlich, dass es dem Gründerpaar 2007 nicht leicht fiel, ihr Kind in neue Hände zu übergeben. Oswalt betont aber, dass es gute neue Hände sind: «Sie bringen einen ganz anderen Theaterstil auf die Bühne, als wir dies taten, aber sie machen es sehr gut und mit viel Leidenschaft.»

Die leidenschaftliche Theaterarbeit des neuen Teams ist denn ebenfalls von Erfolg gekrönt. «Der Laden läuft, die Leute kommen», sagt die aktuelle Geschäftsführerin Britta Graf. In den vergangenen Spielzeiten war das Theater mit den Eigen- und Gastspielproduktionen im Durchschnitt zu 65 bis 72 Prozent ausgelastet. Das Ensemble wird von Gastspielanfragen aus dem In- und Ausland geradezu überhäuft. Und auch bei den bis Dezember vorreservierten Schulvorstellungen der nun am Wochenende anlaufenden neuen Spielzeit sind nur noch wenige Termine frei.

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